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Wissens- und Technologietransfer sind kein neues Konzept. Technologisches, kulturelles und akademisches Wissen navigierte bereits in der Antike zwischen Zeit und Raum, von einer Gesellschaft zur nächsten und angereichert mit weiteren Erkenntnissen zu einer weiteren – oder transformiert auch wieder zum Ursprung zurück. So wussten Isaac Newton und seine Vorgänger um das wissenschaftliche Erbe des Archimedes von Syrakus: Dessen mathematischer Ansatz zur Erforschung der Natur ebnete den Weg für die modernen Naturwissenschaften, seine mechanischen Erfindungen beeinflussten maßgeblich die Entwicklung der Technik.

Die Bedeutung von Wissens- und Technologietransfer

Wissens- und Technologietransfer haben verschiedenen Bedeutungen und existieren in unterschiedlichen Disziplinen mit sehr heterogenen Verständnissen [1]. So bedeutet Wissenstransfer unter anderem, das in der Forschung erzeugte Wissen mit gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Wissenschaft zu teilen und Handlungswissen nutzbar zu machen [2][3]. Beispiele für gewinnbringende Wissenstransferaktivitäten sind beispielsweise (politische) Beratungsangebote und Fort- oder Weiterbildungsformate. Ein Verständnis von Technologietransfer ist die Übertragung von F&E-Ergebnissen aus anwendungsnaher Forschung (inkl. Grundlagenforschung) in die (sozial-)wirtschaftliche Anwendung, bspw. über Profit- und Non-Profit-Ausgründungen, Joint Ventures sowie Lizenzen.

Diese Formen von interorganisationalem Technologie- und Wissenstransfer sind beispielsweise für Reallabore vorrangig von Interesse [1] und zumeist strategisch verankert. Gemeinsame Entwicklungen mit der Wirtschaft (Joint Ventures), die zum Ergebnis innovative Lösungen (Produkte, Dienstleistungen, Prozesse) haben, entstehen beispielsweise in der branchen- und anwendungsfeldübergreifenden Forschungsumgebung des FZI House of Living Labs, Karlsruhe, mit seinen acht Laboren. Neue Informatik-Anwendungen werden im FZI House of Living Labs von FZI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft entwickelt, erprobt und zur Marktreife geführt.

Die Diskussion um die Relevanz eines erhöhten Transfers (Technologie- und Wissenstransfer) aus der Wissenschaft in die Anwendung, hat in den vergangenen Jahren insbesondere auf Druck der politischen Entscheidungsträger stark zugenommen. Bedenkt man, dass Forschung und Entwicklung zum Wohl des öffentlichen Gemeinwesens beitragen sollen und zu einem Großteil durch öffentliche Mittel finanziert werden, so ist dieser Anspruch durchaus nachvollziehbar und in weiten Teilen berechtigt.

Den steigenden Erwartungen aus Gesellschaft und Politik entgegenkommen

Doch auch in der Wissenschaft wächst der Anspruch (je nach Forschungsfeld mitunter noch verhalten), bereits zu Beginn der F&E-Tätigkeiten, einen Interessen- und Wissensaustausch zu ermöglichen. Anwender*innenbeteiligung, Co-Creation, User Experience und Co. sollen hierbei nicht nur auf dem Papier eine Rolle spielen, sondern sich in der gesamten Projektplanungs- und Durchführungsphase manifestieren. Nur wenn „Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien“ begriffen wird, kann den steigenden Erwartungen aus Gesellschaft und Politik an den Beitrag des Wissenschaftssystems entgegengekommen werden [4].

Warum es im Interesse der Wissenschaft liegt, Forschungsergebnisse in Form von Handlungswissen zu teilen und zu disseminieren? Es scheint eine Herkulesaufgabe, den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Dialog um die Zukunft unserer Erde mitzuprägen. Hierzu bedarf es auch einer methodologischen Herangehensweise, einer klaren Definition von zu teilendem Wissen und letztlich auch tiefgehende Kompetenzen der Mitarbeitenden, die den eindeutig definierten Wissenstransfer mitgestalten, ausbauen und umsetzen sollen.

Wettbewerbsvorteile durch Technologietransfer

Die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts, auch die Vielfalt der Methoden, Tools und Plattformen, Wissen zu teilen, die Globalisierung von Wissen über das Internet, über Partizipationsprojekte, Innovationszentren und Living Labs spielen dem interorganisationalen Wissenstransfer in die Karten und begünstigen ihn zunehmend. Für Unternehmen bietet Technologietransfer eine Möglichkeit, „neue Handlungsweisen einzuführen, Innovationen zu implementieren oder andere Wettbewerbsvorteile zu erlangen“ [1]. Gesellschaftliche Innovationskraft kann über sich hinauswachsen, wenn Wissen geteilt wird – nicht durch den altbewährten Top-Down-Prozess, sondern durch wechselseitige Ströme, auch durch ein systematisches Vorgehen, das institutionalisierte Umsetzen von Wissenstransferaktivitäten in Forschungseinrichtungen.

Forschung entwickelt sich weiter, Forschungsinstitute und ihre Art und Weise zu arbeiten und zu wirken befinden sich in einem ständigen Prozess der Evaluation und der Progression. So müssen auch die Konzepte eines erfolgreichen Wissens- und Technologietransfers überdacht und überarbeitet, Umsetzungsideen von Grund auf methodologisch aufbereitet und institutionell verankert sein und immer wieder nivelliert werden. Wie auch Technologie- und Innovationsmanagement weiterentwickelt werden.

Wie kann Wissens- und Technologietransfer erfolgreich umgesetzt werden?

Einen Lösungsansatz für den erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer kann ein Basisprozess darstellen, der systematische Handreichungen von der Idee bis zur Umsetzung bereitstellt [2]. Definitionen konkreter Ziele, die Begriffe „Wissen“ und „Technologie“, eine präzise Benennung von Zielgruppen, sinnvollen Formaten und Wirkungsweisen spielen bei erfolgreichem Wissens- und Technologietransfer in Forschungseinrichtungen eine ebenso wichtige Rolle wie die Installation einer festgelegten, ausgebildeten Arbeitsgruppe oder Abteilung zur Umsetzung übergeordneter, strategischer Transferaktivitäten. Denn konkretes Know-how und Technologiekompetenz werden häufig zeitgleich in einzelnen Forschungsprojekten, in Forschungskooperationen oder Fachgremien vermittelt und ausgetauscht. Transferaktivitäten geschehen somit häufig fragmentiert, während eine gemeinsame Transferstrategie, die zielführende Koordination und strategische Ausrichtung die Transferaktivitäten noch befördern können.

Das Spektrum von Wissenstransferformaten und ihre Erfolgsaussichten sind groß. Setzt auch jede Forschungsinstitution eigene Schwerpunkte und Zielvorhaben hinsichtlich des institutionellen Wissenstransfers, bleibt eines unumstritten: Wissen ist das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt (Marie von Ebner-Eschenbach).

Über das DIZ | Digitales Innovationszentrum:

Auch für die Zielgruppen des DIZ spielen Wissens- und Transferaktivitäten eine bedeutende Rolle. Das DIZ bietet Informationsformate für Stakeholder aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft in Form von Workshops, beispielsweise zu den Themen KI, IT-Sicherheit, Design Thinking oder der DIZ Inspiration Tours durch das FZI House of Living Labs und das CyberLab.

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Literatur

[1] Alexandrakis, et al. Reallabor und dann? Wissenstransfer in die Öffentlichkeit, Berlin: Springer Verlag, in Druck.
[2] Museum für Naturkunde Berlin/Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung „Ein Basisprozess für den Wissenstransfer – Konzepte und Praxisempfehlungen für ein systematisches Vorgehen beim Wissenstransfer in Forschungseinrichtungen“, Berlin, 2020).
[3] Im Unterschied zur Wissenschaftskommunikation, die Forschungsergebnisse der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich macht, richten sich Wissens- und Technologietransfer an außerwissenschaftliche Entscheider*innen­ und Betroffene aus Politik, Industrie und der Zivilgesellschaft mit dem Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch anzuwenden.
[4] Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien, Positionspapier des Wissenschaftsrats, Weimar, 2016).

Katja Alexandrakis
Katja Alexandrakis arbeitet seit 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am FZI Forschungszentrum Informatik im Bereich Innovation, Strategie und Transfer an der Außenstelle Berlin. Sie begeistert sich insbesondere für ko-kreative Innovationsprozesse und Transfermanagement, beispielsweise im Rahmen interaktiver Veranstaltungen. Außerdem unterstützt sie die strategische Weiterentwicklung des FZI House of Living Labs, einer anwendungsorientierten Forschungslandschaft.