Die Stiftung Open Knowledge Foundation e. V. hat das Projekt „Code for Germany“ ins Leben gerufen. Es soll Programmierer anregen, Informationen von öffentlichen Stellen in hilfreiche Apps und Webseiten zu verwandeln. So sollen Bürger schneller Antworten auf ihre Fragen finden.
Sich über politische Prozesse und Entscheidungen zu informieren, ist möglich, aber mühsam. Die Stadtverwaltungen zum Beispiel stellen interessierten Bürgern ein Vielzahl von Sitzungsterminen, -protokollen und -beschlüssen in einem RatsInformationsSystem (RIS) online zur Verfügung. Wer sich so einen Überblick verschaffen will, kommt allerdings nicht um zahlreiche Klicks und lange Recherchezeit umhin.
Der Entwickler Mila Frerichs entschied daher, es besser zu machen und programmierte die Webseite Offener Rat Münster. Dabei greift er auf die öffentlich zugänglichen Daten des RIS der Stadt Münster zurück, stellt diese aber nutzerfreundlich zusammen: Eine übersichtliche Anordnung, klare Menüführung und Farbschema machen die Stadtpolitik schon viel anschaulicher. Dank der Einbindung von RSS, können interessierte Bürger stets auf dem Laufenden bleiben.
Mit seinem Webangebot engagiert sich Frerichs ehrenamtlich im Rahmen der bundesweiten Open-Data-Initiative Code for Germany. Deren selbsterklärtes Ziel ist es, Software-Anwendungen und Visualisierungen zu entwickeln, die den Alltag von Bürgern und Bürgerinnen vereinfachen, Partizipation ermöglichen, Transparenz erhöhen oder die Kommunikation zwischen Staat und Bürgern verbessern. Importiert ist die Idee aus den USA (Code for America). Dem internationalen Netzwerk Code for All gehören neben den Vereinigten Staaten und Deutschland auch die Karibik, Irland, Japan, Mexiko und Polen an. Hinter dem deutschen Projekt steht der gemeinnützige Verein Open Knowledge Foundation Deutschland, der auch Projekte wie Frag den Staat, Apps and the City, BundesGit oder Offene Daten fördert. Unterstützt wird Code for Germany von Google.
Code for Germany soll Infrastruktur zum Vernetzen schaffen
Wie das Beispiel von Frerichs zeigt, setzt das Netzwerk bei der konkreten Ausgestaltung seiner Ideen auf die Initiative und das Engagement lokal agierender Personen oder Gruppen. Mit Erfolg: Bundesweit haben sich seit Februar dieses Jahres bereits 14 sogenannte Open Knowledge Labs, kurz OK Labs, gegründet – neben Münster unter anderem in Berlin, Hamburg, Heilbronn, Leipzig und München. Die Teams setzen sich vor allem aus Softwareentwicklern und Designern zusammen, doch auch Politiker, Verwaltungsmitarbeiter, engagierte Bürger und an Open Data interessierte Menschen sind willkommen.
Code for Germany stellt den OK Labs die nötige Infrastruktur zur Verfügung, um sich miteinander zu vernetzen. Darüber hinaus unterstützt das Programm die lokalen Gruppen in der Kommunikation mit Regierung, Institutionen und der Öffentlichkeit. Denn Entscheidungsträger und Verwaltungen sollen in die Prozesse eingebunden werden. In Heilbronn funktioniert das bereits sehr gut, wie Felix Ebert, Mitglied des dortigen OK Labs, berichtet: „Vertreter aus der Politik sowie Redakteure der Lokalzeitung kommen regelmäßig zu unseren Treffen, um sich auszutauschen und Kooperationen anzuregen.“ Das Programm ist also auch ein Angebot an Städte und Kommunen, sich stärker bürgernah zu zeigen. Den Austausch wollen die Initiatoren von Code for Germany mit einem Stipendienprogramm und einem Peers-und-Partners-Netzwerk weiter vorantreiben.
Grundlage sind frei zugängliche Daten
Aktuell haben die ehrenamtlichen Programmierer von Code for Germany bereits mehr als 50 Projekte auf die Beine gestellt. Das OK Lab Heilbronn entwickelte beispielsweise eine Anwendung zur Trinkwasserqualität in der Region. Eine Access Map des OK Lab Berlins soll zeigen, wie barrierefrei Nahverkehrssysteme sind. Auf Freie Parkplätze Dresden sehen Autofahrer, wo sie in der Stadt einen Parkplatz finden. Das OK Lab Hamburg versucht, die Suche nach einer Kindertagesstätte zu erleichtern. Defibrillatoren in Köln visualisiert standortbezogen die Verfügbarkeit der lebensrettenden, medizinischen Geräte zur Unterstützung der Herzfunktion. Und auf der Webseite Wahlversprechen 2013 vollziehen Bürger anhand von Symbolen schnell, ob die Politiker auch umsetzen, was sie im Wahlprogramm festgeschrieben haben.
Grundlage der einzelnen Projekte sind frei zugängliche Daten von Behörden und anderen Institutionen zu Infrastruktur, Finanzen, Umwelt und vielen weiteren Themenfeldern. Wie Code for Germany mitteilt, hätten bereits einige Städte Open-Data-Programme. Ziel sei aber die weitere Öffnung von Datensätzen.
„Um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern, müssen Politik und Verwaltung externes Wissen nutzbar machen, neue Formen des Dialogs ermöglichen und Kooperationen eingehen“, erklärt Gesche Joost, Universitätsprofessorin und Digitale Botschafterin Deutschlands. Sie gehört dem Advisory Board von Code for Germany an.
Wichtig hierbei sei es jedoch, keine Rückschlüsse auf einzelne Menschen zuzulassen, erklärt Jens Fromm, Leiter Öffentliche IT von Fraunhofer, dem IT-Nachrichtenportal Golem. Und selbst aggregierte Daten sind mit Bedacht zu nutzen. Sie lassen beispielsweise Rückschlüsse auf Bevölkerungsgruppen oder Brennpunkte zu, die zu Diskriminierung führen könnten. Der Experte rät daher: „Zurzeit sollte man sich auf Daten konzentrieren, die nicht brisant sind.“ Bislang ist das der Fall. In Zukunft jedoch werden solche Probleme diskutiert werden müssen. Bis dahin wird der Entwickler Frerichs sein bürgernahes Ratssystem jedenfalls weiter ausbauen und optimieren.