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Nachhaltiger Sprit für weniger als einen Euro pro Liter? Was bei den derzeitigen Kraftstoffpreisen wie ein Scherz klingt, kann in Zukunft kommen. Denn wenn klimaschädliches CO2 zusammen mit Wasserstoff in synthetischen Kraftstoff umgewandelt wird, entpuppt sich das klimaschädliche Treibhausgas plötzlich als wichtiger Rohstoff. Um den globalen Bedarf an sogenannten e-Fuels so schnell wie möglich zu decken, braucht es regenerative Energie und eine bahnbrechende Technologie. Die grüne Energie dafür liefern globale Sweetspots und die Technologie kommt vom Karlsruher Unternehmen Ineratec.

Co-Founder Philipp Engelkamp erzählt im Interview, wie e-Fuels in Zukunft bezahlbar sein werden und warum vor allem die Luftfahrt und der Schiffsverkehr davon profitieren – aber auch diejenigen, die auf ihren Benziner nicht verzichten wollen.

Was ist die Mission von Ineratec?

Bei Ineratec geht es darum, die nachhaltige Zukunft mitzugestalten und e-Fuels als eine mögliche Alternative für die Zukunft zu etablieren. E-Fuels sind Kraftstoffe, die aus CO2 und Wasserstoff hergestellt werden. Wasser wird in Wasserstoff umgewandelt und wir verbinden dann den Wasserstoff mit CO2. Für eine positive Ökobilanz wird für die Wasserstoffherstellung nur erneuerbarer Strom eingesetzt.

Also Flüssigtanken wie bisher als Alternative zum E-Auto?

 Unser Fokus liegt weniger auf dem Automobilsektor, sondern auf den Bereichen, die schwer elektrifizierbar sind, wie zum Beispiel die Luftfahrt und der Schiffsverkehr. Politisch und gesellschaftlich wird diese Thematik gerade sehr stark diskutiert und definiert. Fest steht, dass man auch weiterhin auf Flugkerosin angewiesen sein wird. Das heißt, im Flugbereich haben wir ein riesiges Marktpotenzial. Weil die Elektrifizierung oder auch die Wasserstoffwirtschaft in der Flugindustrie jedoch noch nicht ausreichend entwickelt ist, – wenn sie denn überhaupt kommt – spielen e-Fuels hier unbestritten eine bedeutende Rolle.

Wie sieht es beim Schiffsverkehr aus?

Ganz ähnlich. Ein Containerschiff beispielsweise benötigt sehr viel Energie. Die Speicherung der Energie auf kleinem Raum ist derzeit am besten mit flüssigen Kraftstoffen möglich. Das Problem ist momentan noch die fossile Herkunft der Kraftstoffe. Deshalb wollen wir die Kohlenstoffe, die wir in unserer Atmosphäre und oberhalb der Erdoberfläche haben, nutzen und wieder einem Kreislauf zuführen, um CO2 als klimaneutralen Treibstoff und auch in der chemischen Industrie einsetzen zu können.

Wie kommen Kohlenwasserstoffe in der chemischen Industrie zum Einsatz?

So gut wie überall, wo etwas produziert wird, kann CO2 auch physisch gebunden werden. Die Anwendungsbereiche sind unendlich. Kohlenwasserstoffe sind ja das, woraus die Erde und auch wir Menschen gemacht sind.

Nicht nur Strom, auch Gas kann in Kraftstoff umgewandelt werden …

Die Power-to-Liquid-Technologie, wie wir die Umwandlung des Treibhausgases CO2 in e-Fuels, nennen, beansprucht über 90 Prozent unserer Aktivitäten. Daneben widmen wir uns dem Thema Power-to-Gas, in dem wir keine flüssigen Brennstoffe, sondern Methan – womit wir kochen und heizen – erzeugen und ins Netz einspeisen. Wir ersetzen damit Erdgas und wandeln es in synthetisches Gas um.

Die dritte Alternative ist die Gas-to-Liquid-Technologie, bei der Gase zu flüssigen Kraftstoffen werden. Eine revolutionäre Anwendung ist hier das sogenannte „Zero Flaring“. In der Öl- und Gasindustrie treten Verbrennungsgase auf, die massive Umweltemissionen verursachen. Mit unserer Technologie können wir diese Quellen theoretisch nutzbar machen.

Wo kommt das CO2 her?

Was die CO2-Quelle anbelangt, sind wir völlig offen. Wir bevorzugen Direct Air Capture- CO2, also Kohlenwasserstoffe, die aus der Luft genommen werden oder auch CO2 aus Biogasanlagen.

Freuen wir uns also alle bald über billigen Sprit?

Wir werden in Zukunft e-Fuels für unter einen Euro pro Liter produzieren können. Dieser Preis wird auch in international angesehenen Studien beschrieben. Allerdings brauchen wir dafür kostengünstigen Strom. Und kostengünstigen Strom bekommen wir nur an den Sweet-Spots, also in Ländern, wo erneuerbarer Strom günstig und in ausreichender Menge verfügbar ist. Beispielsweise in Südamerika, wo es viel Wind gibt, in Nordamerika mit ausreichend Wasserkraft oder in Australien sowie in den arabischen Ländern mit starker Sonneneinstrahlung.

Deutschland, wo wir unsere Demonstrations- und Pilotanlagen bauen, ist kein Sweet-Spot für Power-to-Liquid. Das hat zur Folge, dass die Kraftstoffe hier etwas teurer sind. Da wir uns allerdings in einem Pioniermarkt befinden, ist die Kaufkraft sehr hoch. Wenn man es richtig macht, muss Kraftstoff in Zukunft nicht teuer sein. Daran arbeiten wir.

Hat der Verbrennungsmotor damit eine Überlebenschance?

Bis 2050 wird es einen sehr hohen Anteil an elektrifizierten Autos geben. Wir gehen aber davon aus, dass der Automobilmarkt nicht die Hauptrolle spielen wird. Sicher wird es den einen oder anderen Liebhaber geben, der sich von seinem Porsche 911 nicht trennen will. Für ihn und für alle anderen, die kein Elektro-Auto fahren wollen, bieten wir dann eine nachhaltige Option an.

Und wie sieht die aus?

 Grundsätzlich ist es wichtig, die Städte von CO2 zu entlasten. Dass die Elektromobilität auch Nachteile hat, wissen wir alle. Dass sie noch viele Aufgaben zu bewältigen hat, wissen wir auch. Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Wir wollen die nachhaltige Zusatzoption sein und nicht die Entweder-oder-Alternative.

Uns geht es um die Sektoren, in denen die Elektrifizierung und auch andere Alternativen schwer möglich sind. Beim Auto ist die Elektrifizierung naheliegend. Wenn ich mich ins Jahr 2050 versetze, dann kann ich mir sehr gut vorstellen – und da freue ich mich auch drauf –, dass wir unser persönliches Auto mit Strom laden.

Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass wir eine Boeing 747 mit Akkus betreiben. Und ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass wir mit einem großen Wasserstofftank über den Atlantik fliegen.

Wo wird das Power-to-Liquid-System bereits eingesetzt?

 Wir haben bislang 13 Anlagen gebaut und auch gemeinsam mit Partnern bei Kunden implementiert. Die Technologie ist also nachgewiesen und funktioniert. Jetzt arbeiten wir daran, diese Technologie, die in Demonstrationsanlagen gezeigt wurde, auf einen industriellen Maßstab zu heben. Die erste Anlage geht gerade in Werlte in Norddeutschland in Betrieb. Eine Anlage, die Kerosin unter anderem für Lufthansa herstellt. Von dort wird die Vergrößerung der Technologie weiterentwickelt.

Wieviel Tonnen Kraftstoff werden dort aktuell produziert?

Wir produzieren 350 Tonnen im Jahr. In Hamburg haben wir eine Anlage mit der gleichen Kapazität. In Frankfurt Höchst planen wir eine Anlage, die mit bis zu 3.500 Tonnen die zehnfache Kapazität haben wird. Das wären rund zehn Tonnen pro Tag, die dort künftig aus bis zu 10.000 Tonnen recyceltem CO2 im Jahr hergestellt werden.

Wie sind Sie international aufgestellt?

Unsere Anlagen verkaufen wir überwiegend in Europa. Das ist ein sehr guter Binnenmarkt, der auch regulatorisch und rechtlich gut handelbar ist. Aber wir implementieren unsere Anlagen auch international. Unser Sales Team beschäftigt sich mit Anfragen aus der ganzen Welt. Es geht jetzt darum, diese Technologie in Werlte, Hamburg und Frankfurt-Höchst nachzuweisen und gleichzeitig die Kontakte und Deals nach außen hin zu beschreiben und auszurollen.

Hätten Sie sich diesen Erfolg 2014, dem Gründungsjahr von Ineratec, träumen lassen?

Erträumen: Ja. Erwartet: Jein. Wir waren natürlich schon von der Idee überzeugt, aber das dann wirklich auch zu schaffen und innerhalb von sechs Jahren ein etabliertes Unternehmen mit internationalen Investoren und über 80 Mitarbeiter*innen zu werden, das war für uns zu Beginn unvorstellbar.

Gerade haben Ihnen internationale Investoren ein Wachstumskapital von 20 Millionen Euro zugesichert … eine schöne Summe.

Ja, das ist ein enormer Schub für die Entwicklung unseres Unternehmens. Denn damit können wir die Produktionskapazitäten in den Megatonnenbereich steigern. Doch hinter den 20 Millionen steckt viel mehr als nur das reine Geld. Wichtig ist: Wir haben nun weitere Partner mit internationaler Kompetenz im Boot. ENGIE ist im Energiebereich tätig und hat eine sehr starke Wasserstoff-Strategie und Zugang zu erneuerbarem CO2. Damit ist ENGIE ein perfekter Upstream-Partner. SAFRAN ist im Flugbereich aktiv. Da, wie gesagt, die Luftfahrt nicht so schnell elektrifizierbar sein wird, werden e-Fuels hier eine große Rolle spielen. MPC ist eine Gesellschaft, die sich sehr stark im Schifffahrtsbereich engagiert und damit ebenfalls ein strategisch wichtiger Partner.

Was unterscheidet Sie von anderen Firmen, die Ähnliches entwickeln?

Wir sind auf diesem Sektor das einzige Unternehmen, das die Technologie auch physisch umgesetzt hat. Wir bauen, wir betreiben und wir lernen an der Anlage und wir machen Projekte, die über den Papierstatus hinausgehen. Und zwar nicht nur eigene, sondern wir machen auch Projekte mit zahlenden Kunden, die nachweisen, dass diese e-Fuels umsetzbar sind und der Markt eine Kaufbereitschaft hat. Darauf legen wir auch in Zukunft großen Wert.

In der Gründungsphase haben Sie sich Unterstützung aus dem CyberForum geholt. Wie war der Output?

Wir haben davon stark profitiert. Was wir daraus gelernt haben: Man muss ganz früh verstehen, dass die Herausforderungen, vor denen man steht, von anderen Leuten oft schon gelöst wurden. Dann muss man schauen, wo man sich Unterstützung holen kann. Das haben wir immer aktiv gemacht. Beim CyberForum, konkret bei den EXI-Gründungsgutscheinen, war es so, dass wir erkannt haben, wie wichtig es ist, sehr früh in den Dialog mit Kunden zu treten. Als Gründungsteam hatten wir natürlich keinen blassen Schimmer, wie man ein Angebot für den Verkauf einer Anlage schreibt.

In der Gründungsberatung haben wir uns mit einem Berater darum gekümmert, wie so etwas aussehen muss. Was brauchen wir? Wo sind die entsprechenden Rechtsanwälte? Welches sind die Bestandteile eines Angebotes? Was muss ich dabei alles beachten? Es ging um grundlegendes Vertriebs-Know-how und darum, den nächsten Schritt in der Entwicklung zu machen und zu verstehen, wie man eine Firma aufbaut. Und da haben die EXI-Gründungsgutscheine und das CyberForum, bzw. dessen Netzwerk uns definitiv sehr geholfen.

Vom CyberForum als IT-Plattform profitieren wir außerdem, weil es den Gründungsstandort Karlsruhe attraktiver macht. Insofern ist das CyberForum, mit dem wir regelmäßig vernetzt sind, eine Plattform, die wir sehr schätzen.

Für jedes schnellwachsende Unternehmen ist es eine der Hauptherausforderungen, gute Leute zu haben …

Wir werden wohl im Laufe des Jahres die 100 Mitarbeiter*innen-Marke knacken. Wir suchen immer nach guten Leuten, auch aus der IT-Branche, und freuen uns sehr über gute Bewerberinnen und Bewerber.