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Heutzutage sind Organisationen in wechselhaften, ständig veränderten Umgebungen aktiv. Traditionelle Geschäftsmodelle werden von neuen Technologien und Wettbewerbern innerhalb kürzester Zeit überholt. Unternehmen müssen auf solche Entwicklungen schnell reagieren können und dabei alle Mitarbeitenden miteinbinden. Doch wie gelingt das?

Wir haben Vera Geier, zertifizierter Business Coach mit Schwerpunkt agile Strategieentwicklung (OKR), gefragt was die Methode Objectives & Key Results ist und welchen Nutzen es für die Unternehmen hat.

Was sind OKR?

OKR (Objectives & Key Results) ist ein Modell zur teambasierten Strategieentwicklung, das auf agilen Praktiken basiert, welche einen kontinuierlichen Prozess der Weiterentwicklung von Zielen beinhaltet. Auf diese Weise stellt OKR die Verbindung her zwischen dem strategischen Leitbild eines Unternehmens und den operativen Themen. OKR versteht sich auch als werteorientiertes Führungsinstrument, die wichtigsten Merkmale dabei sind:

  1. Alignment: Die gemeinsame Ausrichtung auf wesentliche Themen und eine schnelle Anpassungsfähigkeit an sich schnell verändernde Rahmenbedingungen.
  2. Transparenz: Jeder/Jede kennt die Ziele (OKRs) aller Mitarbeitenden und der aktive Austausch zu den Zielen erfolgt hierarchie- und bereichsübergreifend. Dabei wird ein “Wir” Gefühl ausgebaut und unterstützt. OKRs werden nicht von oben nach unten „kaskadiert“, sondern von Mitarbeitenden und Führenden kontinuierlich „transformiert“.
  3. Commitment: OKRs sind Eigentum der Mitarbeitenden und des Teams, was eine hohe Verbundenheit erzeugt.
  4. (Intrinsische) Motivation: Die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen erfolgt durch die Klarheit des WAS und WARUM (Purpose). Dabei geht es darum, nicht nur das WAS – welche Ziele wollen wir erreichen? – und das WIE zu erarbeiten – mit welchen Schritten sind wir dabei erfolgreich? – sondern auch das WARUM auf den Prüfstand zu stellen – warum ist es überhaupt sinnvoll, sich ein bestimmtes Ziel zu setzen?

Worin unterscheidet sich die Methode OKR zu anderen Methoden?

Das Konzept setzt einen kontinuierlichen Prozess in Gang, der es Organisationen ermöglicht, erfolgreich Innovationen zu entwickeln und diese fokussiert umzusetzen. Im Gegensatz zu klassischen Methoden wird die Strategie nicht ausschließlich von der Geschäftsführung entwickelt und der Organisation kommuniziert, sondern die Mitarbeitenden werden auf allen Ebenen in die Strategieentwicklung einbezogen. Ziele und Ergebnisse (OKRs) sind transparent, werden regelmäßig validiert und der aktuellen Marktsituation angepasst.

Welchen Nutzen hat ein Unternehmen?

Das Vorgehen passt hervorragend in die heutige, komplexe Welt, in der sich Organisationen flexibel und schnell auf Veränderungen reagieren müssen, damit ihre Organisation erfolgreich bleibt. Neue und sich stetig verändernde Geschäftsmodelle, die Kundenbedürfnisse erfolgreich ansprechen, sind heute wichtige Wettbewerbsvorteile auf einem heiß umkämpften Markt fast aller Branchen. Dafür gilt es gemeinsam nachhaltige Strategien zu entwickeln, die von allen Mitarbeitenden verstanden, motiviert umgesetzt und zu jeder Zeit angepasst werden.

Aktivitäten, die im Rahmen der Entwicklung von OKRs vereinbart werden, fließen selbstverständlich in die bestehenden Entwicklungs- oder Fertigungsprozesse ein und werden bereichsübergreifend priorisiert und umgesetzt. Somit ist das Arbeiten nach OKR-Methode ein wichtiger Baustein für die Selbstorganisation, denn es schafft Orientierung über Prioritäten und den Sinn der gemeinsamen Ziele der Organisation. Langfristig integriert und methodisch verankert, begleitet und unterstützt die OKR-Methode Organisationen bei der Stärkung von mehr Eigenverantwortung für Mitarbeitende und Führungskräfte.

Wie stellt das Unternehmen sicher, dass es OKR richtig einsetzt?

Die Einführung sollte diszipliniert erfolgen und auf allen Unternehmensebenen konsequent und nachhaltig umgesetzt werden. Die Einführung setzt einen Veränderungsprozess in Gang, der für eine erfolgreiche Umsetzung Zeit und Unterstützung auf allen Ebenen braucht. Mit einer gelungenen Einführung profitiert das Unternehmen von mehr Transparenz, Innovation und einer besseren abteilungsübergreifenden Kommunikation.

Sie fördert Empathie und Teamgeist und damit letztendlich eine höhere Motivation: Dank der OKRs weiß jede/jeder Beschäftigte, wie sie/er zu den Unternehmenszielen beitragen kann und warum ihre/seine Arbeit wichtig ist. Die wichtigen Erfolgsfaktoren aus meiner Sicht sind eine werteorientierte, agile Haltung und Zustimmung der Geschäftsführung, die ausschließliche Ausarbeitung der OKRs in Workshop-Formaten (nicht im Dialog) und eine Begleitung der Teams durch OKR Coaches.

Wie sieht eine OKR Einführung aus?

Die Art und Weise einer OKR Einführung ist abhängig vom agilen Reifegrad eines Unternehmens. Bestehen schon agile Strukturen, können die OKR Events eines Zyklus (Planung, Check-Ins, Review, Retrospektive) leicht an die agilen Arbeitsprozesse des Teams anknüpfen. Auch bei der Einführung bedarf es aus meiner Sicht keiner umfassenden (wenig agilen) Projektplanung, sondern einer Haltung des „einfach Machens“.

Ein OKR-Zyklus dauert 3-4 Monate, so dass immer wieder in kurzen Zyklen neu priorisiert werden kann. Bei der Einführung sollte sich jedes Unternehmen darüber im Klaren sein, dass es einige Zyklen braucht, bis sich ein Team sich an die neue Arbeitsweise gewöhnt hat und passende OKRs formuliert. Gerade bei der Definition der KRs (zu erwartende Ergebnisse) tun sich viele Mitarbeitende schwer, geht es doch darum, quantifizierbar festzulegen, was zu erreichen ist. Diese Messbarkeit dient allein dem Team, um festzustellen, ob es mit der Erreichung des Ziels auf dem richtigen Weg ist – nicht der Führungseben, um die Leistung des Teams oder Einzelner zu messen.

Hier gilt es Vertrauen zu schaffen und das Team zu motivieren sich ambitionierte Ziele zu setzen. Bei der Einführung von OKR in Unternehmen gibt es unterschiedliche Herangehensweisen:

Idealerweise fängt man eine Ebene unterhalb der Geschäftsführung an, entlang des Leitbildes mit dem Führungsteam die ersten OKRs zu entwickeln. Die erarbeiteten Ergebnisse (KRs) gelten dann als „Leitplanken“ für die nächste Ebene. Je nach Organisationsform werden dann immer mehr Bereiche oder Ebenen einbezogen. Auch gibt es die Möglichkeit, auf der Teamebene zu beginnen (bottom-up) und die strategische Ausrichtung des Unternehmensbereichs als Rahmen zu nutzen.

Da die Erarbeitung von OKRs in interaktiven Workshopformaten erfolgt, verbessert sich das Vertrauensverhältnis und der Zusammenhalt im Team ganz nebenbei. Im Rahmen der Retrospektive geht es vor allem um die Werte und das WIE der Zusammenarbeit. Das stärkt auch die psychologische Sicherheit im Team, so dass Themen offen angesprochen und ausdiskutiert werden können. Teams die OKR nutzen gehen auf diese Weise Schritt für Schritt in die Selbstorganisation.

Funktionieren sie auch in traditionellen Mittelstands-Unternehmen?

Aus meiner Sicht funktionieren OKRs in allen Organisationen, jedoch bedarf es einer genauen Analyse der Situation im Unternehmen, um darauf aufbauend eine Strategie der Einführung zu entwickeln. OKR ist keine Methode, sondern eine Art Betriebssystem, das man individuell auf das Unternehmen anpassen muss. Es braucht Zeit, Geduld und Disziplin auf allen Ebenen, wenn man OKR erfolgreich einsetzen möchte.

Aus meiner Beobachtung stellen sich positive Effekte dafür sehr schnell ein, und die Kultur verändert sich stetig hin zu mehr Partizipation und Selbstorganisation. Außerdem können gerade traditionelle Mittelstands-Unternehmen dank OKR schneller und flexibler auf Kundenbedürfnisse reagieren und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Zur Person: Vera Geier ist 1968 in Hannover geboren und hat in Heidelberg Biologie und in Koblenz-Landau Umweltwissenschaften studiert. Seit 2017 ist sie als Gründerin und Managing Partner für die nextexitfuture GmbH in Heidelberg aktiv, neben ihrer Tätigkeit als interne Beraterin bei SAP.
In ihrer Rolle als zertifizierter Business Coach ist es ihr ein Anliegen, Teams unterschiedlicher Ebenen und Organisationen effektiver zu machen und den Prozess der Veränderung zu mehr Agilität in der Praxis und sinnhafter, werteorientierter Führung zu begleiten. Im Vordergrund steht dabei ein individueller Ansatz für den Einsatz von Methoden sowie eine interaktive, kreative Herangehensweise. Ihre Schwerpunkte sind agile Strategieentwicklung (OKR), Teamentwicklung und Konfliktmanagement, sowie Design Thinking.

Sie möchten als Mitarbeitende ihr Unternehmen aktiv mitgestalten? Mit der Qualifizierung zum OKR-Coach der CyberForum Akademie können Sie die Strategieentwicklungsmethode OKR gezielt in ihrem Unternehmen nutzen.