Im Wort zum Sonntech teilen erfahrene Unternehmer ihren Erfahrungsschatz mit Gründern, diskutieren – manchmal mit spitzer Zunge – aktuelle Begebenheiten oder plaudern ganz einfach aus dem Nähkästchen. Im zweiten Teil unserer Reihe gibt Dr. Friedrich Georg Hoepfner Einblicke, wie mittelständische Unternehmen und Start-ups erfolgreich kooperieren können.
Zusammenarbeit, die Früchte bringt
Wie kann ein gestandener Unternehmer schon profitieren, wenn er sich mit Gründern befasst? Mit Menschen, die zwar hochtrabende Ziele haben, aber weder die Erfahrung noch die Mittel, sich durchzusetzen? Doch, das ist möglich. Gehen wir bei der Frage noch ein bisschen ins Detail.
1. Dialog
Vielleicht lohnt es sich ja schon wegen des Dialogs. Wir alle kennen unsere eigenen ausgetretenen Pfade. Sie ziehen sich auch durch unser Gehirn. Gedanken, die wir schon oft gedacht haben, Gewohnheiten, die wir gelebt haben, Gefühle, die uns immer wieder in dieselbe Richtung bewegen – sie alle manifestieren sich in Neuronenbahnen, die unser Gehirn strukturieren. Das erleichtert das tägliche Leben, und hilft uns, am Althergebrachten festzuhalten.
Mag ja schön sein, aber es hemmt auch neue Gedanken, hindert unsere Kreativität und ist kein sicherer Weg in die Zukunft. Vor dieser Stagnation kann uns der Dialog mit Menschen bewahren, die in anderen Bahnen denken. Wenn wir offen sind für andere Wahrnehmungen, kommen wir auch zu anderen Ergebnissen.
Deshalb kann der Dialog mit Innovatoren gerade auch Menschen mit viel Erfahrung inspirieren. Es kann dadurch gelingen, Grenzen zu überwinden, neue Problemlösungen zu denken, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
2. Kreative Neukombination
Ein zweiter Vorteil einer solchen Zusammenarbeit kann in der Kombination der Faktoren liegen, die beide Seiten mitbringen.
- Wer Erfahrungen aus dem traditionellen Versandhandel mit den Techniken ausgefeilter Online-Shops verbindet, hat interessante Geschäftsaussichten
- Genauso ist es, wenn Cloud Computing und Bürokratische Organisation oder Maschinenbau und Sicherheitstechnologien aufeinandertreffen.
Für manchen Mittelständler kann ein solcher Vorstoß in neue Dimensionen überlebenswichtig sein.
3. Engagierte Bürger
Drittens brauchen wir Modelle, wie der gesellschaftliche Wandel in der Wirtschaft verarbeitet werden kann. Die Gründerkultur bietet da wichtige Ansatzpunkte. Der große Brockhaus ist Wikipedia zum Opfer gefallen, weil die Führungskräfte im Verlag es schlicht für ausgeschlossen hielten, dass ein Lexikon mit Gratis-Mitarbeitern und fast ohne Redaktion aufgebaut werden kann. Wie ist es gelungen, so viel Engagement mit so wenig Geld zu bündeln?
Warum hat Google in jedem Jahr auch bei unterdurchschnittlichen Gehältern Millionen von Bewerbern, während auch qualifizierte Hidden Champions über Fachkräftemangel klagen? Bauen die Internetfirmen jetzt auch Autos, oder gelingt es den Autofirmen, das Internet zu integrieren?
Viele Manager täten gut daran, solche Fragen zum Ausgangspunkt ihrer strategischen Überlegungen zu machen. Kultur schlägt Struktur – das haben schon einige erfolgreiche Projekte gezeigt.
4. Virtuelle Firmen
Viertens müssen wir lernen, dass Unternehmensgrenzen durchlässig geworden sind. Die jungen Unternehmen machen es uns vor, was man heute mit Flexibilität, mit Outsourcing, mit Vernetzung und mit virtuellen Organisationen erreichen kann. Klar, dass da den Juristen der Kopf schwirrt, wenn sie kaum mehr Verantwortliche finden, weil überall so viele mitmischen. Es ist eine wichtige Zukunftsaufgabe für professionelle Manager, ihre Erfahrung dafür einzusetzen, dass auch auf diesem Wege nachvollziehbare Prozesse entstehen, deren Ergebnisse zuverlässige Qualität gewährleisten. Am Anfang auch dieses Weges stehen:
- das Aufeinanderzugehen
- das Kennenlernen von Alternativen
- und der Dialog.
5. Lean Start-Up
Zuletzt noch ein Wort zu den Finanzen. Wir in Europa und besonders in Deutschland haben uns daran gewöhnt, Nägel mit Köpfen zu machen. Probleme werden mit Ressourceneinsatz (Geld) gelöst, und das nicht zu knapp. So sind wir in eine Kostensituation geraten, die die ständige Flucht nach vorne notwendig macht. Wir produzieren teurer als Tschechien, und Tschechien ist teurer als China. Da müssen wir immer bessere Technologien liefern, immer raffiniertere Vermarktungsstrategien einsetzen, ständig die Effizienz in Management und anderen Disziplinen steigern.
Diesen Weg können wir nicht ewig weitergehen, dazu sind unsere internationalen Konkurrenten zu intelligent. Sie bleiben uns auf den Fersen, und unser Vorsprung wird schmelzen. Dann kommt unweigerlich der Moment, wo wir wieder mal Kosten sparen müssen.
Da trifft es sich gut, dass unsere Start-ups täglich lernen müssen, mit wenig Geld auszukommen. In der Mitte einer perfektionistischen Gesellschaft wächst eine Gruppe von Managern nach, und die wieder gelernt haben, zu improvisieren, den Kapitaleinsatz zu minimieren, sich zu vernetzen, zu internationalisieren und durch Outsourcing Fahrt aufzunehmen. Sicher, da ist nicht alles perfekt, aber zum Teil werden wirklich beeindruckende Wachstumsraten erreicht.
Besonders fruchtbar ist die Methodologie der „Lean Start-ups“. Hier werden die Grenzen eines Unternehmens nicht nur durch intensives Outsourcing nach hinten durchlässig, sondern auch durch laufenden Kontakt und fast schon Symbiose mit den Kunden nach vorne. Geschäftsideen werden als Hypothesen betrachtet, die zusammen mit den Kunden zu testen sind; durch die frühzeitige Einbindung des Marktes spart man unnötige Fehlentwicklungen und kommt schneller zum Punkt.
Wer behauptet, dass er davon nichts lernen könnte, der steht vielleicht schon auf dem Abstellgleis der Weltwirtschaft und muss sich bald darüber beklagen, dass er die Weichen irgendwann einmal falsch gestellt hat.
Wir brauchen Unternehmer
Das war ein Plädoyer dafür, dass mittelständische Unternehmen auf die Gründer zugehen und von Ihnen lernen sollen. Davon bin ich auch überzeugt, aber zugleich erhoffe ich mir von einer solchen Zusammenarbeit auch den umgekehrten Effekt.
Selbstverständlich sind es gerade auch die jungen Unternehmen, die noch viel lernen können und müssen. Sie können ihren Weg beschleunigen, indem sie besser zuhören, die Fehler anderer nicht noch einmal machen und von den Kontakten und Stärken gestandener Unternehmen profitieren. Wenn Europa in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will, dann brauchen wir mehr Unternehmer. Wer heute Arbeitszeit und Geld einsetzt, um junge Firmen auf den Weg zu bringen, der erfüllt damit eine wichtige gesamtwirtschaftliche Aufgabe. Auch deshalb ist der Dialog zwischen jungen und gestanden Firmen so wichtig.
Heutzutage ist viel von Unternehmenskäufen die Rede. Sicherlich ist es ein Weg für ein erfolgreiches Unternehmen, durch Zukauf innovativer Gründerfirmen Know-how ins Haus zu bringen. Man kann solche Firmen als Ganzes kaufen oder einzelne Teile („Assets“), man kann sie voll integrieren oder selbständig weiter arbeiten lassen, man kann sich dabei auf einzelne Märkte konzentrieren oder internationalisieren – wichtigstes Thema wird stets sein, wie es gelingt, die Menschen (Mitarbeiter, Kooperationspartner, Kunden) zu integrieren und damit den Schatz an Innovationsfähigkeit und Engagement zu heben, den man da an Land gezogen hat. Dazu braucht es Umsicht und den Mut, das Vorhandene in Frage zu stellen. Aber Kaufen ist nur eine Möglichkeit von vielen. Denken Sie auch an:
- Offene oder stille Beteiligungen
- Kooperationsverträge
- Die Möglichkeit, junge Führungskräfte vorübergehend auszutauschen
- Gesprächskreise und Konferenzen
- Gezielt Aufträge an Startups zu vergeben und so eine Zusammenarbeit zu initiieren
Ich selbst finde es besonders anregend, als Mentor und Business Angel für junge Hightech-Unternehmen zu arbeiten.
Ein besonders interessantes Werkzeug für einen solchen Innovationstransfer ist es, an der Arbeit eines Inkubators (das ist eine Brutstätte für junge Firmen zur Entwicklung Ihrer Geschäftsidee) mitzuwirken oder selbst einen solchen zu schaffen. All diese Ansatzpunkte verlaufen allerdings im Sande, wenn sie nicht in eine umfassende Innovationsstrategie eingebunden sind, an der man auf verschiedenen Unternehmensebenen ständig weiter arbeiten muss.
Wer Neuland erobern will, darf nicht nur an der schützenden Küste entlang segeln. Er muss hinaus aufs offene Meer!