Die Digitalisierung ist für manches Unternehmen ein schwieriges Unterfangen. Zu ungewiss erscheint die digitale Zukunft. Mit ihrer Studie über „Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management“ legt die BVL eine Analyse zur aktuellen Situation und möglichen Zukunftsszenarien im Wirtschaftsbereich Logistik vor. Die Kernpunkte: digitaler Unternehmenswandel inklusive der Geschäftsprozesse, Transparenz der Supply Chain sowie das Mitwirken von oben.
Die Bundesvereinigung Logistik, kurz BVL, bringt es direkt im Vorwort der Studie „Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management“ auf den Punkt: „Neues denken, Digitales leben“ – mit Blick auf die Ergebnisse der 13. Auflage der BVL-Studienreihe ein treffender Imperativ. Ob allerdings die Befehlsform ein unterstützendes Instrument für mittelständische Unternehmen beschreibt, wage ich persönlich zu bezweifeln. Warum? Zum einen ist meiner Meinung nach die Logistik als auch die Industrie bereits wesentlich weiter, zum anderen agieren mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen noch abwartend; lieber warten, bis eine fertig erprobte Lösung für den Einsatz vorliegt. Mit fehlendem Know-how hat das nicht zu tun. Immerhin schätzen 73 Prozent der Unternehmen die Chancen einer digitalen Transformation als sehr hoch ein. Speziell die Logistik müsse aus den „historischen Möglichkeiten lernen, auch um aus den immer komplexeren Warenströmen, samt der dazugehörigen Informationen, ein beherrschendes Thema der Zukunft zu machen“. Damit ist dann wohl auch die Extralogistik gemeint.
Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie ist das ein treffender Imperativ. Digitalisierung ist eben nicht die Fortführung des Status quo auf einer höheren Technologiestufe, sondern sie ist ein Game Changer.
Prof. Raimund Klinkner, der Vorstandsvorsitzende der BVL
Die Trends der industriellen Digitalisierung
• Kostendruck, Individualisierung und Komplexität bleiben auch im Zeitalter der Digitalisierung die Top-Trends, welche von extern an die Unternehmen herangetragen werden.
• Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Transparenz in der Supply Chain sind hingegen die wichtigsten Trends, die zukünftig mehr aus den Unternehmen herausgetrieben werden müssen.
• Die Bedeutung von Nachhaltigkeit hat gegenüber 2012 deutlich zugenommen.
• Bei der überwiegenden Mehrheit der Unternehmen besteht noch erhebliches Verbesserungspotenzial in Bezug auf die individuelle Anpassungsfähigkeit an bestehende Trends.
Der größte Handlungsbedarf besteht im Hinblick auf den zunehmenden Personalmangel und aufkommende Business-Analytics-Anwendungen – über 60 Prozent der Unternehmen konnten sich dahingehend bisher nicht ausreichend anpassen. Was ich persönlich an der Studie gelungen finde, ist die Herangehensweise der Verantwortlichen. So fokussiert sich die Studie auf folgende Kernfragen und nimmt sich dieser nach und nach ausführlich an:
• Welche aktuellen Trends verändern die Logistik und das Supply Chain Management in Zukunft?
• Wie gut können Unternehmen mit diesen Trends bereits heute umgehen?
• Welche Handlungsbedarfe ergeben sich daraus für Unternehmen in den Bereichen Logistik und Supply-Chain-Management?
• Welche Veränderungen in der Wertschöpfungskette werden erwartet?
Digitalisierte Wertschöpfungskette im Überblick
Im Hinblick auf die Wertschöpfungskette wird die Lieferung an den Endkunden die wichtigste Serviceleistung der Supply Chain – inklusive der noch zu teuren Retouren. Logistikziele mit höchster Priorität bleiben daher die Erfüllung von Kundenanforderungen, Lieferzuverlässigkeit (bzw. Termintreue) und niedrige Logistikkosten. Zudem führen die Veränderung der Vertriebswege in Richtung Plattformen und Portale zu kleinteiligeren und kundenindividuelleren Logistikdienstleistungen. Und natürlich spielt Big Data in der Supply Chain eine entscheidende Rolle: Der Datenbedarf in der Supply Chain wird heutzutage noch häufig nicht befriedigt, aber eine zunehmende Bereitschaft zum Teilen der Daten ist vielfach erkennbar. Die Unternehmen erwarten überwiegend, dass Bestands-, Lagerhaltungs- und Verwaltungskosten durch die Digitalisierung sinken. Der Handel erwartet jedoch hierdurch auch Kostensteigerungen bei Verpackung und Retouren. Allerdings gibt es bereits Logistik-Unternehmen, die mit der Retoure Geld verdienen.
Wann also sollten Unternehmen auf die digitale Transformation setzen? „Der späteste Zeitpunkt, um in die Digitalisierung einzusteigen, ist jetzt“, so Prof. Wolfgang Kersten von der Technischen Universität Hamburg, der das Studienprojekt geleitet hat. Dazu gilt es nach eigener Aussage, innovative Technologiekonzepte, Veränderungen der Wertschöpfungskette und veränderte Kompetenzanforderungen im Blick zu behalten und neue, angepasste Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Studie geht ausführlich auf alle vier Handlungsfelder ein und verknüpft sie mit den 15 Trends, die Strategie und Praxis der Logistik beeinflussen. Für Entscheider und Projektleiter eine Pflichtlektüre.
Bilder im Text: BVL Studie