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Der Nachhilfe-Bedarf boomt. Auch durch Corona sind bei vielen Schüler*innen die Noten zunehmend in den Keller gerutscht. Aber gute Nachhilfe finden – gar nicht so einfach. Sagt wer? Das Karlsruher Startup Besser in der Schule hat eine Plattform entwickelt, die Nachhilfe-Studis mit Schüler*innen perfekt matched.

In Karlsruhe, Heidelberg und in Aachen ist die App schon erfolgreich am Start.

Ariane Lindemann spricht mit Lasse Eisenblätter und Martin Dück über ihre Idee, studentische Nachhilfe lokal zu organisieren.

In den letzten fünf Jahren hat sich der Umsatz im Nachhilfemarkt verdreifacht. Drei Milliarden Euro waren es im vergangenen Jahr. Warum der krasse Anstieg?

Aktuell hat vor allem die Corona-Pandemie stark dazu beigetragen, dass Schüler*innen sich verschlechtert haben. Homeschooling und Quarantänezeiten haben bei vielen SchülerInnen zu Lernrückständen geführt.

Aber auch schon vor Corona war ein deutlicher Anstieg zu spüren … 

Für den erhöhten Nachhilfe-Bedarf gibt es viele Gründe. Unterrichtsausfall zum Beispiel, der an vielen Schulen zum Normalfall geworden ist. Lehrermangel und die Tendenz zu immer größeren Klassen, die es nahezu unmöglich machen, Lerndefizite im Unterricht aufzufangen. In großen Klassen ist außerdem die Hausaufgabenkontrolle oft nicht gewährleistet. Damit fehlt den Schüler*innen dann einfach die Übung. 

Schlimmstes Problemfach?

Rate mal!

Mathe.

Stimmt. Mathe führt noch immer die Rangliste an, gefolgt von Englisch und Deutsch.

Jetzt steht der Fünfer im Heft und die nächste Arbeit steht an. Viele Eltern geraten dann in Stress, weil sie schnell eine gute Nachhilfe für ihre Kids brauchen.

Das ist ein Fall für uns!

Wir connecten auf unserer Plattform Schüler*innen und Lehrer*innen. Wir sorgen dafür, dass der Nachhilfeschüler den perfekten Nachhilfelehrer findet.

Kommt die Idee aus eurer eigenen Erfahrung mit Nachhilfe?

Ja. Alex, unser CO-Founder, und ich haben vor unserem Studium in unseren Heimatorten im Nebenjob Nachhilfe gegeben. Als wir dann nach Karlsruhe kamen, hatten wir keine Schüler und auch noch kein Netzwerk. Also haben wir Abrisszettel an Schulen verteilt. Die Resonanz war echt riesig. Sogar so, dass wir bald an unsere Grenze kamen. Wir haben die Anfragen dann an Kommilitonen weitervermittelt. Irgendwann gingen uns aber die Lehrer aus …

Nachhilfeangebote gibt es ja nicht gerade wenige, wenn man sich mal im Netz umsieht …

Das stimmt. Wir haben uns damals den Nachhilfevermittlungsmarkt sehr genau angeschaut. Wir wollten wissen, was es da so für Player gibt und kamen recht schnell zu der Überzeugung: Das können wir besser!

Ich bin gespannt …

Allerdings klappte das nicht gleich beim ersten Anlauf. Wir waren noch sehr ahnungslos. Die Organisation mit Laufzetteln und die Übernahme der Rechnungstellung waren zwar im Ansatz richtig, aber viel zu kompliziert. Nach drei Monaten wussten wir, dass es so nicht erfolgreich weitergehen kann.

Weil Skalierungsoptionen fehlten?

Ja, das war einfach alles zu manuell. Zum Glück hatte Alex bereits Gründungserfahrung und brachte noch Martin ins Spiel, der ebenfalls Startup-erfahren war. Martin stieg als technical Co-Founder bei uns ein und nahm uns die administrative Arbeit ab. Er hat die ganze Technik vom Algorithmus bis hin zur Rechnungstellung automatisiert und die Apps geschrieben. Seit Mitte 2020 steht das Projekt. Mittlerweile haben wir alle unseren Abschluss gemacht und sind jetzt voll dabei.

Ich suche eine Mathe-Nachhilfe – was mache ich?

Zunächst muss man auf unserer Webseite das Kontaktformular ausfüllen und in einem Telefongespräch mit uns über das Nachhilfeanliegen – aktuelles Thema, aktueller Lernstand – sprechen. Dann die Daten wie Fach, Standort, Klassenstufe in die App eingeben. Kommt es zu einem Match, trackt der Lehrer die Stunden in der App. Wir erledigen den Rest: Rechnungstellung, Preisgebung – in Absprache mit den Studis – und Akquise von neuen Schülern. Außerdem ist die persönliche Betreuung noch ein ganz wichtiger Punkt in unserem System. Wir hören jedem Kunden zu und stehen wirklich immer zur Verfügung bei Problemen, wie zum Beispiel Lehrerwechsel, Sonderwünsche etc. Der Lehrer muss nur Nachhilfe geben und die Termine übermitteln. Das bietet Schülern auch deshalb maximale Flexibilität, da die Nachhilfezeiten sich zusätzlich auch in die Abendstunden, ins Wochenende und in die Ferien verlagert haben.

Eure Lehrer sind alles Studierende. Welche Vorteile hat das? 

Es hat sich herausgestellt, dass jemand, der noch nicht so lange aus der Schule raus ist, in der Regel näher am Thema und dadurch auch näher an der Lebenswelt des Schülers ist. Das vereinfacht vieles.

Welche Skills braucht ein Studi, der bei euch Nachhilfe geben will? 

Nachhilfe lebt sehr vom Flurfunk. Wenn man überzeugt ist von jemandem, dann sagt man das gerne weiter. Deshalb ist Qualität hier der absolute Schlüssel.

Wie garantiert ihr gute Qualität?

Wir haben hier drei Mechanismen: Zum einen sind wir vom Pier-to-Pier-Education-Ansatz sehr überzeugt, deshalb haben wir ausschließlich Studierende auf unserer Plattform. Zweitens füllen die Studis bei uns ein Kontaktformular aus, wählen die Fächer und legen fest und sagen uns, welche Klassenstufen sie präferieren. Danach klopfen wir in einem persönlichen Gespräch die Qualifikationen ab und warum sie dieses Fach unterrichten wollen. Für jeden Lehrer nehmen wir uns 20 Minuten Zeit, um ihn oder sie kennenzulernen und auch auf der persönlichen Ebene zu erfahren, was die eigentlichen Motivationen sind. Auf diese Weise stoßen wir sehr schnell auf PH-Studierende, die auf Lehramt studieren, und da ist die Motivation natürlich meistens auch die richtige.

Der dritte Mechanismus kommt über die Eltern. Wenn wir die Vermittlung durchgeführt haben, haben wir einen engen Draht zu den Eltern Zur Anmeldung führen wir ein ausführliches Telefonat, und auch im Nachgang zu den ersten Stunden gibt es noch mal eine Qualitätsprüfung. Das alles machen die jeweiligen Standortleiter in den einzelnen Städten.

Welche Buchungsmöglichkeiten gibt es? 

Wir bieten sogenannte Nachhilfekarten an. Eine 6-er-Karte für intensives Lernen vor einer Klausur, eine 26er-Karte für ein halbes Jahr und eine 52er-Karte, die für ein Jahr gilt.

Bei Studierenden kann es ja immer mal sein, dass sie wegen Prüfungen ausfallen. Und dann?

In so einem Fall ist unser Studi-Pool mit über 100 Studis allein in Karlsruhe so gut ausgestattet, dass wir da problemlos Ersatz finden.

In welchen Städten läuft die App bereits?

In Karlsruhe, Heidelberg und in Aachen.

Heißt, in diesen Städten steigt die Zahl der Mathe-Asse? 

Unsere Zielvorstellung ist natürlich noch weit von dem entfernt, wo wir gerade sind. Aber was wir haben, ist schon richtig gut. Wir haben immer vier Kriterien im Fokus: Fach, Klasse, Distanz und Kapazität. Diese vier Dinge müssen immer möglichst gut matchen. Wenn wir eine Anfrage aus der Karlsruher Oststadt haben, dann versuchen wir auch, jemanden von dort zu bekommen und nicht jemand aus der Weststadt. Dann allerdings muss gewährleistet sein, dass der Lehrer auch wirklich Zeit für diesen Schüler hat. Kapazitätsmanagement ist daher sehr wichtig.

Werden bald in ganz Deutschland die Schüler besser in der Schule?

Das ist unser Ziel. Allerdings wollen wir uns erst mal auf die drei Städte konzentrieren. Wir haben im CyberLab Accelerator ein sehr gutes Konzept entwickelt, das man dann später auch schnell ausrollen kann.

Ihr wollt den Bildungsmarkt positiv beeinflussen. Wichtig war euch, der günstigste Anbieter für Nachhilfe zu sein. Im CyberLab Accelerator hat man euch diesen Zahn gezogen. Warum?

Unser Ziel war und ist, dass jeder sich Nachhilfe leisten kann. Auch Schüler*innen aus verdienstärmeren Familien. Im CyberLab wurde uns klar gemacht, dass das so nicht funktioniert, wenn wir wirtschaftlich überleben wollen. Wenn wir mit Abstand die Günstigsten sind, war die Botschaft, dann ist das zwar nett gemeint, aber wenn wir damit nur einen Monat über die Runden kommen, dann bringt uns das nichts. Das CyberLab hat uns geholfen, umzudenken und ein tragbares Konzept zu entwickeln. Dafür sind wir sehr dankbar.

Habt ihr am Preis noch mal gedreht?

Nein, wir haben nicht den Preis geändert, sondern wir haben Laufzeiten eingeführt, in der die Stunden eingelöst werden müssen. Beispiel 26-er-Karte – sie ist ein halbes Jahr gültig. Da der Bedarf an Nachhilfe zeitlich sehr schwankt und in den Ferien stark abnimmt, haben wir jetzt eine bessere Planbarkeit und ein hohes Maß an Flexibilität erreicht. So wissen wir, dieser Kunde wird uns über diese Laufzeit diesen Gewinn einbringen, ohne den Preis reduzieren zu müssen. Das ist wirklich ein cooles Ergebnis, das wir aus dem CyberLab Accelerator mitgenommen haben.

Was ist mit sozial Schwachen, die sich das gar nicht leisten können? 

Hier greift das staatliche Angebot Bildung & Teilhabe. Wenn man unter einem gewissen Gehaltsniveau ist und gewisse Kriterien erfüllt, dann werden die Nachhilfestunden vom Staat übernommen. Da sind wir auch mit dabei. Das heißt, wenn Leute zu uns kommen, die ein Anrecht auf das Angebot Bildung & Teilhabe haben, können sie bei uns recht schnell so ein Programm nutzen. Wir haben diesen Antrag bereits ein paarmal begleitet. Unvorstellbar, wie schwer es ist, an einen Zuschuss zu kommen. Das kann schon mal drei Monate dauern, um 10 Stunden Nachhilfe zu bekommen. Auch hier sind wir behilflich.