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Corporate Influencer sind in aller Munde – und immer mehr Unternehmen wollen ihr Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen. In der Praxis funktioniert das jedoch nur selten. Ein Kommentar.

Ich bin inzwischen seit über zwölf Jahren im Bereich Social Media Marketing tätig – und habe viele Hypes kommen und gehen sehen. Am Anfang waren es die Corporate-Blogs, danach folgten die Corporate-Kanäle in den sozialen Netzwerken – und jetzt spricht jeder vom Corporate Influencer.

Aber was ist überhaupt ein Corporate Influencer? Eine offiziellen Definition gibt es freilich nicht, aber jene von Kerstin Hoffmann kommt der Sache schon recht nahe:

„Ein Markenbotschafter oder Corporate Influencer ist eine Person, ein wiedererkennbares Gesicht, das für ein Unternehmen steht und dessen Werte und Botschaften nach außen vertritt – in physischen Begegnungen, aber auch in den digitalen Medien, bei Facebook, Instagram oder etwa in einem Corporate Blog.“

Wenn ich diese Definition lese, kommen mir sofort Magdalena Rogl (Microsoft) und Sascha Pallenberg (Daimler) in den Sinn. Die beiden sind sozusagen die Corporate Influencer-Prototypen. Wenn ihre Namen fallen, denkt jeder sofort an das jeweilige Unternehmen. Aber sie gelten auch darüber hinaus als Meinungsmacher, die sich aktiv und authentisch an Diskussionen beteiligen – sowohl online als auch offline.

Sie stehen einerseits hinter den „Werten und Botschaften“ der Unternehmen, die sie vertreten – setzen andererseits aber auch Themen auf die Agenda, die nichts mit ihrem Arbeitgeber zu tun haben. Und das ist entscheidend.

Einen Corporate Influencer „macht“ man nicht

Um zu verstehen, wo bei vielen Unternehmen das Problem im Bereich Corporate Influencer liegt, muss man sich einfach nur mal den Spaß machen, nach dem Begriff bei Google zu suchen. Sofort wird man mit Werbeanzeigen von Agenturen und Coaches überschwemmt:

 „Mitarbeiter sind ideale Markenbotschafter. Sie überzeugen durch ihre hohe Glaubwürdigkeit. Nutzen Sie das enorme Potenzial Ihrer Mitarbeiter als Markenbotschafter in Social Media.“

„Unser Corporate Influencer Programm macht es für Sie möglich. Verstehen Sie, wie Sie als Mitarbeiter eines Unternehmens dessen Außenwirkung mitgestalten.“

„Ausbildung: Kein Corporate Influencer ist je vom Himmel gefallen – Wir wissen, welches Werkzeug Ihre Mitarbeitenden benötigen, um das konsistente Markenbild Ihres Unternehmens weiterzuerzählen.“

Doch! Gute Corporate Influencer fallen durchaus „vom Himmel“. Magdalena Rogl und Sascha Pallenberg sind nämlich genau deshalb so erfolgreich als Vertreter ihrer jeweiligen Unternehmen, weil sie schon lange vor ihren Jobs bei Microsoft und Daimler in den sozialen Netzwerken aktiv waren – und für bestimmte Werte und Themen standen.

Genau das ist die Hürde, an der momentan so viele Unternehmen scheitern. Sie lassen sich von  „Experten“ erzählen, dass man einfach so jeden Mitarbeiter zum Markenbotschafter machen kann. Aber das stimmt nicht. Nur wer eine intrinsische Motivation hat, auf Facebook, Twitter, LinkedIn oder Instagram aktiv zu sein, kommt überhaupt als Corporate Influencer infrage. Oder anders ausgedrückt: Ein guter Corporate Influencer ist bereits in den sozialen Netzwerken aktiv, lange bevor irgendjemand im Unternehmen auf die Idee kommt, ihn so zu bezeichnen. Wer erst davon überzeugt werden muss, auf Twitter oder LinkedIn aktiv zu sein, wird daran niemals Spaß haben – und auch das Unternehmen nicht gut nach außen repräsentieren.

Besonders gut sieht man das derzeit an diversen Großkonzernen, bei denen von heute auf morgen die Profile von CEOs, Vorständen und andere ranghohe Persönlichkeiten in den sozialen Netzwerken auftauchen. In den meisten Fällen wirken deren Beiträge wie eine Werbesendung für das jeweilige Unternehmen, die Texte gestelzt, die Bilder gestellt. Nicht selten kommen die Beiträge aus der Feder einer Agentur oder der Marketingabteilung.

Erst Influencer, dann Corporate

Ein Corporate Influencer kann grundsätzlich jeder im Unternehmen sein – egal, ob Auszubildender, Entwickler, Monteur oder CEO. Man geht aber nicht zum Azubi, Monteur oder CEO und sagt: „Wir bilden dich jetzt zum Corporate Influencer aus. Deinen Twitter-Account haben wir dir schon angelegt!“.

Vielmehr versucht man denjenigen zu finden, der sich schon lange Zeit in den sozialen Netzwerken bewegt und Spaß daran hat. Natürlich kann man diese Person dann etwas „an die Hand nehmen“ und ihr Einblicke in Bereiche des Unternehmens geben, die sie sonst vielleicht nicht hat. Man sollte aber unter allen Umständen vermeiden, ihr Vorgaben zu machen, was sie zu posten hat. Ansonsten entstehen keine authentischen Inhalte, sondern Werbetexte.