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Mich nerven diese Art Anrufe. Da will mir ein selbsternannter Social-Media-Manager das Internet erklären und meinem Arbeitgeber selbst gestaltete Fanseiten von Google+, Facebook, Twitter und Pinterest verkaufen. „Jedes Unternehmen braucht das heutzutage“, so der O-Ton des werten Herrn. Nach einem „Oh ja, großartig“ lege ich auf. Puhhh, alles richtig gemacht! Lieber Mittelstand, nicht jedes Unternehmen sollte seine Zeit für soziale Medien verschwenden.

Ich kann es nicht oft genug schreiben. Ich finde es unverschämt, wie manche Agenturen versuchen mit Social Media Geld zu verdienen. Nicht auf die sozialen Netzwerke wie Facebook, GooglePlus und Twitter zu setzen, wird von einigen Managern als riskant betitelt. Ich weiß es ja auch, die Zahlen sprechen für diese Haltung: Über 27 Millionen Menschen nutzen beispielsweise Zuckerbergs Facebook. Im Sommer 2013 tummelten sich etwa 6,7 Millionen Netzaktivisten auf GooglePlus. Doch auch das Potenzial von 96 Prozent der unter 30-Jährigen, die regelmäßig diese Art Kanäle in Deutschland nutzen, lässt mich kalt. Zudem zeigen andere Zahlen, dass die Besucherzahlen wieder rückläufig sind – bezogen auf Facebook.

Benötigt ein Werkzeughersteller oder ein Schraubenmacher wirklich Social Media?

Auf mich bezogen, kann ich garantieren, dass nicht einer dieser Nutzer beispielsweise ein Lagerverwaltungssystem von Dr. Thomas + Partner über das entsprechende Netzwerk bestellt hätte. Zu speziell sind unsere Produkte. Und für das beliebte Gewinnspiel eignet sich unser Leitstand auch nicht wirklich. Stelle mir gerade vor, wie sich jemand unseren Materialflussrechner bei sich zu Hause installiert – sozusagen Home-Logistik im Wohnzimmer. Könnte vielleicht sogar „The Next Big Thing“ werden. Alles Blödsinn!

Die Realität sieht doch so aus: Die meisten mittelständischen Unternehmen (KMUs) benötigen in der Regel keine Social-Media-Beratung, vielmehr benötigen sie zunächst eine richtige und individuelle Social-Media-Strategie. Bisher fehlt es den Kollegen an Zeit, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, ob das entsprechende Unternehmen überhaupt eine dieser Strategien benötigt. Daher zögert der Mittelstand noch. Braucht zum Beispiel ein Werkzeughersteller oder ein Schraubenmacher tatsächlich eine Facebook-Fanpage? Warum sollte ein Motorenbauer, ein mittelständischer Chiphersteller oder ein spezialisiertes Softwareunternehmen auf Social Media setzen? Dem Mittelstand geht es grundsätzlich gut, die Auftragsbücher sind voll. Und Geschäfte werden in den meisten Fällen tatsächlich noch auf die klassische Art (Messe, Visitenkarte, E-Mail, Bekanntschaften) akquiriert und abgewickelt. Glaubt man dagegen der Bitkom, setzt der Mittelstand bereits fleißig auf soziale Medien. Das lassen wir mal so stehen.

Mittelstand: Es muss nicht immer Facebook sein

Der Spiegel bringt es auf den Punkt. Unternehmen versuchen oftmals, weil ideenlos, ungelesene Pressemitteilungen über das integrierte Blog zu posten – um den Artikel dann weiter über Twitter, Facebook und Google+ zu verteilen. Langweilig und nicht wirklich Social Media. Das staubige Image des Mittelstandes bleibt so zumindest erhalten. Das aber wohl interessanteste: Laut Spiegel sind es oftmals unterbeschäftigte Azubis, die die Aufgaben der Social-Media-Agentur übernehmen; redaktionelle Beiträge verfassen. Meines Erachtens der schwerwiegendste Fehler. Denn das fehlende Know-how über das Unternehmen selbst und das zu den einzelnen Produkten liest der Interessent, der eventuelle Kunde mit. Und dabei ist die Baustelle Blog ein weiteres Übel. Regelmäßige Veröffentlichungen, abwechslungsreiche Themen sowie SEO sind die Herausforderungen einer Redaktion. Von Azubis „alleine“ meines Erachtens nicht zu stemmen. Den Unternehmen ist nicht klar, dass sich das gesamte Kommunikationsverhalten dauerhaft verändern muss. Sprich, darauf angesetztes Personal sollte nicht nur das Unternehmen, sondern auch digital „leben“.

Alternativen zum digitalen Social Media

Sie sind nicht auf Facebook, GooglePlus oder Twitter? Keine Panik. Mittelständler sollten sich zu aller erst an das Blog heranwagen; über ihre Produkte wesentlich detaillierter informieren. Dabei gleich die Angst vor Industriespionage ablegen und genügend kaufentscheidende Infos zur Verfügung stellen – vielleicht in Form von Interviews, Videos oder Vorträgen. Aus letzteren ergeben sich automatisch neue Beiträge für das Blog. Ebenfalls sinnvoll sind Engagements in sozialen Projekten oder die Förderung von Schul- und Universitätseinrichtungen. Dort ergibt sich automatisch der Zugang zum benötigten Nachwuchs.

Trotz meiner Kritik an den Agenturen und Social-Media-Verantwortlichen gebe ich Christian Rätsch, Leiter Marketing KMU bei der Telekom Recht. „Jede Firma muss heute im Internet zu finden sein, sonst wird sie in fünf Jahren nicht mehr gefunden.“ Wenn sich die Konzentration demnach auf die Firmen-Homepage fokussiert, sollte die Seite SEO- und Content-technisch auf 100 Prozent sein – heutzutage kein schwieriges und kostspieliges Unterfangen. Wer zudem auf Content-Marketing setzt und sich etwas von der Masse abheben möchte, sollte sich die 15 Content-Marketing-Ideen von OnlineMarketing.de anschauen. Der Autor zeigt auf, wie etwa der eigene Inhalt abseits der herkömmlichen Texte aussehen kann und worauf ein Unternehmen besonders achten sollte. So lassen sich beispielsweise „Info-Grafiken ganz einfach mittels verschiedener Online Dienste generieren und präsentieren“. Ergebnis: So macht das Studieren von Zahlen und Graphen Spaß, der Betrachter hat einen Mehrwert und das Unternehmen die Chance, über ein breites Thema eine größere Besucherzahl auf die eigene Seite zu generieren.

Fazit:

KMUs sollten nicht auf die Social-Media-Falle reinfallen. Nicht jedes Unternehmen benötigt den speziellen Kanal für den individuellen und digitalen Dialog. „Dem Mittelstand fehlt es derzeit einfach an Know-how und Ressourcen für Social Media“, so Sascha Kraus, Professor an der Universität Liechtenstein. Er ist sich sicher, dass der Zweifel hinsichtlich Social Media auf der Angst vor möglichen Imageschäden beruht, die bei einer fehlerhaften Nutzung entstehen könnten.

Kann man so sehen, muss man aber nicht. Wenn ein mittelständisches Unternehmen weiß, ob seine Kunden überhaupt soziale Netzwerke nutzen, dann ist der Einsatz zumindest denkbar. Der Mittelstand sollte bedenken, dass die Präsenz in den sozialen Medien kein kostenloses „Allheilmittel“ ist. Der Aufwand und die Kosten für die Pflege solcher Netzwerke sind nicht zu unterschätzen. Bestehen Zweifel, lieber auf genannte Alternativen setzen. Und mal ehrlich, „social“ kann mal auch außerhalb der digitalen Welt sein.