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SDaC (Smart Design and Construction) nimmt sich der intelligenten Planung und Realisierung von Bauwerken durch Künstliche Intelligenz an. Wie das genau funktioniert, hat uns das Projekt-Team im Interview erzählt.

Erst im vergangenen Jahr gewann das Forschungskonsortium SDaC den Innovationswettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). Bei dem Projekt geht es in erster Linie darum, individuelle Assistenzsysteme zu entwickeln, die alle an einem Bauvorhaben beteiligten Unternehmen gezielt in sich wiederholenden Tätigkeiten unterstützen. Dazu greift SDaC auf vorhandene Daten zurück, ergänzt diese – und wertet sie mittels KI aus.

Aber wie muss man sich das in der Praxis vorstellen und wo liegen die größten Herausforderungen? Darüber haben wir mit Dominik Steuer, Prokurist SteuerTiefbau GmbH und wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT, und Svenja Oprach, ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin des KIT, gesprochen.

Liebe Svenja, lieber Dominik, bei SDaC geht es um die „Intelligente Planung und Realisierung von Bauwerken durch Künstliche Intelligenz“ – was muss man sich darunter vorstellen?

Mit Künstlicher Intelligenz ist es möglich, auf individuelle Probleme einzugehen. Offensichtliche Zusammenhängen können erkannt werden, ferner besteht die Möglichkeit von Analyse und Feedback in Echtzeit. Wir haben uns die Baubranche angeschaut und einzelne Anwendungsfälle identifiziert, in denen es möglich ist, Routine-Tätigkeiten durch den Einsatz von KI zu reduzieren. Im Prinzip werden existierende Datenströme intelligent aufbereitet, so dass KI-Anwendungen die beteiligten Unternehmen bei einer Vielzahl von Prozessen unterstützen – angefangen bei der Planung bis hin zur Realisierung.

Anders ausgedrückt: Es geht darum, nicht ständig dieselben Fehler auf dem Bau zu machen. Im Baugewerbe wird jedes Projekt immer wieder neu geplant. Selbst Firmen, die schon hunderte Einfamilienhäuser gebaut haben, nutzen selten Synergien oder Routinen. Das intrinsische Lernen fehlt. Wir glauben, dass man dieses Problem lösen kann, wenn man mit strukturierten Daten arbeitet. Und genau hier setzt SDaC an.

KI

Skizziert doch mal einen klassischen Ablauf bei der Arbeit mit SDaC.

Zunächst muss man wissen, dass es innerhalb von SDaC einen Store mit unterschiedlichen Applikationen gibt. Derzeit sind das beispielsweise „Vergabe“, „Terminprognose“, „Mangelprädiktion“ oder „Planungsautomatisierung“. 

Nachdem der Nutzer sich in eine der Applikationen eingeloggt hat, werden die entsprechenden Daten eingelesen (manuell oder automatisiert) und in einer unternehmensspezifischen Datenbank abgelegt. Gegebenenfalls werden die Daten vom System vervollständigt. Im Anschluss wird die Datenqualität bewertet und es werden bei Bedarf weitere Informationen abgefragt, um eine zuverlässigere Prognose zu gewährleisten.

Bei der „Terminplanung“ würde das so aussehen: Der Nutzer lädt die Kalkulation und die Pläne hoch, die KI erkennt Bauteile sowie Bauabschnitte und berechnet damit automatisiert Vorschläge für die Terminpläne. Dabei wird nicht nur bereits vorhandenes Expertenwissen mit einbezogen, sondern auch allgemein verfügbare Daten wie Wetterprognosen oder die Topografie. 

In eurem Vortrag habt ihr von der „Digitalisierung des Digitalisierungswillens wegen“ gesprochen…

Uns stehen unglaublich viele Digitalisierungs-Tools zur Verfügung. Wir können uns beispielsweise über das Smartphone live auf einem Bagger auf der Baustelle einloggen. Aber das alles bringt nichts, wenn die Daten nicht auch in die Berichte zum Bauvorhaben einfließen. Das Hauptproblem der Branche ist, dass es unglaublich viele Dateninseln gibt, aber kaum jemand die Daten nutzt. 

Es ist natürlich schön, wenn man eine Baustelle mit der Drohne abfliegt und alles digitalisiert ist. Aber wenn dann die Schnittstellen und die Integration in bestehende Systeme fehlen, dann muss man sich nicht wundern, wenn sowohl Unternehmen als auch Kunden digitale Lösungen nicht oder nur ungern nutzen. 

SDaC Store

Wie stehen eigentlich die Anbieter von Bausoftware zu SDaC?

Schon zu Beginn des Projekts haben wir uns entschieden, keine großen Software-Anbieter ins Boot zu holen. Wir wollten neutral bleiben. Denn letztendlich hat niemand etwas von einer KI-Plattform, die nur in Kombination mit bestimmten Software-Anbietern funktioniert. 

Das Coole bei SDaC ist: Wir schließen niemanden aus. Dazu muss man wissen, dass die Schnittstellen im Baugewerbe grundsätzlich gut definiert sind. Es gibt Formate, die von allen großen Herstellern gelesen und ausgegeben werden können.

Vergleichbar ist das beispielsweise mit dem Ansatz von Open Office, das eine Vielzahl von Fremdformaten (.doc, .docx, .xml, etc.) lesen und ausgeben kann. Natürlich gehen gewisse Attribute verloren, aber 80 bis 90 Prozent der Daten werden richtig übergeben – und genauso funktioniert das bei den Standards am Bau auch.

Mit SDaC schließen wir keinen Marktteilnehmer aus.  

Welcher Prozess ist am schwierigsten über KI zu lösen?

Letztendlich alles, was mit Dingen wie Massenermittlung (wie viel Mauerwerk, wie viel Aushub, etc.) zu tun hat. Ebenfalls problematisch sind Prozesse, bei denen sehr personenbezogen dokumentiert wird. Jeder Bauleiter hat beispielsweise eine andere Bezeichnung für das Stellen einer Trockenbauwand. Manche unterteilen einzelne Prozesse dann noch in Unterkategorien. Die Baudokumentierung weist dadurch eine große Varianz bei der Benennung und Anzahl von Prozessen auf. Ähnliches lässt sich bei der Bezeichnung von Produkten auf Lieferscheinen beobachten.

Vergleichbar ist das mit einem modernen Sprachassistenten. Während früher nur einfache Befehle wie „Licht an“ möglich waren, versteht ein System wie Alexa auch Sätze wie „Schalte das Licht ein“ oder „Aktiviere das Licht“. Kommen dann aber noch irgendwelche lokalen Dialekte dazu, wird es schwierig. Anlog verhält es sich mit der KI bei SDaC: Sie ist in der Lage, Verknüpfungen in bestimmten Bereichen herzustellen, aber eben nicht in allen.

Was sind die größten Herausforderungen bei dem Projekt?

Eine KI-gestützte Plattform wie SDaC lebt davon, ständig dazuzulernen. Das ist aber nur möglich, wenn die Plattform von den unterschiedlichen Marktteilnehmern auch mit den notwendigen Daten „gefüttert“ wird. Insofern ist es für uns sehr wichtig, dass SDaC auf eine möglichst breite Akzeptanz stößt. 

Das hängt ein Stück weit auch mit dem Thema Vertrauen zusammen. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen ist es am Bau bis heute möglich, auch als kleiner Betrieb mit zehn Mitarbeitern Endkundenbeziehungen zu pflegen. Sie können zwar nicht so viele Daten generieren, wie große Baukonzerne, aber dennoch haben sie die Chance durch entsprechende Lösungen am Markt zu bestehen. Sie müssen jedoch bereit sein, sich darauf einzulassen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass am Ende das ganze Know-how bei den großen Unternehmen landet.

Wird es irgendwann möglich sein, Bauprozesse zu 100 Prozent zu automatisieren?

Das hängt sicherlich vom Anwendungsfall ab. Es wird sicherlich immer Sinn machen, Menschen als Experten einzusetzen. Gerade bei Bestandsbauten können Daten oft nicht gut erfasst werden, wodurch KI-gesteuerte Prozesse schnell an ihre Grenzen kommen.

Bis Roboter in Gebäuden beispielsweise einen Rohrbruch beheben, wird es noch viele Jahrzehnte dauern. Man muss dazu nur in die Automobilindustrie schauen. Dort werden inzwischen seit mehreren Jahrzehnten Prozesse automatisiert – und trotzdem müssen viele Aufgaben noch von Menschen übernommen werden.

Aus diesem Grund sehen wir in SDaC auch in erster Linie einen intelligenten Assistenten, der bestehende Prozesse mithilfe von künstlicher Intelligenz effizienter macht.