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Diese Zahlen sprechen für sich: Auf rund 6.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche geben rund 550 Exponate einen Überblick über die 30-jährige Geschichte des ZKM – Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Mit der Ausstellung „Writing the History of the Future“ hat sich das ZKM das schönste Jubiläumsgeschenk gleich selbst gemacht.

Nachdem der erste Teil der Sonderschau bereits ab Februar schon mehr als einen kleinen Vorgeschmack auf die Jubiläumsausstellung gab, können die Besucher seit Ende Juli nun auf zwei Stockwerken in den Lichthöfen 8 und 9 in die drei Jahrzehnte währende Geschichte der Sammlung des ZKM eintauchen. Und bis Ende des Jahres ist der Eintritt in die Ausstellung kostenfrei.

Videokamera vs. TV

Und der klingende Name der Ausstellung ist in diesem Fall Programm. Denn wie man in der Gegenwart die Geschichte der Zukunft schreibt, wird schon durch die seit 1967 erhältliche, tragbare Videokamera des japanischen Herstellers Sony in einer Vitrine gleich nach dem Eingang ins Museum deutlich. Dass selbstgedrehte Videos zu jener Zeit eine Rebellion gegen die Medienmacht der großen Fernsehsender waren, verdeutlicht direkt neben der klobigen Kamera das Buch „Guerilla Television“ von Michael Shamberg, dem Mitbegründer des Videofilmer-Kollektivs Raindance Foundation, sowie der Spruch „Die Menschen wurden ihr ganzes Leben lang vom Fernsehen angegriffen. Jetzt können sie zum Gegenangriff übergehen“ des südkoreanischen Videokunst-Pioniers Nam June Paik aus dem Jahr 1969 an der Museumswand.

„Heute sieht die Sache ganz anders aus. Da kann jeder Mensch mit einem Handy Aufnahmen von seiner Umgebung machen und übers Internet mit der ganzen Welt teilen“, sagt Kuratorin Margit Rosen. Wie die bewegten Bilder in den vergangenen Jahrzehnten auch die Medienkunst beeinflussten, wird dank der zahlreichen Monitore bei den einzelnen Installationen am Eingangsbereich ebenfalls schnell klar. Die bekanntesten Werke sind dabei auch die größten, nämlich Paiks „Arche Noah“, ein Holzkahn als Transportmittel für mehrere übereinandergestapelte Fernsehgeräte, und  „Tempo Liquido“ des venezianischen Künstlers Fabrizio Pessi, ein stählernes Mühlrad mit  21 sich drehenden Monitoren.

„Werke sollen zum Nachdenken anregen“

Mit der bisherigen Resonanz auf die komplettierte Ausstellung ist Rosen überaus zufrieden. „Es kommen doch sehr viele Gruppen und Familien mit Kindern ins ZKM“, sagt Rosen. Und bei der diesjährigen Karlsruhe Museumsnacht habe rund um die einzelnen Installationen teilweise ein regelrechtes Gedränge geherrscht. Wie bereits bei der Bürgerausstellung „Open Codes“ wurden auch bei „Writing the History of the Future“ wieder gemütliche Lounge-Ecken und Arbeitsplätze für digitale Nomaden eingerichtet.

Bild: ZKM l Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

„Die Leute können hier die Atmosphäre des ZKM und der Ausstellung auf sich wirken lassen und dabei eigene Ideen entwickeln“, sagt Rosen. Außerdem sei das Museum dadurch einmal mehr ein Begegnungsort für die Bürger der Stadt Karlsruhe. Experten kommen in der Ausstellung ebenso auf ihre Kosten wie Laien, betont Rosen. Und dank der spielerischen Auseinandersetzung mit zahlreichen Objekten, könnten auch jüngere Besucher problemlos in die faszinierende Welt der Medienkunst eintauchen. „Vor allem wollen wir mit den Werken zum Nachdenken anregen“, stellt Rosen klar. Denn der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird in Werken wie der „Closed Loop“ von Jake Elwes ebenso künstlerisch-kritisch hinterfragt, wie die Beobachtung und Überwachung im öffentlichen Raum. Gleich bei mehreren Installationen, unter anderem bei „Echo“ von Ira Schneider, werden die Betrachtenden mit Kameras gefilmt und dann in die Kunstwerke hineinprojiziert. Der Betrachtende wird dadurch zum Objekt, das Kunstwerk zu einem Spiegel.

Creative City of Media Arts

Fast etwas zufällig wurde die Ausstellung auch ein wichtiges Element für die Karlsruher Bewerbung als erste deutsche Stadt mit dem klangvollen Titel „UNESCO Creative City of Media Arts“. Natürlich hätten die Vorbereitungen für die Konzeption von „Writing the history of the future“ schon lange vor dem Beginn des Bewerbungsverfahren begonnen, so Rosen, aber wegen der multimedialen Aufbereitung der ZKM-Historie sei die Ausstellung dann doch eine willkommene Ergänzung für die Bewerbungsunterlagen mit Verweisen auf weitere Medienkunstprojekte wie die jährlichen Schlosslichtspiele und die „Seasons of Media Arts“ gewesen.

„Eine solch umfangreiche Medienkunstsammlung wie in Karlsruhe gibt es nur noch an sehr wenigen anderen Museen“, sagt Rosen. Wahrscheinlich könnten auf der ganzen Welt nur das Centre Pompidou in Paris, die Tate Gallery of Modern Art in London und das Museum of Modern Art in New York mit einer ähnlichen Bandbreite aufwarten.