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Die meisten Startup-Gründer sind Männer. Sie kriegen mehr Investorenkapital als Frauen. Spezielle Angebote zur Unterstützung im Startup-Business sind gefragt wie nie. Aber warum braucht es überhaupt eine spezielle Frauenförderung? „Frauen sind nicht sichtbar genug“, ist Wirtschaftskinesiologin Anita Berres überzeugt. Bei den Female Founders Days des CyberForum erfahren Frauen, wie sie professionell in eine Gründung starten und von Investoren wahrgenommen werden.

Katharina Schmidt ist Imkerin in vierter Generation. Wie der Rest ihrer Zunft hatte auch sie mit der aus Asien eingeschleppten Varroa-Milbe in den Bienenstöcken, die großes Bienensterben verursacht, zu kämpfen. Doch wie könnte man mit dem Verkauf von Honig die Bienen retten? Schnell war klar, dass das alleine nicht ausreicht. Im CyberLab entstand dann im gemeinsamen Brainstorming die Idee, ein Gerät zu entwickeln, das, am Bienenstock angebracht, bereits beim Einflug der Biene in den Stock die Milben visuell erfasst, um zeitnah entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können und so die Gefährdung des Bienenstocks zu minimieren. Aus der Idee wurde mittlerweile ein Unternehmen, das mit seinem Produkt gerade dabei ist, den internationalen Markt zu erobern. Aber: nicht mit der eigentlichen Idee.

apic.ai aus Karlsruhe ist heute führender Spezialist im automatisierten Monitoring von Bestäuberinsekten.

„Plötzlich wurde aus einer dienstleistungsorientierten Geschäftsidee eine skalierbare Hightech-Lösung.“

Das Startup holte sich mit seiner Idee zu Beginn Unterstützung aus dem CyberLab. Weil das Geschäftsmodell nicht skalierbar schien, suchte man gemeinsam mit Big-Data-Experten aus dem CyberForum nach Möglichkeiten, die Geschäftsidee zu digitalisieren. Heute werden hier mittels KI Daten gesammelt, um selbst kleinste Effekte von Substanzen, von landwirtschaftlichen Praktiken und von Umweltfaktoren auf Bestäuber sichtbar zu machen, damit Imkerinnen und Imker richtige Entscheidungen treffen können. Plötzlich wurde aus einer dienstleistungsorientierten Geschäftsidee eine skalierbare Hightech-Lösung.

„Frauen gründen gerne Dienstleistungsunternehmen.“

„Frauen gründen gerne Dienstleistungs- bzw. Einzelunternehmen.“ Für Wirtschaftskinesiologin Anita Berres ist die Erfolgsstory der Imkerin ein typisches Beispiel, wie Gründerfrauen oftmals ticken. Ein Dienstleistungsunternehmen oder eine One-Man-Show sind wenig skalierbar. Deshalb eine wichtige Botschaft von ihr an Frauen, die ein Unternehmen gründen wollen: Interessiert sein an Wachstum! „Das gelingt nur mit einem skalierbaren Geschäftsmodell und wenn man betriebswirtschaftliches Know-how erwirbt“, rät sie. „Schließlich geht es darum, einen Investmentplan aufzustellen und nach Geldgebern zu suchen, wenn man mit seiner Idee Geld verdienen möchte“. Anita Berres, selbst Mehrfach-Gründerin, coacht und entwickelt Teams – klassisch und kinesiologisch. Seit vielen Jahren unterstützt sie das CyberForum bei dem wichtigen Anliegen, das Female Founders-Angebot zu erweitern und auszubauen.

„Als Unternehmerin musst du Risiken kalkulieren.“

„In allen Gründungsratgebern, die ich bisher gelesen habe“ erzählt Anita Berres, „fand ich immer den gleichen Satz: Du musst Risiken eingehen. In nur einem einzigen davon stand: Als Unternehmerin musst du Risiken kalkulieren. Ein kleiner, aber wirklich wichtiger Unterschied.“

„Das Beispiel apic.ai ist sozusagen unsere Bilderbuchgeschichte dafür, was bei Formaten, wie sie das CyberForum für Gründer*innen anbietet, herauskommen kann“, kommentiert Martina Hardt, Leiterin des Bereichs Unternehmensentwicklung im CyberForum, die Erfolgsstory der Imkerin. Gemeinsam mit Anita Berres konzipiert und moderiert sie den jährlich stattfindenden Event Female Founders Days und weitere Formate für Female Founders.

„Was ist überhaupt eine digitale Geschäftsidee?“

Auf dem eineinhalbtägigen Workshop können Frauen ihre Geschäftsidee präsentieren und gemeinsam prüfen, ob sich daraus ein digitales Geschäftsmodell entwickeln lässt. Anita Berres: „Wir erproben die Idee und regen an, das Geschäftsmodell zu erweitern und auszubauen. Dabei klären wir Fragen wie: Was ist überhaupt ein (digitales) Geschäftsmodell? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Brauche ich ein Team?“

Zwei externe Referentinnen, die in der Vergangenheit ebenfalls mit ihrem Startup an den Programmen im CyberLab teilgenommen haben, ergänzen den Workshop und berichten von ihren eigenen Gründungserfahrungen.

„Mit den Female Founders Days wollen wir erreichen, auch Frauen, die keinen Informatik-Hintergrund haben, an technische Services und Produkte, an Finanzplanung, Marketing und Team-Kommunikation heranzuführen.“

„Frauen gründen anders als Männer.“

Aber woran liegt es eigentlich, dass Frauen laut dem aktuellen Female Founders Report mit Gründungen im IT-Bereich mit 11,9 Prozent so weit hinter ihren männlichen Kollegen liegen?

„Frauen gründen anders als Männer“, sagt Anita Berres. Laut der Studie holen sich rund 50 Prozent der Frauen Männer mit ins Boot. „Für viele spielt der männliche Counterpart eine große Rolle, um von Investoren ernst genommen zu werden. Viele Frauen haben eine geringere Selbsteinschätzung als Männer. Das führt dazu, dass sie nicht wirklich sichtbar sind. Sich positiv verkaufen, stark auftreten – das ist jedoch das A und O.“

Deshalb arbeitet sie bei den Female Founders Days mit den Teilnehmerinnen auch auf der energetischen Ebene. „Oft bestehen mentale, emotionale Grenzen“, berichtet sie. „Es ist nicht in erster Linie Vertriebs- oder Marketing-Know-how, das Frauen brauchen, sondern das sichere Auftreten. Wenn sie nicht überzeugt und mit fester Stimme sagen können: Hier bin ich und ich kann das!, wird auch die beste Vertriebsmethodik nicht greifen.“
Mit Kinesiologie oder Ansätzen wie Energetic Empowerment versucht sie, die Blockaden auf den verschiedenen Ebenen aufzulösen und die Zielerreichung zu fördern. Berres unterstützt seit vielen Jahren das CyberForum beim Female Founders-Thema. Mit der Schaffung des erfolgreichen Veranstaltungsformats wurde es vor drei Jahren institutionalisiert.

„Frauen gründen nachhaltiger.“

„Aber es ist nicht etwa so, dass Frauen weniger Erfolg haben, wenn sie gründen. Im Gegenteil“, betont Anita Berres. „Frauen gründen nachhaltiger, weil sie achtsamer und risikobewusster sind. Der nachhaltige Erfolg bei weiblichen Startups ist respektabel.“

Die Female Founders Days bieten einen geschützten Raum, in dem Frauen ganz spielerisch testen können, wie weit sie in ihrer Entwicklung als Unternehmerin sind und wie weit ihr Business-Modell gediehen ist. „Der Workshop dient als Stärkung und gleichzeitig als Erweiterung des Horizonts. Denn da wir in der Hightech-Branche arbeiten, ist eines unserer zentralen Anliegen, das Digitalisierungspotenzial zu heben, das in den einzelnen Ideen steckt.“ Die Resonanz der Teilnehmerinnen in den vergangenen Jahren fiel in vielen Fällen verblüffend aus: ‚Nie im Leben hätte ich gedacht, dass meine Idee technisches Potenzial, bzw. Digitalisierungspotenzial hat!‘, so das Feedback. „Im Team entstehen andere Denkräume und Möglichkeitsräume, das ist der große Vorteil unseres Events“, so die beiden Organisatorinnen.

„Frauen sollten die Regeln des Boys-Game kennen.“

“Es ist außerdem auch hilfreich, die Regeln des Boys-Game zu kennen“, erklärt Martina Hardt, die als ausgebildete systemische Beraterin bei ihren Gründungsberatungen neben fachlichen Gründungsthemen auch psychologische Aspekte beleuchtet. „Die Frage ist doch: Wie ticken die Entscheider*innen eigentlich? Welche Sprache verstehen sie? In vielen Fällen gehen sie weniger emotional ans Werk, als ich mir das denke. Wenn eine Botschaft nicht ankommt, ziehen sich Frauen manchmal zu schnell enttäuscht zurück. Das ist schade. Besser wäre es, zu hinterfragen, was kann ich tun, damit meine Botschaft meine Zielgruppe erreicht? Einen Unterschied macht es auch, ob ich mich bei einem Pitch zum Beispiel als Sozialpädagogin vorstelle oder als (KI-)Unternehmerin. Das ist zwar die gleiche Person, erzeugt beim Gegenüber jedoch jeweils eine ganz andere Wirkung.“

Martina Hardt ist im CyberLab zuständig für die Gründungsberatung. Sie war 18 Jahre lang im Bereich Marketing selbstständig und hat Unternehmen bei der Marktpositionierung unterstützt. „Ich habe damals unter schwierigen Bedingungen gegründet“, erzählt sie. „Ich kannte keine anderen Gründer*innen. In meinem Umfeld waren nur Angestellte. Deshalb finde ich es sehr hilfreich, dass wir im CyberForum dieses Format anbieten und Frauen sich mit ihren Fragen zur Gründung austauschen können und professionelle Unterstützung erhalten.“

Wobei laut Martina Hardt nicht alle Frauen, die ein Angebot aus dem CyberForum, wie die Female Founders Days, annehmen, auch die gleichen Anliegen haben. Die einen brauchen Ermutigung, anderen geht es um Unterstützung im Finanziellen, viele brauchen Beratung in der Team-Kommunikation. „Investoren schauen zuallererst auf das Team.“ Anita Berres stellt immer wieder fest, dass dieser Punkt oft unterschätzt wird. „Investoren prüfen neben der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells ganz genau, wie stabil das Team ist. Viele von ihnen stufen es für die Stimmung im Team mittlerweile sogar als wichtig ein, dass eine Frau an Bord ist.“

„Nicht alles delegieren, aber auch nicht alles selber machen.“

 Eine wichtige Message, die die Organisatorinnen in den Köpfen der Frauen verankern wollen, ist, dass sie von Anfang an einen Überblick über das eigene Unternehmen gewinnen. „Auch wenn man letztlich nicht in jedem Bereich, wie zum Beispiel Buchhaltung oder Programmierung, zum Profi werden kann oder muss – man sollte sich durch Unterstützung entlasten, aber Kernbereiche nicht völlig aus dem Blickfeld verlieren“, ist Martina Hardt überzeugt.

„Wenn wir mehr Role-Models im Startup-Bereich haben, dann trauen sich auch mehr Frauen, ihre Ideen zu konkretisieren.“

 Was muss die Politik noch angehen? „Das Bewusstsein in der Politik wächst. Es gibt immer mehr Female Founder Awards und Bestrebungen, Female Founders zu fördern, aber es könnte noch viel mehr geschehen. Das Potential ist noch nicht wirklich voll erkannt“, sagt Anita Berres. Martina Hardt sieht Nachbesserungsbedarf unter anderem auch im Begriff Teilzeitarbeit. „Was ist eigentlich Teilzeit, wenn eine Frau Kinder und Haushalt versorgt, und 20 Stunden arbeitet? Der Begriff Teilzeit ist in diesem Zusammenhang eigentlich absurd.“ Anita Berres: „Ich bin mir sicher, wenn wir mehr Role-Models im Startup-Bereich haben, dann wagt es manch eine Noch-nicht-Unternehmerin eine vage Idee zu konkretisieren.“

25 Prozent Frauenquote der Startups im CyberLab – das war das Ziel, das man mit den Angeboten verfolgt hat. „Wir haben diesen Wert mit 36 Prozent weit übertroffen“, freut sich Martina Hardt. „An diesen Zahlen sehen wir, dass unsere Angebote tatsächlich viel bewirken können.“

Die nächsten Female Founders Days finden vom 10.-11. Februar 2022 statt.

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Einsendeschluss ist der 31.1.2022