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Wenn Korallenriffe sterben, liegt das zu einem Großteil am Rückgang der Fischpopulation. Denn einige Fischarten sind für die Aufrechterhaltung der Prozesse in einem Korallenriff-Ökosystem überlebenswichtig. Um zu prüfen, in welchem Zustand ein Korallenriff ist, werten Unterwasserkameras Daten über Fischpopulationen aus. Wie gut die Daten sind, hängt ganz entscheidend von der Schnittstelle ab.

PCB Arts entwickelt sich gerade vom klassischen Ingenieursgeschäft zum gefragten Spezialisten, wenn es darum geht, optimale Schnittstellen für die Industrieproduktion zu entwickeln. Mit Hardware und der dazugehörigen Management-Cloud unterstützt das Team aus dem CyberLab Accelerator unter anderem bei der Wiederaufforstung von Korallenriffen auf den Malediven. 

Ariane Lindemann im Gespräch mit Geschäftsführer Saber Kaygusuz. 

Ihr habt vor sechs Jahren mit fahrbaren Getränkerobotern angefangen ….

Ja, unser erstes Startup hieß Sbotlight. Wir haben fahrbare Getränkeroboter entwickelt, die man für Events mieten konnte. Unser Ziel war damals, Robotik unter die Menschen zu bringen. Leider ohne Erfolg.

Klingt cool. Warum floppte es?

Unser Businessmodell funktionierte nicht. Wir waren damals ein Team von sechs Leuten und mussten bitter erfahren, dass es finanziell einfach nicht hinhaut. Unser Team ist dann von sechs Leuten auf drei geschrumpft – Alexander Brehl, Lukas Henkel und ich. Wie es der Zufall wollte, waren die beiden Kollegen Hardware-Entwickler und ich Software-Entwickler. Was sich später als perfektes Match herausstellte. Damals hatten wir allerdings noch keinen Plan, wo die Reise hingeht. Grobes Ziel war, anderen Ingenieuren zu helfen, ihre Entwicklungsidee zu beschleunigen.

Ein guter Schachzug war, erst mal mit dem klassischen Ingenieursgeschäft zu starten … 

Ja, da konnten wir mit unseren Skillsets nahtlos aufsetzen. Wir waren in der Lage, Miete zu bezahlen und Ausrüstung für die Elektronik zu beschaffen, um dann irgendwann ein Produkt zu entwickeln. Neben unseren Hauptjobs – meine Kollegen bei Semikron und ich bei der Telekom – haben wir in der Hülle von Sbotlight als Kapitalgesellschaft das neue Unternehmen PCB Arts aufgebaut.

Ist euer Kalkül aufgegangen?

Absolut, denn wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass wir viele Anfragen aus einer ähnlichen Richtung bekommen. Und zwar in Verbindung mit Produkten von Nvidia Jetson. Das sind Raspberry Pis mit extrem viel Grafik-Power. Was die Kunden brauchten, waren verschiedene Schnittstellen – diese waren immer kundenspezifisch. Jedoch haben wir gemerkt, dass es immer wieder ein Pool von gleichen Schnittstellen war. Aus diesen Erkenntnissen heraus haben wir uns für die Entwicklung von modularen Schnittstellen entschieden. Also ein Kernprodukt für unterschiedliche Anforderungen. Denn ein großes Problem bei der Softwareentwicklung ist immer die Hardware. Da wir sehr viel Erfahrung in diesem Feld haben, war die Idee naheliegend, eine Art Legobaukastensystem für Elektronik im Bereich Nvidia Jetson zu bauen – so entstand das „EdgeKit“.

Das heißt, produzierende Industrieunternehmen haben mit eurem Produkt ein großes Problem weniger?

Auf jeden Fall. Denn wir haben die Supplychain komplett bei uns gebündelt. Eine Softwarecompany oder ein großes produzierendes Industriegewerbe muss sich in dem ohnehin ressourcenaufwendigen Entwicklungsprozess nicht auch noch um die Beschaffung von Elektronikbauteilen kümmern. Sämtliche Schnittstellen des Geräts können mit einem Online-Konfigurator an- oder abgewählt werden. Je nachdem, was der Kunde haben will, zahlt er weniger oder mehr für seinen Einsatz.

Welche Art von Industriekunden sind für euch besonders interessant? 

Wir arbeiten in erster Linie mit Industriekunden zusammen, die Machine Vision einsetzen. Das heißt, überall, wo eine Kamera Daten live analysiert.

Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?

Nehmen wir die Schraubenproduktion. Man kann davon ausgehen, dass geschätzt jede 1.000. Schraube einen Defekt hat. Verbindet man den Prozess mit einer Kamera, schaut sich diese jede einzelne Schraube, die über das Fließband läuft, ganz genau an und entscheidet innerhalb von Millisekunden, die defekte Schraube vom Fließband zu nehmen.

Ihr seid international unterwegs … 

Wir haben mittlerweile 15 Kunden in der DACH-Region, aber auch ein paar Ausreißer, zum Beispiel auf den Malediven, dort wird ein Case unterstützt, wo Unterwasserkameras für den Korallenwiederaufbau eingesetzt werden.

Ein spannender Anwendungsfall, wo ihr mit eurem Produkt unterstützt, ist die Rettung von Korallenriffen …

Wir haben eine Kooperation mit dem Schweizer Unternehmen streamocean.io, die durch kontinuierliches Monitoring Projekte zur Wiederaufforstung von Korallenriffen ermöglichen. Unterwasserkameras prüfen in zehn Metern Tiefe die Gesundheit des Riffes bzw. die Fischpopulationen. Deshalb muss genau da, wo die Kamera steht, bereits die Zählung stattfinden. Das heißt, man braucht an der Stelle ein leistungsfähiges und gleichzeitig stromsparendes Rechenzentrum. Das lösen wir mit unserem Produkt. Je nach Datenlage kann dann entschieden werden, ob und wenn ja, welche Maßnahmen zur Erhaltung des Riffs ergriffen werden müssen.

Seit Januar kann man euer Produkt kaufen. Jetzt kommt das Marketing. Wie geht ihr das an? 

Wir haben zwar viel Elektronik- und Projekt-Erfahrung, aber wir konnten noch nicht so viel Erfahrung sammeln, was das Produkt angeht und wie man es auf den Markt bringt. Hier gibt es viele offene Fragen, auch was Marketing und Sales anbelangt. Wie läuft eine Kaltakquise normalerweise ab? Wie kann man gute Marketingkanäle nutzen, um wirklich an Industriekunden im B2B-Bereich zu kommen? Deshalb haben wir beim CyberLab Accelerator in Karlsruhe angeheuert. Hier profitieren wir von einem Mentor, dessen Background perfekt ist für unseren Business. Außerdem können wir den Netzwerk-Effekt, der der Erfahrung, Größe und Bekanntheit des CyberLab geschuldet ist, gut mitnutzen und bei uns im Unternehmen davon profitieren.

„Außerdem können wir den Netzwerk-Effekt, der der Erfahrung, Größe und Bekanntheit des CyberLab geschuldet ist, gut mitnutzen und bei uns im Unternehmen davon profitieren.“

Skaliert ihr über den Umsatz oder bietet ihr einen weiteren Service an? 

Wir verkaufen zum einen ganz klassisch unsere Hardware. Aber weil wir Geräte verkaufen, die irgendwo im Feld hundertfach eingesetzt werden, liegt es nahe, auch eine Management-Cloud beziehungsweise ein Flottenmanagement für sämtliche Geräte mitanzubieten. Denn man muss regelmäßig Software updaten und prüfen, ob die Geräte gesund sind. Wir sprechen ja immer noch von Elektronik – und die fällt normalerweise immer irgendwann aus. Das alles zu überwachen, ist unser Beiprodukt, das wir gerade entwickeln und das auch den klassischen Software-Startup-Ansatz hat.

Gibt es einen ernstzunehmenden Wettbewerb? 

Zu Beginn waren wir mit dem modularen Konzept noch allein. Mittlerweile gibt es zwei Konkurrenzunternehmen, die etwas Ähnliches machen. Die maßgeschneiderte Lösung, gebunden an die Entwicklung, wie wir sie anbieten, ist allerdings momentan einzigartig.

Habt ihr da gemischte Gefühle? 

Eigentlich nicht. Es ist sehr interessant zu sehen, dass es dieses modulare System, abgekoppelt von der Entwicklung auch von einer anderen Firma gibt. Natürlich kämpft man auch um die Kunden. Aber das ist im Prinzip ganz normaler Wettbewerb. Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir haben da auch viel Positives rausgezogen, weil man von der Konkurrenz auch viel lernen kann. Und umgekehrt. So hat man auch die Chance, das beste Produkt auf den Markt zu bringen. Wenn man allein ist auf dem Markt, dann ist man nicht mehr so innovativ getrieben.