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Altruismus oder Wirtschaftszweig: Wie steht es um die verheißungsvolle Share Economy? Ein Kommentar zum Zeitgeist – und der Rolle der Digitalisierung.

Im Jahr 2000 schrieb der amerikanische Soziologe und Trend-Ökonom Jeremy Rifkin ein Buch mit dem Titel „Access – Das Verschwinden des Eigentums“. Darin beschreibt er die veränderten Handlungsgrundsätze der vernetzten Welt, wie Netzwerke an die Stelle der Märkte treten und aus dem Streben nach Eigentum das Streben nach Zugang zu diesen Netzen wird. Man bedenke, dass zu dieser Zeit das Internet gerade eben ein Teenager war; rund 17 Prozent der Deutschen waren 1999 online. Damit verbunden begann eine neue Gründerzeit: Der E-Commerce und andere Geschäftsmodelle wurden groß und ständig wurden neue Ideen geboren. Die Share Economy war Teil dieser Revolution, schwamm auf dieser Welle mit. Sie war Sinnbild für Innovation, Zukunft, Digitalisierung, eine neue Form der Gesellschaft. 2013 schrieb der Economist in einem Beitrag „Access trumps ownership“, die Zeichen standen also über einige Jahre auf Siegeszug für die Share Economy. Damit verbunden: der Traum von einer besseren, ressourcenschonenderen Gesellschaft.

Is sharing still caring? Wirtschaftszweig Share Economy

Der Ausgangspunkt der Ökonomie des Teilens war also fast romantischer Natur. Sharing is caring! In der Praxis stellte sich aber genau das oft als schwierig heraus, viele Angebote auf dem Markt sind so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Die eigene Bohrmaschine nutzt man im Leben nur gut 13 Minuten, aber wen kümmert es. Viele Konzepte haben es leider nicht geschafft, sich durchzusetzen, sind in einem Prozess der schöpferischen Zerstörung wieder verschwunden. Der praktische und soziale Aspekt, das Uneigennützige an der Idee des Teilens, hat sich in der Breite bis jetzt nicht durchgesetzt – das muss man konstatieren. Mangels Skalierung, mangels Kümmerer, mangels Kommerzialisierung der Ursprungsidee. Deshalb sieht sich die Share Economy seit einiger Zeit einem Wandel gegenüber.

Und nun? Das Sharing ist tot, lang lebe das Sharing! Was begonnen hat als eine fast altruistische Form des gesellschaftlichen Handelns, hat sich auf der einen Seite zu einem starken globalen Wirtschaftszweig entwickelt, dessen stärkster Motor die Digitalisierung ist. Sharing in dieser Form ist globaler und kommerzieller geworden, denn mit steigendem Kapital nimmt auch die Professionalisierung zu. Und insbesondere im B2B-Bereich beobachten wir einen starken Ausbau der Angebote. Plattformen haben sich als Marktplätze etabliert – Rifkin beschrieb das schon im Jahr 2000. Denn Netzwerke sind wertvoller als die Angebote, die sie erleichtern. Die großen Anbieter, wie AirBnB und Uber haben die Sharing-Idee sozusagen für ihre Zwecke gekidnappt, als Instrument, um Deregulierung zu erzwingen. Damit haben sie nicht nur viel schlechte Presse produziert, sondern auch den Sharing-Gedanken beschädigt.

Aber es gibt aber auch viele Beispiele, wie man erfolgreiche Plattformen bauen kann, ohne die Grundidee des Teilens völlig aufzugeben. So wie store2be: Vier Gründer aus Karlsruhe haben eine Plattform für die Vermietung von Flächen in bereits laufenden Läden und Geschäften geschaffen. Das Team stand 2016 als Preisträger auf der shareBW-Bühne und verkündete wenig später seine erste Finanzierungsrunde in Höhe eines sechsstelligen Betrages. Heute zählen Nestlé und Casio zu ihren Kunden. Sie haben sich angepasst und generieren Nutzen, ohne gesellschaftliche Kosten auszulösen oder Märkte einseitig zu dominieren. Und zum anderen gibt es ganz unverändert die Startups und Graswurzel-Gründungen, die die Grundidee des Sharings leben. Einige von diesen wurden auf dem diesjährigen shareBW-Kongress prämiert und haben nun die Gelegenheit, ihre Ideen umzusetzen.

Digitalisierung: Wiege der Share Economy

Es gilt also, die besten Köpfe und die besten Ideen zu Produkten und Unternehmen werden lassen – auch, aber nicht hauptsächlich, unter dem Kommerzialisierungsgedanken. Um uns genau mit diesen rasanten Entwicklungen auseinanderzusetzen, um den Digitalen Wandel in der Gesellschaft sowie eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung des Landes zu fördern. Um die Chancen, die insbesondere die Digitalisierung für das Teilen bereithält, herauszuarbeiten und in den Dialog zu treten.

Die Landesregierung hat einen mutigen Schritt gewagt: digital@bw, die neue Digitalisierungsstrategie des Landes. Noch sind nicht alle Einzelheiten bekannt, aber eine Milliarde Euro ist ein Wort. Verfügungsgewalt und nachhaltige Nutzung sind gerade für junge Menschen wichtiger als Eigentum, ein Prozess, der durch die Digitalisierung noch beschleunigt wird. Es gilt, die Entwicklung an der Wurzel zu unterstützen, fernab von den großen Plattformen, die von Sharing sprechen aber Marktdominanz suchen. Damit wird eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung des Landes gefördert.

Denn die Share Economy hat nicht nur zahlreiche neue Jobs, sondern auch – und darin liegt das Innovationspotential dieses Themas – viele Angebote geschaffen und auch zugänglich gemacht, die es so zuvor nicht gab. Und so wird das auch in Zukunft weitergehen. In diesem Sinne – „Das Sharing ist tot, lang lebe das Sharing!“