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Über die Smart City wurde in den letzten Jahren viel geschrieben und diskutiert. Aber wie steht es um den Status quo? Welche Städte können sich hinsichtlich einer digitalen Infrastruktur besonders hervorheben? Eine Bestandsaufnahme und Mahnung an die Smart City zugleich.

Bevor wir uns anhand des Smart-Cities-Index 2017 den aktuellen Stand der urbanen Digitalisierung anschauen, theoretisieren wir das Thema kurz und betrachten es aus Sicht der Politik. So ist Städteentwicklung und die bundesweite Durchdringung von digitaler Technologie zunächst einmal Chefsache und Aufgabe des Bundes. Und auf Bundesebene ist in den letzten Jahren und Monaten einiges passiert – zumindest aus Sicht der Politik.

Smart-City-Charta oder warum die Politik scheitert

Zuletzt wurde das Thema während des World Urban Forums auf die große und internationale Bühne gehievt. Der Kongress fand Anfang Februar in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur statt und dürfte mit den rund 20.000 Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft das größte Treffen zum Thema Stadtentwicklung weltweit sein. Für die Bundesregierung nahm Baustaatssekretär Gunther Adler teil und stellte den Delegierten die deutsche Smart-City-Charta vor.

Die Charta war im Rahmen der nationalen Dialogplattform Smart Cities von rund 70 Expertinnen und Experten erarbeitet worden. Gemeinsam entwickelten sie ein Werte- und Zielverständnis für Smart Cities, bewerteten Chancen und Risiken und erarbeiteten Leitlinien und Handlungsempfehlungen. Das studieren der einzelnen Punkte lohnt sich. „Mit der Smart City Charta fordert die Dialogplattform Smart Cities, die Digitalisierung nicht einfach geschehen zu lassen, sondern sie aktiv im Sinne der nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung zu gestalten“, so das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. „Die Dialogplattform ist überzeugt, dass Digitalisierung nicht automatisch zu besserem Verwaltungshandeln, zu einer besseren Infrastruktur – zum Beispiel einem nachhaltigeren, zugänglicheren und preisgünstigeren Stadtverkehr – oder höherer Energieeffizienz führt.“ Die Autoren der Charta sind sich vielmehr sicher, dass die Digitalisierung nicht von alleine die lokale Wirtschaft stärke, Innovation fördere und automatisch die Bildung verbessere.

Die in der Charta festgelegten Leitlinien zeigen allerdings auf, warum es meines Erachtens noch ein wenig bei der urbanen Digitalisierung stockt. So soll mit den Mitteln der Digitalisierung die Ziele einer nachhaltigen europäischen Stadt verfolgt werden; ohne allerdings wirklich konkret zu werden. Im Folgenden lasse ich dazu die vier Leitlinien kommentarlos stehen.

  • Digitale Transformation braucht Ziele, Strategien und Strukturen
  • Digitale Transformation braucht Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung
  • Digitale Transforömation braucht Infrastrukturen, Daten und Dienstleistungen
  • Digitale Transformation braucht Ressourcen, Kompetenzen und Kooperationen

Smart-Cities-Index 2017

Aber wie sieht es denn in der Praxis einer Smart City aus? Welche Stadt hat derzeit die digitale Nase vorn? Ich habe dazu die Ergebnisse aus dem Smart-Cities-Index 2017 hinzugezogen. Der Index hat aus insgesamt 500 Städten die 100 ‚digitalsten‘ Städte gelistet. Dabei waren die Faktoren: Anzahl der WLAN-Hotspots, häufige Smartphone-Nutzung, 4G-Verbreitung, Transportmittel und Mobilität, genügend Angebote für intelligentes Parken, Verkehrssensoren und Car-Sharing-Apps ausschlaggebend. Laut Autoren ist eine intelligente Stadt außerdem nachhaltig und hat einen starken Fokus auf umweltfreundlicher Energie und Umweltschutz (Siehe dazu auch das Projekt Hush City). Außerdem war für die Beteiligten wichtig, dass ein Online-Zugang zu Behördendienstleistungen vorhanden ist und exzellent funktioniert. Ebenfalls war ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung wünschenswert – alles, was derzeit in Deutschland eher schleppend funktioniert. Zum Vergleich empfehle ich zusätzlich die Marktübersicht 2017-2022 – Fakten und Zahlen.

Unter den Top 10 der ‚digitalsten‘ Städte sucht man deutsche Örtlichkeiten daher vergeblich. Über den ersten Platz darf sich Kopenhagen / Dänemark freuen. Auf den Plätzen dahinter Singapur / Singapur, Stockholm / Schweden, Zürich / Schweiz, Bosten / USA, Tokio / Japan, San Francisco / USA, Amsterdam / Niederlande, Genf / Schweiz und Melbourne / Australien. Immerhin, Berlin (13) und Hamburg (14) landen vor London, Paris und New York. München hat es immerhin auf Platz 25 geschafft, gefolgt von Düsseldorf (26). Stuttgart als Baden-Württemberg-Vertreter landet auf Rang 47. Karlsruhe ist leider nicht aufgeführt; mit Blick auf das KIT und auf den renommierten Technologiestandort sollte das von den Verantwortlichen zügig aufgearbeitet werden.

Allgemein ist das durchschnittliche Abschneiden deutscher Städte zu hinterfragen. Warum tun wir uns dahingehend so schwer, Technologien in den städtischen Alltag fließen zu lassen? Warum sind uns kleine Länder wie Dänemark und Schweden um Jahre voraus? Liegt es an der Expertenauswahl des jeweiligen verantwortlichen Politikers; siehe zuletzt Dorothee Bär und ihr Innovation Council. Auch wenn es die Bildzeitung verkündigt hat, die Riege der Experten muss ein Scherz sein.

Zurück zum Index. Der erlaubt es uns, Vergleiche zu ziehen und schaut man sich dahingehend alleine die WLAN-Abdeckung sowie die 4G-Verbreitung an, kommen deutsche Städte richtig schlecht weg. Für den Industriestandort ein Armutszeugnis. Auch in Sachen Internet-Geschwindigkeit ist nach Angaben des Smart-Cities-Indexes 2017 Deutschland weit abgeschlagen. So erhielt Berlin lediglich 3.16 Punkte und landet auf Platz 81. Zum Vergleich: Stockholm landet auf Platz 9 und ist mit 9.22 Punkten weit vor der deutschen Hauptstadt. Stuttgart schafft es immerhin auf Platz 74 (3.77 Punkte). Das Vergleich-Spiel, welches von der easyparkgroup zur Verfügung gestellt wird, kann man so bis ins Detail durchspielen. Was besonders gut gefällt, sind die transparent dargestellten Methoden, die zu der jeweiligen Erhebung führten. So wurde beispielsweise im Hinblick auf die Internet-Geschwindigkeit folgende Datenbanken angezapft:

  • Download Mbs, Speed Test Global Index (feste Bandbreite). Quelle: Online Speed Test Global Index.
  • Download Mbs, Quelle: Ookla.
  • Download Mbs, Quelle: Öffentlich zugängliche Daten des Digital City Index.

Smart City: Santander, Berlin und zehn Fakten

Und sonst? Die Wirtschaftswoche hat sich dem Thema ebenfalls angenommen und einen guten Rundumschlag verfasst. Sie berichtet von den derzeit modernsten Städten, weltweit: „Wien über Santander bis New York – Energiesparende Gebäude, zeitgemäße Kommunikationsnetze, intelligente Verkehrsplanung“, heißt es in der Einleitung. Santander ist dabei besonders hervorzuheben. So gilt die spanische Stadt als die am besten vernetzte. Laut der WiWo erfassen 20.000 Sensoren in Straßen und Fahrzeugen Parkflächen, Fußgänger und Mülltonnen. Sie messen Luftverschmutzung, Niederschlag und natürlich die Verkehrsdichte. „Rund 150.000 Daten täglich fließen in ein zentrales Informationssystem, mit dem die Stadtverwaltung Autofahrer zu freien Parkplätzen lotst, die Routen ihrer Müllfahrzeuge optimiert und die Bewässerung der städtischen Parks regelt.“ Die Stadt verfügt sogar über adaptive Lichtquellen und stadteigene Apps zeigen den Touristen via Augmented-Reality an, vor welcher Sehenswürdigkeit sie stehen oder welches Museum unbedingt besucht werden muss. Ganz ehrlich, ich mag die Stadt.

Klar ist, deutsche Städte können da nicht einmal in klein mithalten. Dennoch, Pilotprojekte zeigen, dass auch hierzulande digital aufgerüstet wird. So plant das Unternehmen Panasonic im Berliner Technologiepark Adlershof ein Smart-City-Projekt namens ‚Future Living Berlin‘ und will das alltägliche Leben im vernetzten Wohnraum erforschen. Erste Schritte sind sogar schon eingeleitet. So wurden 160 Straßenlaternen mit Sensoren ausgestattet. „Anstatt nur, wie in einer EU-Richtlinie gefordert, die bisherige Beleuchtung durch LED-Technik auszutauschen, enthält die Hardware innerhalb der Laterne zusätzlich Prozessor, Speicher und Module für WLAN, Bluetooth und Mobilfunk inklusive SIM-Karte. Jede Laterne lässt sich darüber individuell steuern und dimmen; das soll den Betreibern zufolge bis zu 80 Prozent Energiekosten jährlich sparen“, erklärt die WiWo abschließend. Der Artikel zeigt zudem auf, was alles zu einer Smart City gehört (10 Fakten zur Digitalisierung).

Aber vielleicht ist ja das Zusammengetragene nur gesponnen und zusammengewürfelter Blödsinn? Zuletzt hatte ich ja darüber berichtet (Digitalisierung zu langsam: alles Blödsinn!), dass etwa Deutschland in Sachen Digitalisierung nicht so schlecht wegkommt. Wahrscheinlich ist es das gute ausgewogene Mittel.

Bildquelle: Pxhere // CC BY 2.0