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Auf den ersten Blick wirkt das kastenförmige Fahrzeug mit seinen zahlreichen Kabeln und den gewöhnungsbedürftigen Rädern aus weißen Rollen wie ein im Kinderzimmer konzipierter Beitrag des Schülerwettbewerbs „Jugend forscht“. Ein Forschungsprojekt ist das Modellauto mit dem klingenden Namen Opticar in der Tat.

Doch mit einem Schülerprojekt hat das Gefährt nur wenig zu tun. Das hochautomatisierte Fahrzeug kann mit seinen zahlreichen Kameras und Sensoren schließlich das direkte Umfeld im fließenden Verkehr genau erfassen und liefert den Erbauerinnen und Erbauern wichtige Impulse bei der Weiterentwicklung des autonomen Fahrens. Außerdem ist das Opticar ein Vorzeigeprojekt der Profilregion Mobilitätssysteme Karlsruhe.

„Vollautomatische fahrerlose Autos müssen die gesamte Umgebung ständig im Blick haben. Nur so können im Straßenverkehr die richtigen Entscheidungen getroffen und die notwendige Sicherheit gewährleistet werden“; sagt Matthias Pfriem, Clustermanager der Profilregion. Vor zwei Jahren wurde die Profilregion als Zusammenschluss des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft (HsKA) des Forschungszentrums Informatik (FZI) sowie der vier Karlsruher Fraunhofer-Institute im Rahmen eines Pilotprojekts von der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer offiziell aus der Taufe gehoben.

Anfang Mai 2019 wurde die Zusammenarbeit der sieben Forschungseinrichtungen durch die Überführung in die so genannte Kernphase nun um mindestens zwei weitere Jahre verlängert und außer dem Opticar wurden beim offiziellen Festakt noch weitere aktuelle Forschungsprojekte wie eine Antriebsatterie aus Leichtbaumaterialien, ein System zur Kommunikation der Autos über die Scheinwerfer oder ein Antriebssystem für regenerative Kraftstoffe präsentiert. Für die kommenden Jahren stellen das Land und Partner aus der Industrie weitere neun Millionen Euro für interdisziplinäre Forschungsprojekte bereit und unter anderem soll dabei die gesellschaftliche Akzeptanz von autonomen Fahrsystemen untersucht werden.

Anfang Mai 2019 wurde die Zusammenarbeit der sieben Forschungseinrichtungen durch die Überführung in die so genannte Kernphase nun um mindestens zwei weitere Jahre verlängert.

„Testlabor für effiziente Zusammenarbeit

Ein zufriedenes Fazit zieht am Ende der zweijährigen Pilotphase Frank Gauterin, Leiter des KIT-Instituts für Fahrzeugsystemtechnik und Sprecher der Profilregion. „Die Vernetzung der einzelnen Institute hat bislang sehr gut geklappt und mittlerweile sind wir hier ein Testlabor für effiziente Zusammenarbeit“, betonte Gauterin. Das sei vor allem ein Verdienst der Koordinatorinnen und Koordinatoren, die mit viel Sachverstand nach Synergieeffekten Ausschau halten und die Expertinnen und Experten zu den einzelnen Themenfeldern gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Automobilindustrie an einen Tisch bringen.

„Nur durch den direkten Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft können solche Forschungsprojekte tatsächlich in die Tat umgesetzt werden“, so Gauterin. Ein echter Treiber für die Vernetzung der einzelnen Akteure sei dabei sicherlich das Testfeld Autonomes Fahren (TAF) in der Karlsruher Oststadt, wo sensorgesteuerte automatisierte Fahrsysteme seit einem Jahr auf Herz und Nieren getestet werden. Als Vorteil für den Aufbau einer funktionierenden Kommunikationsstruktur bezeichnet Gauterin auch die fußläufige Entfernung zwischen den einzelnen Kooperationspartnern.

Knalleffekt wird es in der Mobilität künftig nicht geben

Bei der künftigen Entwicklung von nachhaltigen Mobilitätssystemen müssen nach Gauterins Einschätzung vor allem zwei große Herausforderungen gemeistert werden. Zum einen müssen künftig deutlich weniger Treibhausgase emittiert und zum anderen die Ballungsräume entlastet werden. „Schadstoffe, Lärm und ständige Staus machen den Leuten in Großstädten zunehmend das Leben schwer“, so Gauterin.

Die Entwicklung und Einführung von neuen Mobilitätskonzepten ist nach seiner Erfahrung aber ein schleichender Prozess. „Einen echten Knalleffekt oder eine regelrechte Revolution wird es in der Mobilität künftig aller Voraussicht nach nicht geben“, so Gauterin. Ein echter Treiber bei der Entwicklung von innovativer Technik sei derzeit aber auf jeden Fall die Digitalisierung. „Dank der modernen Sensortechnik sind die Autos heute viel sicherer als noch vor einigen Jahren und diese Entwicklung wird quasi ungebremst weitergehen“, so Gauterin. Geduld sei dagegen bei der Entwicklung von neuen Antriebsformen sowie der Bereitstellung einer Infrastruktur für regenerative Kraftstoffe gefragt. Der Grund: Die durchschnittliche Lebensdauer eines Autos mit Verbrennungsmotor beträgt neuneinhalb Jahre und die alten Autos könnten deshalb nicht auf einen Schlag durch neue Fahrzeuge ersetzt werden.