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Im rasanten Wandel der Geschäftswelt gewinnt die Einführung agiler Strategien zunehmend an Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Objectives and Key Results (OKR) haben sich hier als zentraler Bestandteil etabliert.

Im Interview mit Vera Geier, einer zertifizierten Business Coach mit Schwerpunkt auf agiler Strategieentwicklung, erkunden wir die Zukunft von OKR im Unternehmensalltag.

Vera Geier vertritt die Ansicht, dass herkömmliche Managementkonzepte den dynamischen Herausforderungen durch neue Technologien und Geschäftsmodelle nicht mehr gewachsen sind. Mit ihren Einsichten betont sie dabei die entscheidende Rolle von Transparenz für alle Mitarbeitenden im Kontext der Unternehmensstrategie.

Wird OKR in Zukunft einen festen Platz im Unternehmensalltag einnehmen?

Aus meiner Sicht ist eine agile Strategieentwicklung, wie sie OKRs bieten, ein zentraler Bestandteil einer erfolgreichen Unternehmensführung. Ich denke, dass klassische Strategie- bzw. Managementkonzepte nicht mehr haltbar sein werden. Zu groß ist die Dynamik in Unternehmen durch neue Technologien und Geschäftsmodelle. Das erhöht den Wettbewerbsdruck enorm und Unternehmen, die es schaffen, ihre Ziele und Ergebnisse kontinuierlich (agil) anzupassen, werden erfolgreich sein.

Die Zeiten jährlicher Zielvereinbarungen sind vorbei. Hinzu kommt, dass Mitarbeitende verstehen wollen, warum welche Strategien verfolgt werden, auf welche Ziele hingearbeitet wird und warum die eigene Arbeit wichtig ist. Das schafft Verbundenheit, mit dem Team, der Organisation und der gemeinsamen Sache. Besonders überzeugen mich in diesem Zusammenhang die von Daniel Pink in seinem Buch „Drive“ beschriebenen Treiber für intrinsische Motivation: 1. Purpose: Ich verstehe wie und warum ich zum Erfolg meines Unternehmens beitrage, 2. Mastery: Wir setzen uns ambitionierte Ziele, die für mich nicht zu leicht und nicht zu schwer erreichen sind, so, dass ich daraus lerne und mich weiterentwickle, und 3. Autonomy: Wir (als Team) und ich (als Individuum) haben die Freiheit selbst zu bestimmen, wie wir unsere Ziele erreichen. Im OKR-Kontext bedeutet das, welche Ergebnisse wir erreichen und messen wollen. Ich finde, dass das OKR-Konzept diese Bedürfnisse von Individuen und Teams sehr gut erfüllt.

Was sind die Gründe für die steigende Akzeptanz von OKR in Unternehmen?

Mit Objectives & Key Results (OKR) die Ziele des Unternehmens zu bearbeiten, schafft Transparenz für alle Mitarbeitenden – und stellt die strategische Ausrichtung strukturiert und kontinuierlich auf den Prüfstand. Dabei wird die konsequente Ergebnisorientierung unterstützt, so dass Organisationen sehr viel schneller merken, wenn Themen oder Ziele angepasst werden müssen und damit auf die hohe Dynamik im Markt reagieren können. Ganz nebenbei wird ein Veränderungsprozess in zu mehr Agilität im Unternehmen angestoßen. Es profitiert von mehr Transparenz und einer besseren abteilungsübergreifenden Kommunikation sowie der Förderung von Empathie und Teamgeist.

Welche aktuellen Trends prägen die Entwicklung von OKR-Methoden?

Ich kenne keine aktuellen Trends, die sich auf jedes Unternehmen übertragen lassen, denn jede OKR-Einführung ist auf die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens anzupassen. Es gibt also keine Geheimwaffe und schon gar keine schnellen Erfolge nach dem Gießkannenprinzip. Aus meiner Arbeit mit Unternehmen kann ich aber sagen, dass OKRs in kleinen und kleineren mittelständischen Unternehmen natürlich leichter zu etablieren sind als in Großunternehmen. Ich beobachte, dass die quartalsweise Neuplanung von OKRs eher bei kleineren Unternehmen Zuspruch findet, während größere Unternehmen an ihren Jahreszielen festhalten, diese dann aber mit Hilfe der OKR-Methodik auf Quartale herunterbrechen und priorisieren. Beide Wege sind erfolgreich, sofern die OKR-Implementierung mit Disziplin, Partizipation und Zustimmung auf allen Ebenen erfolgt.

Welche neuen Herausforderungen oder Chancen erwarten Sie im Zusammenhang mit der Implementierung von OKRs in Unternehmen?

Die häufigsten Schwierigkeiten, die ich im Rahmen meiner Arbeit als OKR-Coach oder Beraterin beobachte sind 1. fehlende Zustimmung im Management, 2. der agile Reifegrad der Organisation wird nicht berücksichtigt, z.B. können die Mitarbeitenden mit der Selbstverantwortung, die das Konzept bietet, nicht umgehen, 3. mangelnde Disziplin und kein Fokus auf der TOP Management Ebene (warum nicht die OKR Einführung in die Vision/Mission integrieren?), und 4. – ganz wichtig: strategische Ziele werden nicht gut von operativen Zielen abgegrenzt, 5. OKRs werden nicht partizipativ in Workshops entwickelt, sondern von Einzelpersonen, die sie dann präsentieren. Ich breche hier mal ab, denn mir fallen noch sehr viele weitere Herausforderungen ein. Dennoch überwiegen die Chancen – und, wie schon in der ersten Frage angedeutet, bin ich überzeugt, dass Unternehmen der Zukunft nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie mehr Partizipation und Selbstverantwortung der Teams und Individuen fördern.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von OKR sind daher: 1. Förderung der Selbstorganisation, und der intrinsischen Motivation von Mitarbeitenden (Zustimmung zu gemeinsamen Zielen), verbunden mit einer höheren Arbeitszufriedenheit, weniger Ausfallzeiten und einer stärkeren an das Unternehmen, 2. Fokussierung auf schnellere und bessere Ergebnisse und damit auch eine Verbesserung des Reportings, verbunden mit einem besseren Verständnis für Chancen und Risiken.

Wie können sich Unternehmen auf künftige OKR-Entwicklungen vorbereiten?

Gemeint ist vermutlich eine zukünftige Einführung von OKR – hier würde ich immer eine sogenannte Scoping-Phase voranstellen, die es ermöglicht zu schauen, was der beste Implementierungsansatz für das jeweilige Unternehmen wäre. Hilfreich ist es auch, Mitarbeitende zu schulen, die dann als OKR-Coaches die Teams bei den ersten Zyklen begleiten/moderieren können.

Wie beeinflusst Künstliche Intelligenz die Entwicklung von OKRs?

Ich selbst habe keine Erfahrung, wie KI-gestützte Tools und Algorithmen dabei helfen könnten, OKRs effektiver zu setzen, Fortschritte zu messen und die Zielerreichung zu optimieren.  Bei Gründer.de sind einige Faktoren aufgelistet: z.B. könnte Chat GPT bei der Formulierung von OKRs helfen, allerdings müsste man dafür Firmendaten preisgeben, damit organisationsspezifische OKRs formuliert werden können – und das sehe ich kritisch. Wichtiger noch: Die Ausarbeitung von OKRs ist ein kollaborativer, kreativer, organisationsspezifischer Prozess, der aus meiner Sicht nicht von einer KI abgedeckt werden kann und sollte!

Inwiefern werden Remote-Arbeit oder Hybrid-Arbeitsmodelle die Umsetzung von OKRs beeinflussen und welche Anpassungen sind erforderlich?

Aus meiner Sicht spielt es überhaupt keine Rolle, ob sich ein Team zur OKR-Planung oder Review im Büro, virtuell oder im Hybrid-Format trifft. Wichtig ist nur, dass es eine gute kollaborative Umgebung vorfindet und am partizipativ und kreativ durch den Workshop moderiert wird, so dass alle mitwirken können. Ich arbeite sehr viel mit Teams auf virtuellen Whiteboards und nutze klassische Design-Thinking-Methoden, um Mitarbeitende auch strategisch kreativ werden zu lassen. Strategisches Arbeiten ist für viele Menschen ungewohnt und eine große Herausforderung. Ich finde, es sollte Spaß machen strategisch zu arbeiten und das Team sollte befähigt werden, Themen auch wirklich strategisch zu durchdringen.

Wie wirkt sich die ständige Weiterbildung im Bereich der OKR auf die Entwicklung einer Organisation aus?

Ich würde es nicht als ständige Weiterbildung bezeichnen, sondern eher als „learning by doing“. Mit jedem OKR-Zyklus lernen Teams strategischer zu denken, besser zu formulieren, agiler zusammenzuarbeiten, Verantwortung für die eigenen Ergebnisse zu übernehmen und den strategischen Gesamtzusammenhang besser zu verstehen. Klassische Weiterbildung, wie z.B. ein OKR-Online-Training (so bequem es auch sein mag) kann dies nicht leisten.

Inwiefern spielen soziale und organisatorische Aspekte bei der Entwicklung und Umsetzung von OKR eine Rolle, insbesondere im Hinblick auf Teamzusammenarbeit, Führung und Mitarbeiterengagement?

Der Einsatz von OKR ist aus meiner Sicht nur dann erfolgreich, wenn sich strategische (Vision/Mission, Leitbild, Ziele und Ergebnisse) und kulturelle (Werte & Prinzipien der Zusammenarbeit) Veränderungen die Waage halten. Letztlich kann jedes Team beginnen, nach dem OKR-Konzept zu arbeiten und damit die Teamzusammenarbeit verbessern – selbst wenn anderen Bereiche nicht mit OKRs arbeiten. Das Team wird automatisch im Sinne der agilen Werte handeln: Mut, Offenheit, Selbstverpflichtung, Fokus und Respekt werden immer wichtiger und damit verändert sich automatisch die Zusammenarbeit und das Führungsverständnis.

 

Mit der Qualifizierung zum OKR-Coach an der CyberForum Akademie kann man gezielt die Methode der Strategieentwicklung, OKR, im Unternehmen einsetzen. Hier findest du weitere Informationen zum Workshop.