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Damit Feuerwehrleute nicht mehr mit Zettel und Stift hantieren müssen, um Daten rund um den Einsatz zu erfassen, hat MissionBuddies eine App entwickelt. Der Testeinsatz bei Freiwilligen Feuerwehren zeigt: Die papierlose Einsatzdokumentation erleichtert die Arbeit ungemein. Sie wird bald nicht mehr wegzudenken sein. Aber auch der gesamte Zivilschutz könnte von dieser Lösung profitieren.

Ariane Lindemann im Gespräch mit Andreas Barasicz, Dustin Keller und Pascal Steinmüller von MissionBuddies.

Einsatzkräfte vor Ort müssen einiges an Daten erfassen. Bislang machen sie das noch sehr konventionell auf Papier.

Die Realität sieht so aus: Für die Einsatzführung vor Ort wird alles auf Papier notiert und aus diesen Zetteln wird dann im Feuerwehrhaus der Einsatzbericht verfasst. Das ist leider noch ziemlich old-fashioned und ziemlich umständlich.

Hier kommt eure neue papierlose Lösung ins Spiel …

Für eine lückenlose Dokumentation haben wir eine intuitiv und mobil einsetzbare Software entwickelt. Damit werden die Informationen schon während des Einsatzes protokolliert, die Daten liegen jederzeit datenschutzsicher an einem Ort und können kollaborativ genutzt werden. Das entlastet die Einsatzkräfte. Aber es bietet auch eine Revisionssicherheit, das heißt, dass abgeschlossene Daten im Nachhinein nicht manipuliert werden können.

Wie läuft die Erfassung der Daten vor Ort im Einsatz ab?

Das Ganze basiert auf Checkboxen, also Abfragen, die während des Einsatzes per Tablet ausgefüllt werden. Darüber hinaus können auch Texte über die Spracherkennung, die Tastatur oder per Stift eingegeben werden.

Mit Pascal habt ihr einen Feuerwehrmann im Team …

Ja, ich habe mit zehn Jahren bei der Jugendfeuerwehr angefangen und bin später zu den Aktiven gewechselt. Wir haben schon vor einigen Jahren festgestellt, dass wir im operativen Einsatz draußen nichts haben, um Daten digital zu erfassen. Wenn man zum Beispiel Zeiten, Personaldaten oder auch sensible Kontaktdaten von Betroffenen oder Verursachern aufnehmen möchte, schreibt man sich das Ganze auf und steckt es sich irgendwo in die Tasche. In der Hektik vergisst man vielleicht mal das Autokennzeichen zu notieren oder Ähnliches. Zettel können verloren gehen oder unleserlich sein. Wir dachten, es wäre doch gut, wenn wir ein interaktives Tool hätten, in das wir alles eintragen können, das mitdenkt und dich auch daran erinnert, wenn du etwas vergessen hast oder wenn etwas unplausibel ist.

Du bist Entwickler und hast daraus eine Tablet App entwickelt.

Ja. Und das Interessante war: Wir hatten die App dann immer bei unseren Einsätzen mit dabei und sie kam bei den anderen Feuerwehren richtig gut an. Die wollten das dann auch haben. Also warum das Ganze nicht geschäftlich aufziehen? Aber allein hätte ich das nicht geschafft, denn BWL ist nicht so meins. So habe ich mir am Anfang Andreas dazu geholt. Er hat BWL studiert und einige Monate später kam Dustin dazu, er ist Wirtschaftsingenieur und bringt viel Erfahrung in der Projektleitung mit. Über Marktanalysen und durch sehr viele Recherchen haben wir festgestellt, dass wir damit eine Lücke in der Systemlandschaft schließen und den Bedarf, den es aktuell bei Feuerwehren gibt, auch decken können.

Man sollte meinen, dass es bei der Feuerwehr digitaler zugeht …

Bisher war das noch ganz okay, wenn auch nicht optimal, alles aufzuschreiben. Durch die erhöhten Anforderungen reicht das aber nicht mehr. Das merken jetzt auch zunehmend die kleinen Feuerwehren. Von Versicherungen oder von Gemeinden kommen immer mehr Rückfragen zum Einsatz. Dabei darf man nicht vergessen: Wir haben rund 97 Prozent ehrenamtliche Feuerwehrleute in Deutschland. Sie machen das alle in ihrer Freizeit. Bei uns klingelt nachts um zwei der Melder, genauso wie jetzt vielleicht während des Interviews. Diesen Leuten wieder ein bisschen von ihrer Zeit zurückzugeben, indem man sie da unterstützt, das ist unser Ziel.

Der Job muss ja noch Spaß machen …

Das ist der Punkt. Ein hoher Verwaltungsaufwand ist ja nicht wirklich sexy … Die Feuerwehrleute machen ihre Arbeit gerne, die meisten aus einer Berufung heraus. Wenn sie viel Zeit mit Administration verbringen müssen, haben sie immer weniger Lust drauf. Die Feuerwehr hat jetzt schon Nachwuchssorgen. Man geht davon aus, dass bis 2025 ein Viertel weniger Einsatzkräfte nachkommen. Da macht es schon Sinn, die lästige Verwaltungsarbeit zu reduzieren. Außerdem: Die Generation, die nachkommt, das sind Digital-Natives. Mit Stift und Papier braucht man denen gar nicht erst kommen.

Die App ist zurzeit bei 15 Testpartnern im Einsatz. Sind sie zufrieden?

Ja, das Feedback ist sehr gut. Wobei wir die Benutzeroberfläche noch weiter vereinfachen wollen. Feuerwehrleute sind nicht unbedingt per se digital affin, manche haben bislang kaum Berührungspunkte mit Tablet Apps, außer im privaten Bereich. Auch die sollen aber die App verwenden können. Das heißt, es muss für jeden supereasy sein.

Sind die Berufsfeuerwehren da schon weiter?

Wir haben in Gesprächen mit Berufsfeuerwehren herausgefunden, dass sie zwar schon Lösungen haben, was Leitstellen oder Verwaltung angeht, diese sind aber komplexer, teurer und sehr schulungsintensiv. Aber im operativen Einsatz gibt es auch hier keine optimale Lösung. Auch hier gilt noch: Stift und Papier.

Wie groß ist der Wettbewerb?

Es gibt Ansätze anderer Softwarefirmen, aber das, was wir das machen, mit den automatisierten Prozessen und der durchdachten Einfachheit ist bislang einzigartig.

Sehr viel macht bei uns das Geschäftsmodell aus. Das Produkt an sich ist kein Geheimnis. Was uns aber einzigartig macht ist, dass wir sehr nah an den Feuerwehren sind und mit ihnen gemeinsam entwickeln. Wir versuchen, das Tool so gut wie nur irgend möglich an ihre Bedürfnisse anpassen.

Wie stehen die Kommunen dazu, die ja die Freiwilligen Feuerwehren finanzieren? 

Unser Produkt ist so gedacht, dass die Kommandanten unabhängig entscheiden sollen, ob sie die Lösung wollen oder nicht. Sie müssen nicht bei der Gemeinde fragen. Wenn sie sich dafür entscheiden, geht die Gemeinde in der Regel da auch mit.

Wie sprecht ihr andere Feuerwehren an?

In der Testphase haben wir Kaltakquise gemacht und gemerkt, dass viele so etwas schon gesucht haben. Neben Onlinemarketing läuft bei uns vieles über Empfehlungsmarketing. Das spricht sich einfach herum, denn die Feuerwehren sind ja Vereinigungen mit einer hohen Kameradschaft, das macht wahrscheinlich schnell die Runde.

Müsste nicht die Politik mitaufspringen? Schließlich handelt es sich um Government Technologie, von der ja auch die Gesellschaft profitiert …

Wir sind gerade dabei, den Kontakt zur Politik zu suchen. Wir wollen mit Parteipolitikern, Landkreisen, Ministerien und auch Förderinstitutionen sprechen, die Interesse daran haben, dass das alles besser funktioniert. Denn nicht nur die Feuerwehren, sondern der komplette Zivilschutz in Deutschland hat Bedarf an funktionierenden modernen Lösungen.

Das heißt, die App könnte man auf den kompletten Zivilschutz adaptieren?

Definitiv. Wir entwickeln die digitale Führungsassistenz für jeden Einsatz. Mit einfacher Einsatzführung und schnellerer Dokumentation möchten wir den Fokus der Einsatzkräfte auf den eigentlichen Einsatz zurückführen. Wir sind bereits in Kontakt mit zwei Rettungshundestaffeln in Baden-Württemberg und Sachsen, die auch Interesse haben. Die Hunde müssen beim Absuchen von größerem Gelände getrackt werden, damit die Einsatzleiter wissen, wo sie sind. Dafür könnte man unsere App super verwenden. Aber es gibt auch noch andere Bereiche, wie zum Beispiel die Bergrettung oder das DLRG oder einige Regionalstellen vom THW, die bereits Interesse bekundet haben.

Das klingt nach einem großen Ding.

Unsere große Vision ist, den gesamten BOS-Bereich, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, also den ganzen Zivilschutzbereich in Deutschland zu digitalisieren und zu modernisieren.

Und wenn diese Nische dann bedient ist?

Dann wollen wir internationalisieren, das heißt zunächst in der DACH-Region, wo die Organisation ähnlich ist. Aber wir haben auch schon Kontakte in den Zivilbereich, weil auch dort Einsätze geführt werden. Zum Beispiel Monteureinsätze, Technikereinsätze, oder Einsätze bei Großveranstaltungen mit Echtzeitvernetzung.

Der Bedarf ist da. Dennoch stehen auch Themen wie Marketing, Vertrieb und Finanzierung an …

Auch wenn der gesellschaftliche Bedarf vorhanden ist, müssen wir schauen, wie wir Marketing und Personalkosten finanziert kriegen. Tatsächlich hat uns hier der CyberLab Accelerator noch mal einen großen Push verliehen, wie wir diese Themen effektiv angehen können. Durch das Feedback der Mentoren, die Gespräche mit den Startup-Consultants und dem Netzwerk, das hinter dem CyberLab steht. Was wir wunderbar fanden, war der Austausch mit den anderen Startups. Wenn man gründet, gibt es viele Leute im Umfeld, die einen festen Job haben, und selbst wenn die einen unterstützen, ist das noch mal ein ganz anderes Level, sich im CyberLab über die Vorgehensweise und die Abläufe in einem Startup auszutauschen. Hier war die Bandbreite der Teams riesig: Von „bereits eine Finanzierung gesichert“ bis „noch im Ideenstadium“ – das war superspannend.