Blockchain gilt als Technologie der Zukunft. Und zwar längst nicht nur für Kryptowährung. Auch für viele andere Bereiche unseres Alltags wird sie ein Gamechanger sein. Noch fehlt es allerdings an Vertrauen. Nicht in die Technik, sondern in die Umsetzung. Zu wenig Sicherheit und Nutzerunfreundlichkeit schaden dem Image. ONINO will das ändern und plant eine eigene Blockchain. Damit könnte eine fundamentale Änderung in Gang kommen.
Ariane Lindemann spricht mit Alexandre Lehr, der gemeinsam mit Kai Firschau und Lukas Wipf während Corona mit ONINO durchgestartet ist. Mittlerweile hat das Team mehr als 7.000 Communitymember.
Ist die Blockchain die Technologie der Zukunft oder immer noch digitaler Wilder Westen?
Beides. Die Blockchain ist nicht mehr wegzudenken, wenn es darum geht, wie wir in Zukunft Geschäfte abwickeln. Als dezentrale Datenquelle verändert sie unsere Datenstrukturen im Internet. Allerdings ist die Blockchain in weiten Teilen noch ziemlich unkontrollierbar. Es gibt noch zu viele Schwachstellen, vor allem in Hinblick auf die Nutzerfreundlichkeit.
Mal ehrlich: Die Blockchain ist imagemäßig immer noch zwischen normalem Internet und Darknet angesiedelt. Was braucht es, damit das Vertrauen wächst?
Die Blockchain-Technik an sich ist genial. Allerdings ist die aktuelle Implementierung der Technik noch nicht vielversprechend. Was aktuell daraus gemacht wird, steckt noch sehr in den Kinderschuhen. Die Blockchain ist weitestgehend unreguliert. Dadurch sind die Sicherheit der Nutzer und auch das Image stark negativ behaftet. Es gibt dort viel Kriminalität, vieles ist für den schnellen Profit gedacht, ohne echten Mehrwert. Sehr viel wurde in der Nische für die Nische produziert.
Was läuft in der Blockchain so fundamental anders?
Ein zentraler Punkt ist der Umgang mit Daten und Datenschutz. Die Blockchain ist eine neue Art, Daten zu speichern. Fundamental anders ist, dass Daten nicht mehr auf Festplatten beziehungsweise Servern abgebildet werden. Damit sind, um Transaktionen durchzuführen, keine verbindende Autoritätsinstanzen mehr nötig. Wenn du bisher jemandem Geld schicken möchtest, geht das immer über eine Bank. Die Blockchain ersetzt mit Smart Contracts – das sind automatisierte Verträge, die auf der Blockchain liegen – technisch den Mittelsmann, in dem Fall die Bank. Alle Transaktionen werden Peer-to-Peer abgewickelt.
Das betrifft nicht nur den Kryptobereich …
Nein, genau genommen betrifft das alle Ämter oder zentrale Server, auf denen nicht öffentliche Daten liegen. Eine der heutigen Hauptanwendungen neben Krypto ist es, Transparenz für Lieferketten zu schaffen – das gilt für nahezu alle Industriesektoren.
Ihr wollt das Ding jetzt raus aus der Nische bringen …
Da es vor allem in der Welt von Kryptowährungen ziemlich viel Nutzerunfreundlichkeit und Unsicherheit gibt, wollen wir in einem ersten Schritt Anwendungen für aktuelle Kryptonutzer schaffen, die das Agieren in der Blockchain sicherer machen und gleichzeitig einfacher.
Wo liegt genau das Sicherheitsproblem?
Jede Woche lesen wir in den Medien, dass Betrüger wieder einmal ahnungslose Nutzer um riesige Summen betrogen haben. Kriminelle haben vor allem deshalb oft ein leichtes Spiel, weil es sich immer um kryptische Adressen handelt, die nur aus Zahlen und Buchstaben bestehen. Der Nutzer kann nicht sehen, ob es sich um eine echte oder gefälschte Adresse handelt.
Was bietet ONINO hier als Lösung an?
Zusammen mit einer Vielzahl von Partnern, Blockchain-Projekten und Börsen bis hin zu Diensten, die Krypto als Zahlungsmethode akzeptieren, bauen wir mit Onify eine Datenbank mit verifizierten offiziellen Wallets und Smart Contracts auf. Unternehmen können ihren Nutzern dadurch viel mehr Sicherheit bei der Interaktion mit ihrem Dienst geben. Das bedeutet: endlich mehr Sicherheit beim Navigieren im Blockchain-Raum.
Ein zweites ONINO-Produkt ist ein Kontaktbuch. Warum ist das wichtig?
Momentan sind Krypto-Transaktionen noch extrem umständlich und können nicht annähernd mit der nahtlosen Benutzererfahrung moderner Web2-Online-Banking- oder Zahlungsdienstleister konkurrieren. Benutzer haben keinen zentralen Ort, an dem sie alle Adressen, mit denen sie interagieren, einfach speichern können. Das Kontaktbuch wurde von uns entwickelt, um genau diese Usability-Probleme anzugehen und die Massenakzeptanz von Web3 voranzutreiben. Hier können Wallet-Adressen, IBANs, Bilder, Nachrichten etc. hinterlegt und Transaktionen direkt initiiert werden. Bisher musste man solche Adressen per Copy&Paste irgendwo speichern und relativ kompliziert damit interagieren.
Wenn man davon ausgeht, dass Benutzer Konten haben, die über mehrere Blockchains verteilt sind – wie kann man da den Überblick bewahren?
Da Nutzer in der Regel Konten sowohl über dezentralisierte, nicht verwahrte Wallets als auch über zentralisierte Börsen haben, ist es schwierig bis unmöglich, den Überblick über alle eigenen Wallets, die darauf verteilten Blockchain-Assets und deren Wertentwicklung zu behalten. Um Ihre Web3-Aktivitäten im Auge zu behalten, müssen sie ihre Transaktionen manuell überprüfen und sie aggregieren verschiedene Wallets und Börsenkonten. Hier haben wir ein Dashboard entwickelt, eine Art Management-Zentrale, die all diese Usability-Probleme löst und Klarheit in den verwirrenden Prozess der Verwaltung der Krypto-Assets bringt.
Der große Moonshot kommt aber erst noch …
Eine Vision, die für die Zukunft deutlich interessanter ist, das ist unser eigenes dezentrales Netzwerk, also eine eigene Blockchain, die wir Onigraph nennen. Hier kombinieren wir die heutige Blockchain-Technik mit der DAG-Technik. Denn wir glauben, dass die Zukunft nicht in einem Netzwerk läuft, sondern in mehreren Netzwerken.
Was können aktuelle Blockchains noch nicht abbilden?
Aktuelle Blockchains skalieren negativ. Das heißt, je mehr man darüber laufen lassen möchte, desto langsamer werden sie. Zweitens sind aktuelle Blockchains komplett transparent. Das heißt, jeder kann in jeden dieser Blöcke reinschauen. Wenn Unternehmensgeheimnisse auf Blockchains abgelegt werden, macht das natürlich keinen Sinn. Der dritte Punkt ist: Aktuelle Blockchains ermöglichen es nicht, Identitäten abzubilden. Bald werden Regularien kommen, die sagen, jede Transaktion über 1.000 Dollar muss mit einer echten Person verknüpft sein – dafür gibt es heute noch gar kein technisches Framework. Diese drei Themen wollen wir mit Onigraph revolutionieren.
Aber das ist kein Ding, was morgen rauskommt, oder?
Nein, das Projekt ist langfristig angelegt. Wir gehen von einer Entwicklungszeit von rund zwei Jahren aus. Wir sprechen hier von Geschwindigkeiten und Möglichkeiten, die heutige Blockchains und andere Netzwerke bei weitem übertreffen.
Wie ist da die rechtliche Lage? Banktransaktionen sind ja auch Belege für das Finanzamt …
Das ist eben gerade das Interessante. Eigentlich ist das tausend Mal einfacher, weil ja Blockchains transparent sind, also jeder alles einsehen kann. Allerdings ist die Realität nicht ganz so einfach, wie es sein könnte. Zwar ist die Technik prädestiniert dafür, andererseits ist es aber so, dass die Finanzämter und generell die Regulatorien noch nicht so weit sind, dass sie das erkannt haben. Aktuell wird es sogar leider eher in die kriminelle Ecke geschoben. Finanzämter haben sogar offiziell herausgegeben, jedes Unternehmen, das mit Krypto agiert, ist unter Generalverdacht zu stellen. Es gibt eben sehr viele Kriminelle, die komplett an jeglichen Ämtern und Gesetzen vorbei agieren und das funktioniert ja auch relativ einfach, weil die Finanzämter eben nicht die notwendige technische Grundlage haben.
Werdet ihr da auch in eine kriminelle Ecke geschoben?
Sagen wir mal so: Wir haben sehr viele hohe Anwalts- und Steuerberatungskosten, weil das Thema noch nicht etabliert ist. Wir müssen uns jetzt rechtzeitig absichern. Denn wenn es um große Summen geht, um große Investitionen in die Zukunft und wir auf Basis von heute, wo es noch keine Gesetze gibt, versuchen zu antizipieren, müssen wir jetzt schon ausloten, in welche Richtung die Gesetze gehen könnten. Das ist kompliziert und kostet wirklich viel Zeit und Kopfzerbrechen.
Wann kommen diese Gesetze?
Auch ohne Hang zum Pessimismus muss man leider sagen: Das wird wohl noch Jahre dauern und die perfekte Regulierung wird es wohl nie geben.
Die Finanzämter sind gerade dabei zu digitalisieren …
Das stimmt. Aber „digitalisieren“ heißt hier, dass man ein PDF online hochlädt und bearbeitbar macht. Das ist keine echte Digitalisierung. Wenn selbst die Digitalisierung noch nicht mal beim Finanzamt angekommen ist, die ja Anfang der 2000er gestartet wurde, dann sieht man ja, was in 20 Jahren möglich ist.
In Sachen Krypto nimmt Deutschland allerdings eine Vorreiterrolle ein.
Das ist richtig. In Deutschland ist die Besteuerung von Krypto-Erträgen so geregelt, dass wenn man Kryptowährung, mit der man Kursgewinne generiert, länger als ein Jahr hält, sie dann komplett steuerfrei ist. Unter diesem einen Jahr wird eine Pauschalversteuerung von 25 Prozent veranschlagt. Das ist sogar weltweit eine der innovativsten und simpelsten Arten, Kryptos zu besteuern. Das zeigt schon, dass Deutschland versucht, sich innovativ aufzustellen, allerdings ist das eine die Rechtsprechung und das andere, wie die Ämter damit agieren. Da ist eben dieser große Unterschied: Deutschland möchte zwar, aber kann Deutschland auch?
Womit macht ihr jetzt Geld?
Unsere drei Apps, Onify, das Kontaktbuch und das Dashboard, sind momentan noch gratis. Die Basisversion wird kostenlos bleiben, darüber hinaus wird es kostenpflichtige Premium-Features geben. Bei Onigraph wird es so sein, dass wir uns größtenteils über Transaktionsgebühren finanzieren, die im sehr geringen Cent-Bereich liegen werden, also eigentlich vernachlässigbar, aber genug, um das Netzwerk zu finanzieren.
Wir entwickeln auf Basis des Onigraph konkrete Produkte für Unternehmen. Unser erstes ist ein Zugriffsmanagement Dashboard, bei dem wir in einem simplen Dashboard die Zugänge auf Tools von Mitarbeitern und die Änderungshistorie von Zugängen und Berechtigungen darstellen. Die Informationen werden sicher auf der Blockchain gespeichert. Das führt zu deutlich mehr Übersicht, Sicherheit und Kosteneinsparungen. Im Rahmen von Pilotprojekten entwickeln wir dieses Produkt gerade mit interessierten Unternehmen und werden das Produkt längerfristig als SaaS Produkt vertreiben.
Wie wichtig ist es, die eigene Idee immer wieder zu hinterfragen?
Für den Erfolg ist das essenziell. Man ist ja meistens von seiner Idee überzeugt und lässt dann doch Wichtiges außer Acht. Man braucht Kontakte zu anderen Startups und Unternehmen. Und vor allem: Erfahrung. Denn egal, wie tief wir in unserem eigenen Thema verwurzelt sind und wie oft wir unsere Idee durchdacht haben: Lebenserfahrung ganz allgemein ist manchmal mehr wert als berufliche Expertise. Das haben wir im CyberLab Accelerator in Karlsruhe erlebt. Sie haben dort den Blick auf das große Ganze und sie haben auch vieles selbst erlebt. Oft ist es gut, wenn man mit Menschen spricht, die gewisse Fehler schon gemacht haben. Das haben uns diese Leute einfach voraus.