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Die Digitalisierung ist besonders in der Medizin ein aktuelles Thema. So bringt sie in vielerlei Bereichen Vorteile: von digitalen Labordaten bis hin zu neuen Möglichkeiten in der Telemedizin, ist heute schon vieles möglich. Nicht unberührt von diesen Entwicklungen bleibt die Pharmabranche.

„Digitalisierung ist gerade für die Pharmabranche ein brandaktuelles Thema, allerdings steckt die Entwicklung noch absolut in den Kinderschuhen“, sagt GoSilico-COO Teresa Baumann. Dies liegt, laut der Gründerin, hauptsächlich an den strengen behördlichen Anforderungen, denen die Branche unterliegt und den entsprechend konservativen Strukturen. Auch die lange und forschungsintensive Entwicklungsphase neuer Medikamente trägt dazu bei: von der Entdeckung eines Wirkstoffs bis zur Markzulassung vergehen durchschnittlich über zehn Jahre.

Der potenziell neue Wirkstoff durchläuft dabei mehrere klinische Phasen, bis er letztendlich zugelassen werden kann. Doch nicht nur der Wirkstoff muss zugelassen werden. Auch der Herstellungsprozess obliegt strengen Zulassungsbeschränkungen der FDA oder EMA. Dabei muss der Pharmakonzern unter anderem sicherstellen, dass der Produktionsprozess robust gegenüber äußeren Schwankungen, wie beispielsweise Druck oder Temperatur, ist. Diese Sicherung des Herstellungsprozesses ist ebenfalls mit viel Zeit und Arbeit verbunden.

Genau hier setzt das 2016 gegründete Unternehmen GoSilico an, das mit seinem Produkt ChromX die Entwicklung von Herstellungsprozessen für Biopharmazeutika digitalisiert. Dies gelingt, wie der Name GoSilico (angelehnt an „in silico“) schon sagt, mit Hilfe von Simulationen. Diese Simulationen sollen künftig Laborexperimente ersetzen und den Herstellungsprozess auch kostengünstiger und schneller machen. Zu den Kunden des Unternehmend zählen neben Pharmaunternehmen auch Zulieferer für Laborausstattung.

Done is better than perfect: gründen direkt nach der Promotion

Der Idee zur GoSilico-Technologie entstand bereits 2012: Während Ihrer Promotion in der interdisziplinären Arbeitsgruppe des KIT-Professors Dr. Jürgen Hubbuch entwickeln die beiden Mitgründer Tobias Hahn und Thiemo Huuk ein Simulationstool für Flüssigchromatographien. Dabei war Tobias Hahn für die Entwicklung der Software ChromX zuständig und Thiemo Huuk sorgte für die industrielle Nutzbarkeit sowie für die Laborintegration. Schon damals wurde die Software im Rahmen von Thiemo Huuks Promotion in der Industrie angewandt und dank der Zusammenarbeit mit bekannten Pharmaunternehmen auch auf Herz und Nieren getestet.

Die erste Veröffentlichung des Tools erfolgte 2014 als akademisches Release und schlug in der Forschungswelt hohe Wellen: In sehr kurzer Zeit gab es schon zahlreiche Nutzer aus über 45 Ländern und zunehmend häuften sich auch Anfragen aus der Industrie. „Da es ein Forschungstool war und die Lizenzrechte beim KIT lagen, konnten diese Anfragen nicht bedient werden“, erklärt Baumann. „Die Idee, sich nach der Promotion mit einem Startup selbstständig zu machen, verdichtete sich im Laufe der Zeit stetig.“, erinnert sich die Gründerin. Am 03. Januar 2016 ist es dann so weit: die GoSilico GmbH wird gegründet. Gleich seit der ersten Stunde mit dabei ist Teresa Baumann, die zu der Zeit gerade frisch ihre Mathematik Promotion abgeschlossen hatte und der Arbeitsgruppe sehr nahe stand.

Aber, wie ist es überhaupt so direkt nach der Promotion zu gründen? Für die Gründerin war vor allem der Paradigmenwechsel zwischen Promotion und dem eigenen Unternehmen beeindruckend: „Während der Promotion muss man ein einzelnes Thema bis zur absoluten Perfektion behandeln. Beim Gründen ist das anders, denn da muss man plötzlich Dinge sehr zügig fertig bekommen. Eben ‚done is better than perfect‘“, blickt Teresa Baumann zurück.

Arbeiten im richtigen Ökosystem: der Einzug ins CyberLab

Im Juni 2016 erfolgte dann der weitere wichtige Schritt für das junge Unternehmen: der Einzug in den IT-Accelerator CyberLab: „Wir wollten im richtigen Ökosystem arbeiten und Unterstützung finden. Deshalb haben wir uns beworben“.

Die nächste Zeit sollte nicht weniger ereignisreich werden. Highlights in dieser Zeit waren für Teresa Baumann vor allem die ersten Kunden. „Ausgerechnet an dem Tag, an dem Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde und im Büro alle niedergeschlagen waren, kam unser bis dahin größter Auftrag rein“, erinnert sich die Gründerin. Danach ging es für das Startup in Sachen Kundengewinn Schlag auf Schlag weiter. Weitere Highlights in ihrer CyberLab Zeit sind für GoSilico der gewonnene Elevator Pitch sowie der Sieg bei der Konzeptphase beim Science4Life Venture Cup 2017.

Auf weiterem Erfolgskurs

Im März 2017 führte die Reise das Unternehmen in die Karlsruher Innenstadt: GoSilico bezieht das erste eigene Büro. Die Projekte und Kunden sind seitdem nicht weniger geworden, sodass das Startup inzwischen auf zehn Mitarbeiter angewachsen ist. Ebenso gehören internationale Konferenzen zum Programm. Doch die beste Werbung ist noch immer, wenn Kunden auf Tagungen positiv ihre Erfolgsgeschichten mit der Simulationssoftware ChromX vorstellen. Denn genau hier liegen, laut Teresa Baumann, die Schwierigkeiten beim Marketing: „Wir können noch nicht klar sagen, wie viel Geld oder wie viel Zeit bei welchem Kunden eingespart wird, da wir selbst nur bedingt wissen, wie der Kunde die Software einsetzt“, erklärt Teresa Baumann.

Wo es für das Startup in den nächsten Jahren hingehen soll, das sieht Teresa Baumann allerdings klar vor sich: so ist eines der nächsten Schritte die Softwareautomatisierung voranzutreiben, damit sich diese auch vollautomatisch an Laborgeräte anschließen lässt. Ein weiteres großes Ziel ist ChromX als Standard-Tool für bei der behördlichen Zulassung von Herstellungsprozessen zu etablieren. Das Team von GoSilico arbeitet deshalb eng mit seinen Kunden zusammen, um möglichst bald einen ersten Präzedenzfall zu schaffen.