Lesedauer ca. 5 Minuten

Die Art und Weise wie wir Medien nutzen, hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Soziale Netzwerke entwickeln sich zu News-Hubs, Formate wie Podcasts werden immer beliebter. Das hat auch Folgen für die Aufmerksamkeit, die wir Inhalten widmen.

Noch vor 20 Jahren begann der Tag für viele Menschen mit einem Blick in die Zeitung, die allmorgendlich im Briefkasten lag. Beim Frühstück verschaffte man sich einen detaillierten Überblick über das Geschehen – sowohl in der näheren Umgebung als auch auf nationaler und internationaler Ebene. Den Artikeln, die man las, widmete man sich mit voller Aufmerksamkeit. Das war damals auch gar nicht so schwer, da man noch keine Smartwatch am Handgelenk trug, die einem im Minutentakt über neue Beiträge bei Facebook und Nachrichten bei WhatsApp informierte.

Tagsüber schaltete man in der Mittagspause kurz das Radio ein, um zu hören, ob es irgendwelche weltbewegenden Neuigkeiten gab. Falls nicht, wartete man bis um 20 Uhr die Tagesschau die Nachrichten des Tages in 15 Minuten zusammenfasste – ohne Werbung, ohne Unterbrechung.

Seither ist viel passiert.

Deutsche nutzen Medien mehr als 10 Stunden pro Tag

Zwar sind Radio und Fernsehen noch immer die mit Abstand am meisten genutzten Medien in Deutschland, aber der Konsum von Inhalten im Internet sowie auf Video- und Audio-Streaming-Plattformen nimmt rasant zu. Laut dem Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) verbrachten die Deutschen im Jahr 2016 täglich insgesamt über 10 Stunden mit der Nutzung von Medien. Sieben Stunden davon entfielen auf die Nutzung von Fernsehen und Radio. Demgegenüber steht das Internet mit einer medialen Nutzung von täglich etwa 1 Stunde und 19 Minuten. Davon entfiel mit rund 37 Minuten bereits fast die Hälfte auf die Nutzung von Video- und Musik-Streaming.

Erste Zahlen für das Jahr 2017 zeichnen ein ähnliches Bild. Fernsehen und Radio liegen unangefochten auf dem ersten und zweiten Platz, aber insbesondere Streaming-Anbieter wie Amazon Video, Netflix und Spotify konnten Boden gut machen. Die Bereitschaft für On-Demand-Inhalte zu bezahlen, nimmt unter deutschen Nutzern stetig zu. Das gilt insbesondere für die Generation U30, für die Streaming bereits heute zum Alltag gehört.

Nicht ganz so rosig sieht es für die Tageszeitungen aus: Nach Angaben der ivw (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) ist die Auflage der deutschen Tageszeitungen zwischen 1997 und 2017 um 40 Prozent eingebrochen. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Der Versuch, die weggebrochenen Werbeeinnahmen mit Paywalls im Internet auszugleichen, zeigt bislang kaum Erfolge.

Redaktionelle Inhalte genießen die höchste Aufmerksamkeit

Dennoch gibt es für die Verlage auch positive Nachrichten: Wie das US-amerikanischen Medienforschungsinstitut Pew Research Center in einer Umfrage ermittelte, genießen redaktionelle Inhalte nach wie vor die höchste Aufmerksamkeit. Gefragt wurde unter anderem, ob sich die Nutzer von Online-Medien an die Quelle erinnern konnten, wenn sie über einen externen Link zu dem Artikel gefunden hatten. Dabei zeigte sich, dass sich die Nutzer besser an die Quelle der Verlinkung erinnern konnten, wenn es sich um ein journalistisches Angebot handelte, als wenn der Link von ihren Kontakten in den sozialen Netzwerken geteilt wurde.

Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass diejenigen Nutzer, die eine Nachrichten-Website direkt ansteuern, dort durchschnittlich drei Mal mehr Zeit verbringen und fünf bis sechs Mal mehr Artikel lesen, als ein Nutzer, der über Facebook oder Google auf die Seite gelangt ist. Das hat auch Konsequenzen für die Werbung, wie von der GfK erhobene Zahlen für das Jahr 2016 zeigen: In redaktionell gestalteten Umfeldern wird Werbung im Schnitt fast 50% länger betrachtet als auf Social Media-Plattformen.

Dieser Ergebnisse sind wenig überraschend: Jeder von uns wird tagtäglich von unzähligen Links via Facebook und Twitter „bombardiert“. Diese klickt man vielleicht sogar an, aber die Verweildauer auf der jeweiligen Seite beläuft sich dann oft nur auf wenige Sekunden. Wer hingegen bewusst ein redaktionelles Angebot wie das von SZ Online oder Spiegel Online aufruft, verbringt dort meist auch deutlich mehr Zeit.

Wert der Aufmerksamkeit steigt

Aus Marketing-Sicht haben diese Veränderungen direkte Auswirkungen auf den „Wert der Aufmerksamkeit“ und damit den Wert von Werbung. Wie aus dem Aufmerksamkeits-Index (AIX) der Beratungsgruppe Goldmedia hervorgeht, ist die Aufmerksamkeit für Medien in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren deutlich teurer geworden. Auf Platz 1 liegt das Kino mit dem höchsten Indexwert der Aufmerksamkeit von 4,58 Euro pro Stunde. Logisch, denn im Kino blendet man noch am ehesten die Umwelt aus und konzentriert sich auf die Leinwand. Am schlechtesten schneidet in diesem Kontext das Radio mit 0,05 Euro pro Stunde ab. Im Internet ist die Aufmerksamkeit der Nutzer in den vergangenen Jahren dagegen am stärksten gewachsen und liegt inzwischen bei 0,10 Euro pro Stunde – und damit fast auf TV-Niveau.

Zum Vergleich: Eine Stunde Mediennutzung „kostete“ in Deutschland 2005 durchschnittlich 16 Cent, 2015 sind es bereits 20 Cent.

Von Paywalls und Podcasts

Parallel zu all diesen Entwicklungen kommen neue Formate auf, die insbesondere in der Zielgruppe U50 immer beliebter werden: zum Beispiel Podcasts. Bei der Podcast-Studie „Spot on Podcast“ gaben 15 Prozent der Deutschen an, wöchentlich Podcasts zu hören. Interessanterweise sind es nicht die 14- bis 29-Jährigen, sondern die 30 bis 49-Jährigen, bei den Podcasts hoch im Kurs stehen. 29 Prozent sind sogar 50 Jahre und älter. Wenig überraschend nutzen 73 Prozent ihr Smartphone um Podcasts zu hören, während 61 Prozent zum Notebook greifen.

Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf die Zahlungsbereitschaft der Nutzer: Eine aktuelle Studie des Allensbacher Instituts für Demoskopie kam zu dem Ergebnis, dass einem Drittel der Bevölkerung durchaus bewusst ist, dass Verlagen Geld entgeht, wenn Informationen kostenlos im Internet gelesen werden können. Gleichzeitig findet mehr als die Hälfte, dass guter Journalismus von den Nutzern finanziert werden sollte. Das Problem an der Sache: Zwei Drittel der Nutzer, die sich im Internet über Politik informieren, sind grundsätzlich nicht bereit für Inhalte zu zahlen.