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Die Digitale Transformation schreitet mit großen Schritten voran und betrifft mittlerweile sämtliche Lebensbereiche – sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich. Jedoch sind die dahintersteckenden Technologien keine Erfindung der 2000er Jahre, sondern reichen teilweise bis in die 80er Jahre zurück. Software-Anwendungen, die durch ein Baukastenprinzip Geschäftsprozesse vereinfachen und verlässlicher machen und auch noch Kosten sparen, haben ihren Ursprung in den 90er Jahren und sind heute aus der modernen IT-Landschaft nicht mehr wegzudenken.

Nur kannte damals noch niemand den Begriff Low-Code, die Vorgehensweise „Konfigurieren statt programmieren“ praktizierten die Pioniere der Bewegung aber schon seit jeher.

IT-Projekte realisieren mit Low-Code

Erst kürzlich bewerteten die US-Analysten Forrester Research und Gartner erneut zahlreiche global agierende Low-Code-Anbieter. Die Reports machen deutlich, dass Low-Code-Anbieter einen hohen Marktwert besitzen und dass deren Software-Anwendungen für Unternehmen einen großen Mehrwert bieten, da IT-Lösungen schneller und effizienter umgesetzt werden können. Bereits 2018 schrieb Forrester Research Low-Code-Plattformen eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung aller Geschäftsprozesse zu und prognostizierte für das Jahr 2020 einen Gesamtmarkt für Low-Code-Plattformen von 15,5 Milliarden US-Dollar.

Kurz gesagt lässt sich Low-Code wie folgt definieren: Low-Code-Development-Plattformen ermöglichen die interaktive und niedrigschwellige Entwicklung datenbankbasierter Fachanwendungen nahezu ohne Programmierung. Letztendlich werden vorgefertigte Softwarebausteine durch interaktives Zusammenklicken zu einer Software-Anwendung zusammengefügt. Dank dieses Zusammenklick-Prinzips können Anwender und Power-User der Fachabteilungen besser in die Entwicklung ihrer Softwarelösungen einbezogen werden. So werden eine agile Softwareentwicklung und ein gemeinsames Erarbeiten optimaler Lösungen direkt am Datenbank-Projekt selbst möglich – durch Konzeption und Umsetzung in einem Zuge, mit modernen Methoden des Design Thinking über alle Projektphasen hinweg.

Bei Low-Code geht es also nicht nur darum, Kosten zu sparen und schneller zu Ergebnissen zu kommen: Es ist ein völlig anderer Ansatz, Softwarelösungen konzeptionell zu erarbeiten. Zudem geht es auch darum, nicht am realen Bedarf vorbei zu entwickeln und den gesamten Prozess der Konzeption, Entwicklung und Pflege in einem Maße zu flexibilisieren.

Low-Code funktioniert interaktiv

Low-Code-Anwendungen verfügen meist über eine Cockpit-ähnliche Entwicklungsplattform, mit der Browseranwendungen oder Apps interaktiv zusammengeklickt werden. Die finale Anwendung liegt in einer strukturierten und deklarativen Form (z.B. als Metadaten in einer Metadatenbank) vor, sodass die entsprechenden Programmteile jederzeit weiterentwickelt werden können. Einige Low-Code-Plattformen sind streng an den Einsatz in der Cloud und auch an eine Entwicklung in der Cloud gebunden, während andere Tools bzw. ihre Runtime-
Systeme auch on-premise installiert werden können. Dementsprechend arbeiten einige interpretativ, benötigen also zur Laufzeit ein auf dem Server oder in der Cloud installiertes Laufzeitsystem. Andere Tools hingegen sehen sich als Weiterentwicklung der modellgetriebenen Softwareentwicklung und generieren ausführbaren Code. Teilweise wird auf eine Kombination beider Methoden gesetzt, um interaktiv am Produkt entwickeln und dennoch abschließend reinen Programmcode ausliefern zu können.

Nahezu allen Methoden gemeinsam ist, dass im interaktiven Entwicklermodus nicht nur die Programme selbst, sondern auch das zugrundeliegende Datenmodell in einem Zuge mitentwickelt werden. Ebenso interaktiv werden Datenbankabfragen und -sichten zusammengefügt und dann jeweils geeignete Visualisierungen ausgewählt, wie zum Beispiel Formular- oder Tabellenansicht bzw. Map-, Tree- oder Chart-Controls. Die Anbindung der Controls an die Datensichten erfolgt dabei weitgehend eigenintelligent. Programmoberflächen werden aufgebaut, indem die jeweiligen Datensichten in der gewählten Visualisierungsform auf den Bildschirm gezogen und miteinander verlinkt werden. Zum Feintuning des Layouts und auch für Anforderungen wie Responsive Design, sowie für das Einbringen geeigneter zusätzlicher Bedienelemente, stehen dann Form Designer und andere herstellerspezifische Designwerkzeuge bereit. Im Zuge diese Konfigurationen entsteht der Grundstock der benötigten Anwendungslogik automatisch, zumindest soweit sie sich bereits aus dem evolutionär entwickelten Datenmodell und aus diversen Eigenschaftsklassifikationen, die sich im Konfigurationsprozess so ansammeln, ableiten lässt.

Die meisten Low-Code-Produkte zielen auf die Schnittstelle zwischen den zentralen IT-Abteilungen der Unternehmen und den eigentlichen Anwendern ab. Hierbei gibt es unterschiedliche Ausprägungen bei den Tools: Manche sind eher für Endanwender konzipiert, andere dann doch eher für IT-Profis optimiert. Die wichtigste Zielgruppe der Low-Code-Bewegung ist immer die, die genau dazwischenliegt: IT-kundige Mitarbeiter der Fachbereiche, sowie IT-Spezialisten, die sich über viele Jahre hinweg tief in die Themen der Fachabteilungen eingearbeitet haben. Für diese Gruppe von fach- und zugleich hinreichend IT-kundigen Mitarbeitern steht der neue Begriff Citizen Developer. Damit ist jemand gemeint, der in der Fachabteilung ansässig, zugleich aber auch in der Lage ist, im Bedarfsfall etwas zu programmieren.

Es ist schon lange nicht mehr so, dass es im Unternehmen nur die um den CIO gescharrten IT-Gurus auf der einen Seite, und die völlig IT-unkundigen Fachleute auf der anderen Seite gibt. In nahezu allen größeren Unternehmen hat sich längst eine sogenannte Schatten-IT entwickelt, in der sich die Fachabteilungen um ihre eigenen Fachanwendungen selbst kümmern, mit mehr oder weniger Unterstützung aus der Zentral-IT. Getrieben wird die Schatten-IT von Power Usern und fachlich orientierten Informatikern und Beinahe-Informatikern, die sich jetzt allesamt Citizen Developer nennen können.

Fazit

Die Eignung der Low-Code-Technologie als Digitalisierungs-Motor, sowohl für Klein- und Kleinstanwendungen als auch für große und kritische IT-Projekte, ist längst
bestätigt. Auch der Nachweis, dass die Versprechungen hinsichtlich Schnelligkeit und Flexibilität, Anwenderzufriedenheit und Projektsicherheit tatsächlich erfüllt werden, ist erbracht. Die wirtschaftliche Vernunft spricht massiv für den flächendeckenden Einsatz von Low-Code-Plattformen für dezentral entwickelte Fachanwendungen, dass es verwundert, wieviel Vorbehalte es immer noch gibt.

Seit der Namensgebung für die Technologie durch John Rymer von Forrester Research im Jahr 2014 und den damit verbundenen atemberaubenden Umsatzprognosen überschwemmen immer mehr Start-ups mit neuen Low-Code-Produkten den Markt. Dutzende neue Anbieter, zumeist mit viel Venture Capital ausgestattet, beleben die Szene auf beeindruckende Weise. Welche sich davon am Markt behaupten werden, und welche die Technologie insgesamt weiter vorantreiben werden, bleibt abzuwarten. Die Low-Code-Technologie als solche ist ausgereift, aber durchaus noch offen für weitere Innovationen.

Titelbildscanrail / iStock
Karsten Noack
Karsten Noack ist Gründer und CEO der Scopeland Technology GmbH. Als Visionär entwickelte er bereits Mitte der 90er Jahre die Grundlagen der Technologie, die heute als Low-Code und als Schlüsseltechnologie der Digitalisierung bekannt ist. Karsten Noack verfügt über umfassende Erfahrungen im Einsatz von Low-Code-Plattformen in großen Unternehmen und Behörden. Karsten Noack ist Mitglied des Hauptvorstands des BITKOM und mehrerer Arbeitsgruppen des BITKOM. Als Geschäftsführer und Cheftechnologe von Scopeland Technology trägt er die Hauptverantwortung für die strategische Ausrichtung und ist in die wichtigsten Projekte des Unternehmens involviert.