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In einer sich stetig verändernden Geschäftswelt ist es unerlässlich, die IT zur Unterstützung der Geschäftsziele flexibel weiterzuentwickeln. Die Enterprise Architektur definiert dafür IT-Zielbilder und schafft eine Balance aus Flexibilität, Kosten-Effizienz und Komplexität. Damit diese operativ umgesetzt werden kann, bedarf es neuer Ansätze einer effektiven Software-Beschaffung.

Enterprise Architektur als Modernisierungsmotor

Auch nach über zehn Jahren Digitalisierung hat das Thema seine Relevanz in der deutschen Wirtschaft nicht verloren. Fachbereiche befinden sich weiter mitten im Aufbau neuer Prozesse und Geschäftsmodelle. Dies erhöht den Druck auf die IT-Abteilungen zur Bereitstellung passender Lösungen.

Die Enterprise Architektur (EA, auch Unternehmensarchitektur), stellt das strategische Bindeglied zwischen Fachbereich und IT dar. Ihr Ziel ist der Aufbau einer schlanken, flexiblen und kosten-effizienten IT-Landschaft, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Dabei gilt die Prämisse: Entwickle deine eigene Software in den Bereichen, in denen du deinen Umsatz generierst, und greife auf Standard-Software zurück, wo dies nicht der Fall ist.

IT-Komplexität als Hindernis für Wettbewerbsfähigkeit

So einfach sich die Arbeit formulieren lässt, so schwierig gestaltet sie sich in der Realität. Das vergangene IT-Zeitalter war geprägt von eigenentwickelten Systemen oder stark angepasster Standard-Software, insbesondere SAP ECC. Hochspezifische Geschäftsprozesse waren die Folge, welche die IT-Landschaft heute starr und komplex machen. Doch genau diese Prozesse müssen auf moderne IT-Lösungen übersetzt werden, um wieder flexibel auf Marktveränderungen reagieren zu können.

Dass sich solche hochspezifischen Prozesse schwer modernisieren lassen, zeigen zahlreiche Digitalprojekte wie beispielsweise Haribo mit SAP S/4 HANA. Das Projekt zur IT-Harmonisierung von 16 Produktionsstätten wirkte sich hier gar negativ auf den Umsatz im Jahr 2018 aus. Gleichzeitig steigt die Komplexität durch das Angebot von Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS), bei der ein Fachbereich lediglich eine Kreditkarte benötigt, um eine neue Software einzuführen. In Kombination mit der stagnierenden Modernisierung wird der Druck auf die IT zur Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit weiter erhöht.

Software-Beschaffung als Schlüssel zur erfolgreichen EA?

Es gibt zwei Möglichkeiten, ein IT-Zielbild umzusetzen. Auf der einen Seite steht die interne Entwicklung (Delivery), um bestehende Systeme weiterzuentwickeln. Auf der anderen Seite steht die Software-Beschaffung, bei der in erster Linie auf Standard-Software vom Markt zurückgegriffen wird.

In der Vergangenheit waren Unternehmen oft auf die Eigenentwicklung fokussiert. Grund hierfür waren die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Fachbereiche und ein mangelndes Angebot am Markt. Doch haben über zehn Jahre der Digitalisierung vor allem eines hervorgebracht: ein breites Angebot an Software-Lösungen über alle Branchen. So listet g2.com allein heute über 145.000 Lösungen in 2.100 Kategorien – also durchschnittlich 69 Lösungen je Kategorie.

Das Potenzial von Standard-Software ist IT-Abteilungen von jeher bekannt: bessere Fokussierung der eigenen Entwicklung, automatische Weiterentwicklung über Updates und niedrigere Kosten. Leider schaffen nur wenige Unternehmen, dieses Potenzial voll zu nutzen. Zu lange dauert die Markt-Recherche, zu unklar sind die Anforderungen und zu spezifisch werden die eigenen Geschäftsprozesse eingeschätzt. Doch gerade das breite Angebot ermöglicht einen Blick über den Tellerrand und vorherrschende Anbieter. So zeigen auch kleinere Lösungen das Potenzial, nahe an die spezifischen Anforderungen heranzukommen und die Vorteile auszunutzen.

Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Software-Auswahl

Bei der Software-Auswahl müssen viele Parteien eines Unternehmens abgestimmt werden. Der vorherrschende Ansatz ist oft noch die Erfassung eines klaren Ist- und Ziel-Prozesses als Basis für Anforderungen. In einer Welt von Plan-Build-Run – erst alles planen, dann alles entwickeln – ist das sinnvoll, doch unsere Welt ist agiler und schnelllebiger geworden.

Bis ein Geschäftsprozess heute vollständig dokumentiert und von allen Abteilungen abgenommen ist, hat die Realität ihn oft schon überholt. Weiterhin ist der Ansatz mit hohem Zeitinvestment der Fachbereiche verbunden, was sich negativ auf Motivation und Beteiligung auswirkt. Schnell tendiert ein Fachbereich dann zur erstbesten Lösung oder kostenintensiven Weiterentwicklung der Bestandssysteme. In einem Steuerungskreis hat die IT oft das Nachsehen, wenn sich der Prozess zu lange zieht.

Entscheidende Erfolgsfaktoren sind daher Zeit und Aufwand. Auswahl-Prozesse müssen schnell von der Idee zu ersten Anbietern führen und mit wenig Aufwand für die Beteiligten verbunden sein. Nur so wird die Motivation für eine hinreichende Bewertung des Marktes hochgehalten. Es ist im Eigeninteresse der EA, die entsprechende Umgebung zu schaffen und Silos zwischen Abteilungen aufzubrechen. Bereits heute gibt es eine Vielzahl an Tools, die den Software-Auswahl-Prozess durch starke Kollaboration und externe Daten, wie fertige Anforderungskataloge, unterstützen können. Die Kombination aus eigenen Anforderungen mit Daten vergleichbarer Unternehmen beschleunigt die Auswahl und ermöglicht eine fundierte und datengetriebene Kaufentscheidung.

Wesentlich ist ein schlankes Mindset und nicht direkt in einem 100%-Prozess zu denken. Insbesondere der Fachbereich soll motiviert werden, zunächst einmal Herausforderungen und Wünsche zu formulieren. Dies bietet oft schon eine gute Grundlage, um Anbieter schnell bewerten zu können. So kommen Fachbereiche schneller mit möglichen Lösungen zu ihrem Problem in Dialog und können Anforderungen oft weiter spezifizieren. Die Geschwindigkeit und Moderation des iterativen Prozesses stärken ebenfalls die Wahrnehmung der IT als Enabler beim Fachbereich.

Perspektiven für EA und Software-Beschaffung

Enterprise-Architektur ist ein Top-Thema bei CIOs und wird als Kompetenz stark nachgefragt. Oft ist die Rolle des Enterprise-Architekten aber sehr breit gefasst – von Fachprozessen bis hin zur Infrastruktur. Glücklicherweise hat der Markt bereits den Bedarf nach Unterstützung erkannt und erste intelligente und kollaborative Tools wie LeanIX hervorgebracht. Diese ermöglichen stärkere Kollaboration über Abteilungen hinweg, schaffen eine gemeinsame Basis für Informationen und befähigen Entscheidungen.

Neben einem effizient moderierten Prozess schafft insbesondere das breite Angebot am Markt auch mehr Möglichkeiten für Partnerschaften. Neben Eigenentwicklung und Software-von-der-Stange zeigen strategische Partnerschaften mit „kleineren“ Anbietern großes Potenzial für Mittelständler und Großunternehmen. Ein gutes Praxisbeispiel zeigt der Tier-Umsorger Fressnapf. Das Unternehmen ging zu einem frühen Zeitpunkt eine Partnerschaft mit enfore ein, um die Entwicklung einer neuen Omni-Channel Kassenlösung voranzutreiben. Als großem Pilotkunden war es Fressnapf möglich, die Weiterentwicklung der Standard-Software aktiv mitzugestalten, ohne dies selbst in-house zu tun. Das ist eine attraktive Alternative, um Standard-Software mit allen Vorteilen zu erwerben und trotzdem auf die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen.