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Die Management-Methode OKR – Objectives and Key Results gewinnt zunehmend an Beliebtheit. Sie ist kompatibel mit allen Organisationsformen, egal, ob agiles Arbeiten Alltag oder Neuland ist. Die OKR Methode hat Schwergewichten wie Google und Amazon zu mehr Ausrichtung und Wachstum verholfen, aber auch deutschen Unternehmen wie Zalando und BMW. Der folgende Beitrag erläutert, warum OKR für die IT-Abteilung eine enorme Bereicherung sein kann. Es werden Beispiele für OKR in der IT gezeigt und das Vorgehen beim Einführen des Frameworks skizziert. Abschließend werden die Dos and Don’ts für OKR in der IT-Abteilung vorgestellt. 

Deswegen sollten IT-Abteilungen OKR einführen

OKR bringt FACTS und gibt damit die richtige Antwort auf die sich stetig wandelnden Herausforderungen der VUCA-Welt, in der wir leben und arbeiten. 

Das Akronym FACTS spiegelt die Wesenszüge von OKR wider: 

Focus (Fokus) 

Mithilfe der OKR-Methode konzentrieren sich alle Beteiligten auf das Wesentliche. 

Alignment (Ausrichtung/Abstimmung)

Alle Mitarbeitenden, Teams, Abteilungen und Führungskräfte richten ihre Arbeit auf das Leitbild des Unternehmens und auf gemeinsam gesteckte Ziele aus.

Commitment (Verpflichtung/Verbindlichkeit)

Ziele werden top-down, bottom-up und horizontal vereinbart, immer mit Blick auf das Leitbild und die Strategie des Unternehmens und unter Einbezug aller Beteiligten. Durch eigen gesetzte Ziele identifizieren sich die Teams und ihre Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit. Intrinsische Motivation wirkt immer nachhaltiger als extrinsische. 

Transparency (Transparenz) 

Jede/r Mitarbeitende und jede Führungskraft kann jederzeit alle Ziele, die sogenannten OKR-Sets, aller Abteilungen und Teams einsehen. Unternehmensweite Transparenz verhindert Doppelarbeit. 

Stretching/Stretch Goals (herausfordernde Ziele)

Alle Mitarbeitenden sind dazu angehalten, ihre Ziele besonders wagemutig und herausfordernd zu formulieren. Dabei entstehen neue Denkweisen und interessante Lösungswege. Gleichzeitig gelten diese Ziele schon ab 70 Prozent als erreicht, da sie bewusst (zu) hoch gesteckt wurden. 

OKR hebt sich von anderen Zielsystemen dadurch ab, dass es Outcome-, also Nutzen- / Wertbeitrag-orientiert ist. Es konzentriert sich darauf, dass die Arbeit zur Erfüllung der Vision eines Unternehmens beiträgt. Andere Frameworks hingegen fokussieren sich auf den Output, die Durchführung eines Projektes, die Entwicklung eines Produktes oder das schlichte Erledigen von Tasks.

Durch diese auf Outcome-Ebene zugrunde liegenden Ziele wird den Mitarbeitenden ein bedeutendes Maß an Eigenverantwortung und Handlungsspielraum eingeräumt, wie sie diese erreichen. 

Jede Abteilung kann von OKR profitieren, ebenso die IT-Abteilung.

Beispiele für OKR in der IT-Abteilung

Die folgenden Beispiele zeigen, wie OKR-Sets für die IT-Abteilung aussehen könnten. Ein OKR-Set besteht immer aus einem qualitativen, herausfordernden Objective und maximal vier quantitativen Key Results, die den Fortschritt zur Erreichung des Objectives messbar machen.

Key Results sind hier nicht mit einfachen Tasks zu verwechseln, welche Output-orientiert sind. Key Results beantworten im Gegensatz zu Tasks, welcher Nutzen durch die Arbeit geschaffen wird. Die Tasks werden aus den Key Results abgeleitet. 

OKR-Beispiel für den Informationssicherheitsbeauftragten

Teilweise entstehen Bedrohungen für die Informationssicherheit durch eine unzureichende Implementierung von Sicherheitspatches und fehlende Ressourcen. Das folgende OKR-Set zielt darauf ab, die Cybersicherheit zu verbessern:

Objective: Entwicklung grundlegender Kompetenzen und Sensibilisierung für Cybersicherheit

Key Results:

  • Die Anzahl der Schulungen zum Thema Cybersicherheit von 2 auf 4 pro Quartal erhöhen
  • Senkung der geöffneten Phishing-E-Mails von 5 % auf 1 %
  • Verringerung der Anzahl der Zugriffsversuche auf nicht autorisierte Webseiten von 10 auf 5 pro Mitarbeitenden

OKR-Beispiel für die IT-Infrastruktur

Ein Hardware- oder Netzsystem ist ohne eine gute Software-Infrastruktur nicht sinnvoll. Das folgende OKR-Set konzentriert sich auf die Verwaltung der Software-Infrastruktur. 

Objective: Verbesserung der Qualität der Software-Infrastruktur

Key Results:

  • Erhöhung der Wartungen für Serverbetriebssysteme von 3 auf 5 pro Quartal
  • Erhöhung der Häufigkeit der Cloud-Sicherungen von 1 auf 2 pro Woche 
  • Verbesserung des Automatisierungsgrads der Hypervisor-Systemverwaltung von 50% auf 70%

OKR-Beispiel für die IT-Verwaltung

Finanzindikatoren messen die Effizienz der Verwendung des zugewiesenen Budgets. Zudem helfen sie bei der Analyse, wie Ausgaben reduziert werden können. Das folgende OKR-Set hilft dabei, die Aufwendungen der IT-Abteilung zu verringern.

Objective: Reduzierung der finanziellen Aufwendungen in der IT-Abteilung

Key Results:

  • Senkung der Server-Wartungskosten von 300 € auf 200 € pro Quartal
  • Verringerung der Infrastrukturkosten pro Mitarbeitenden von 400 € auf 350 € 
  • Senkung der Schulungskosten pro Nutzer von 1.000 € auf 700 €

Vorgehen bei der Einführung von OKR in der IT-Abteilung

Die Studie eines Tool-Anbieters hat ergeben, dass bis zu 72 Prozent der Versuche, OKR in ein Unternehmen einzuführen, scheitern. “OKR is simple but not easy” – das Konzept von OKR ist simpel, die Umsetzung aber nicht leicht. Aus diesem Grund ist es wichtig, OKR nicht allein und “mal so nebenbei” einzuführen. Es ist die Unterstützung von Experten nötig, die viel praktische Erfahrung mit der OKR-Methode gemacht haben.

Es wurde ein acht-stufiger Ansatz entwickelt, der sicherstellt, dass alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung von OKR erfüllt sind. 

Die acht Stufen werden im Folgenden genauer erläutert. 

1. Erfolgskriterien definieren

Zu Beginn sollte analysiert werden, welche Faktoren für die erfolgreiche Implementierung ausschlaggebend sind und was man sich davon verspricht. 

Tipp: Transformationsvorhaben und Zielbild können in einem Manifest formuliert werden, das von allen Führungskräften unterschrieben und im ganzen Unternehmen veröffentlicht wird. Es kann auch als Geschichte oder Visualisierung festgehalten werden. So gerät das Vorhaben nicht in Vergessenheit und wird verbindlich

2. OKR Process Owner benennen

Es braucht einen Hauptverantwortlichen, der den OKR-Prozess überwacht und vorantreibt. Der sogenannte OKR Process Owner – kurz PO. Er ist vergleichbar mit dem Scrum-Master im Scrum-Prozess. Wichtig ist, dass die/der ausgewählte OKR PO mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet wird und das volle Vertrauen des Topmanagements genießt. 

Je nach Unternehmensgröße und Organisationsform ist es möglich beziehungsweise empfehlenswert, mehrere OKR Process Owner einzusetzen. Zu beachten ist, dass die/der PO genug Zeit zur Ausübung seiner Rolle haben muss.

Die/der Process Owner sollte bereits Erfahrung mit OKR gesammelt haben und muss davon überzeugt sein. 

3. C-Level-Sponsor benennen

Wenn die Einführung von OKR keine Unterstützung aus dem Management erhält, geht auch die Akzeptanz und Partizipation der Mitarbeitenden verloren. Aus diesem Grund ist es notwendig, eine einzelne Person aus dem Topmanagement als C-Level-Sponsor in die OKR-Einführung miteinzubeziehen. Sie/Er muss davon überzeugt sein und dem Thema nach außen hin die notwendige Priorität verleihen. Ideal für die Rolle ist die/der CEO. 

4. Umfang der initialen OKR-Einführung

Es sollte ein Implementierungsplan festgelegt werden, der die folgenden Fragen beantwortet: 

  • Welche Bereiche umfasst der erste OKR-Einsatz? Das komplette Unternehmen, einzelne Geschäftseinheiten oder nur eine Abteilung?
  • Wo beginnt die Einführung? Auf Unternehmens-/Führungsebene? In einer Abteilung? In einem Pilotteam? 
  • Wie und wie schnell wird die Einführung ausgerollt?
  • Wie tief in der Organisation soll OKR eingesetzt werden? Nur Unternehmens-/Führungsebene? Bis zur Abteilungsebene? Bis zur Teamebene? Welche Teams? Sogar bis auf die Mitarbeiterebene?

Zum letzten Punkt die Anmerkung, dass in der Regel von OKR auf Mitarbeiterebene abgeraten wird, da dies auf Kosten des Teamgeistes geht. 

Bevor OKR in ein bestimmtes Team eingeführt wird, müssen sämtliche beteiligte Führungskräfte und Mitarbeitende eine OKR-Schulung durchlaufen. 

5. OKR-Kadenz festlegen

Mit der OKR-Kadenz wird entschieden, welche Dauer ein OKR-Zyklus haben wird. 

OKR KAdenz

Es ist wichtig, die richtige Kadenz auszuwählen, weil 1) die Relevanz der Ziele verloren geht, wenn die Kadenz zu lang ist. Und 2), weil in den Teams die Sorge entstehen kann, die Ziele nicht rechtzeitig bis zum Ende des Zyklus zu erreichen, wenn die Kadenz zu kurz gewählt wurde. 

OKR Ziel-Relevanz

Auch auf die Agilität kann die Kadenz Einfluss nehmen: Ist sie zu lang, sinkt die Agilität. Ist sie zu kurz, leidet die Kontinuität und die Teams arbeiten zu sprunghaft. 

OKR Agilität

Häufig wird mit einer Dauer von drei Monaten gearbeitet, nicht selten wird ein Zyklus aber auch auf vier oder sechs Monate angesetzt. Später wird geprüft, ob eine Reduktion der Dauer sinnvoll ist. 

Bei Start-ups in der Gründungsphase oder in Zeiten vieler Veränderungen wird ein Zyklus von zwei Monaten empfohlen, um schnell reaktionsfähig zu sein. 

6. Meetings aufsetzen

Es werden die entsprechenden Meetings geplant. Dazu zählen:

  • OKR-Planning-Meetings
  • OKR-Reviews
  • OKR-Retrospektiven
  • OKR-Weeklys
  • Daily Huddles

Die Verantwortung zur Durchführung der Meetings obliegt dem OKR Process Owner – er  sorgt dafür, dass diese Treffen auch tatsächlich stattfinden. Ein OKR-Experte, der die Einführung begleitet, bietet Unterstützung methodischer Art. 

In manchen Unternehmen sind regelmäßige Meetings, wie Daily Scrums, bereits Teil der Routine. Diese werden dann auf das OKR-Framework angepasst und entsprechend ergänzt. 

7. OKR Veröffentlichung

Es  wird festgelegt, auf welche Weise die OKR-Sets dokumentiert und geteilt werden. Dies kann auf sehr einfache Weise erfolgen, mit Hilfe von PowerPoint, Excel-Sheet oder Google-Docs. Es kann auch eine Wiki- oder Confluence-Seite im Intranet angelegt werden. 

In manchen Unternehmen wird zusätzlich analog gearbeitet, beispielsweise mit Postern. Darüber hinaus gibt es eine Reihe professioneller Tools und Software für OKR. Auch hybride Arbeitsweisen sind möglich.

8. Interne Kommunikation

Zudem muss die Einführung von OKR innerhalb des Unternehmens unmissverständlich kommuniziert werden. Den Mitarbeitenden müssen die Notwendigkeit von OKR für das Unternehmen und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, klar werden. Mit der Unterstützung der Belegschaft steht und fällt der Erfolg von OKR – Objectives and Key Results. 

Im kostenlosen OKR Buch zum Download werden die einzelnen Schritte des Einführungsprozesses intensiv behandelt. 

OKR in der IT-Abteilung – Dos and Don’ts

Schließlich gibt die folgende Tabelle einen Überblick darüber, was bei der Einführung von OKR in der IT-Abteilung und beim Formulieren von OKR-Sets beachtet werden sollte.

Dos Don’ts
Intrinsische Motivation fördern durch klare Zielvorgaben und Identifikation mit der Arbeit Erreichte Ziele an Belohnungen knüpfen (= extrinsische Motivation) 
Im ganzen Unternehmen ein agiles Mindset etablieren Erwarten, dass OKR automatisch für Agilität, Ausrichtung und Teamwork sorgt
Unternehmensziele klar kommunizieren, OKR-Sets unternehmensweit zugänglich machen Ungleich verteiltes Wissen bezüglich der Unternehmensziele und geheim halten von OKR-Sets
Die OKR-Einführung planen, sich bewusst machen, dass das ein großes Change-Vorhaben ist, geduldig sein OKR “mal so nebenbei” einführen
Unterstützung für die Einführung auf allen Ebenen des Unternehmens einholen OKR allein, auf eigene Faust einführen – wird schon klappen
Key Results sollen immer Zahlen enthalten Objectives sollen keine Zahlen enthalten
Klare, ambitionierte und herausfordernde Ziele setzen Unerreichbare, gegebenenfalls voneinander abhängige Ziele setzen
Ziele top-down, bottom-up und vertikal setzen  Ziele nur top-down nach dem Wasserfallmodell setzen
Moonshot-Ziele gelten ab 70 Prozent

als erreicht 

Zielerreichung ab 100 Prozent und Übererreichung
Aus OKR-Sets werden Tasks abgeleitet Ein OKR-Set ist keine Liste von Tasks
OKR mit Hilfe von geschulten, praxiserfahrenen Coaches und Beratern einführen, wichtige Rollen nur an erfahrene Mitarbeitende verteilen Jemanden, der lediglich ein Buch über OKR gelesen hat, zum OKR Coach oder Process Owner erklären 

 

Erno Marius Obogeanu-Hempel ist seit mehr als 20 Jahren Vordenker und anerkannter Experte in den Bereichen Digitalisierung, Strategie, OKR, Digitale Transformation und Innovation – er begeistert Menschen und berät Unternehmen. Durch viele Jobs im Silicon Valley erlebte er digitales Denken und lernte neue Methoden kennen. Er ist Buchautor, Hochschullehrer, Keynote Speaker sowie Gründer und Geschäftsführer von digitalwinners, einer Unternehmensberatung. Erfahren Sie mehr über OKR.