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In etwa so wie die Marke Tempo für Papiertaschentücher steht, so sehr ist der Name STIHL mit Motorsägen verbunden: Auf der ganzen Welt sind die orange-grau-farbenen Geräte aus Baden-Württemberg in Gebrauch. Und weil die Digitalisierung auch nicht Halt macht vor der Forst-, Bauwirtschaft und Landschaftspflege, wappnet man sich in Waiblingen für die digitale Zukunft. Über das „wie“ haben mit Dr. Christian Vogt, Chief Digital Officer bei STIHL, gesprochen.

Mal ganz salopp gefragt: Was kann man an einer Motorsäge denn alles digitalisieren?

Dr. Christian Vogt ist seit September 2017 Chief Digital Officer bei STIHL (Bild: ANDREAS STIHL AG & Co. KG)

Die Motorsäge mag zwar ein analoges Produkt sein, aber sie birgt vielfältige Digitalisierungsmöglichkeiten. Zum Beispiel werden wir mit „STIHL connected“ demnächst eine smarte Lösung auf den Markt bringen, mit der unsere Kunden STIHL Produkte, wie die Motorsäge, mit ihrem Smartphone vernetzen können. So können beispielsweise Maschinendaten wie Betriebsstunden erfasst werden. Der Anwender erhält somit einen detaillierten Überblick über die Einsatzzeiten der Säge und kann sich auch Wartungsempfehlungen anzeigen lassen. Darüber hinaus arbeiten wir derzeit an weiteren digitalen Lösungen. Diebstahlschutz oder Flottenmanagement sind beispielsweise interessante Themen für uns.

Gehen wir noch etwas näher auf das Thema ein. Welche Chancen ergeben Sich für STIHL in Zeiten des digitalen Wandels?

Durch die Digitalisierung ergibt sich für STIHL ein enormes Potential, das sich über die komplette Wertschöpfungskette erstreckt. Nehmen wir beispielsweise den Forstbereich: Bisher fokussieren wir uns eher auf das reine „Doing“. Das heißt, wir stellen dem Forstarbeiter die Motorsäge zur Verfügung, mit der er den Baum fällt. Unsere Vision ist nun, unseren Kunden im Forst die Arbeit noch mehr zu erleichtern, indem wir durch digitale Services auch die Lieferkette effizienter gestalten und die Waldarbeit sicherer machen.

Aber nicht nur im Forst, sondern auch bei professionellen Garten-und Landschaftsbauer sowie Gartenbesitzern sehen wir viele Chancen. Letzteren könnten wir beispielsweise mit smarten Plattformlösungen die Gartenarbeit erleichtern und somit die Freude am Garten steigern. Mit dem STIHL Smart Garden Hub GCI 100 bieten wir zukünftig eine intelligente Lösung, mit der unsere Kunden ihren heimischen Garten effizienter, kosten- und ressourcensparender bewässern können. Unser Smart Garden Hub bezieht in Echtzeit Wetterdaten und gleicht diese mit den Einsatzzeiten des Bewässerungssystems ab. Gleichzeitig kann er sich auch mit unserem Robotermäher iMow vernetzen, sodass die Bewässerungsintervalle mit den Mähzeiten abgestimmt werden können. So entsteht ein intelligentes Smart Garden System, das nicht nur für den heimischen Garten, sondern auch für größere Flächen, wie zum Beispiel Parkanlagen oder Sportplätze, geeignet ist.

Und welche Herausforderungen?

Eine Herausforderung des digitalen Wandels ist meiner Meinung nach der Faktor Zeit. Die Welt ist deutlich dynamischer geworden. Die Zeitspanne, die ein Produkt vom Start der Entwicklung bis zur Markteinführung benötigt, ist in der digitalen Welt wesentlich viel kürzer. Startups sind ein gutes Beispiel dafür: Bei ihnen dauert die Time-to-Market in der Regel weniger als ein Jahr. Sie bringen frühzeitig ein Produkt auf dem Markt und erst dann wird es optimiert, weiterentwickelt und kontinuierlich an Kundenwünsche angepasst. Unternehmen wie STIHL ticken da eher anders.

Da dauert es in der Regel mehrere Jahre bis ein Produkt marktreif ist – dafür ist es zu dem Zeitpunkt aber ausgereift und ausgiebig getestet worden. Mit diesem digitalen Hochgeschwindigkeitszug mitzuhalten, und dabei aber seinen Ansprüchen an Qualität treu zu bleiben, ist eine große Herausforderung. Entscheidend bei allen digitalen Themen ist aber, dass die Aktivitäten und Entwicklungen zur Unternehmens-DNA, sprich zur Marke und Unternehmenskultur, passen müssen. STIHL blickt auf eine über 90 Jahre erfolgreiche Firmengeschichte zurück. Die Digitalisierung ist nichts, das das Unternehmen komplett umkrempeln wird und soll, sondern wir verstehen die Digitalisierung als einen Treiber, der dem Unternehmen und der Marke STIHL auch zukünftig die Kraft zu wachsen gibt.

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Weitere Informationen

STIHL ist in Acceleratoren unterwegs und hat bereits Erfahrung mit Ausgründungen. Was kann ein Weltmarktführer wie STIHL von einem Startup lernen?

Startups sind für uns Vorbilder für agile Herangehensweisen. Sie bringen frischen Wind, denken kreativ und animieren uns dazu, auch mal unkonventionelle Wege zu gehen. Das Zusammenspiel aus erfahrenen Unternehmern und kreativen jungen Gründern ergibt einen fruchtbaren Nährboden, aus denen digitale Geschäftsmodelle entsprungen sind. Eine dieser Ideen, aus denen eine Ausgründung hervorging, war das Startup Freiraum.

Was genau macht Freiraum? Und worauf zielt das Invest?

Die Gründer von Freiraum, Jan Schurkus und Achim Maisenbacher, haben MemoMeister entwickelt, eine Kommunikations- und Organisationsplattform, die den Arbeitsalltag von Handwerks- und von Garten- und Landschaftsbau-Betrieben deutlich vereinfacht. Zum Beispiel: Ein Mitarbeiter macht unterwegs Bilder von Baufortschritten, oder er speichert Lieferscheine digital auf der dazugehörigen App ab. Sein Kollege im Büro kann die Daten in Echtzeit direkt abrufen, kommentieren und weiterverarbeiten. Das beschleunigt und vereinfacht nicht nur die betriebliche Kommunikation und den Dokumentenaustausch, sondern auch die Organisation. Mit MemoMeister müssen die Betriebe nicht mehr unkoordiniert Informationen und Dokumente über Messenger-Dienste oder E-Mail austauschen, sondern können alles auf einer Plattform bündeln. Die Beteiligung an MemoMeister ist für STIHL ein wichtiger Schritt im Ausbau unsere digitalen Services.

Werden in Zukunft noch weitere Investitionen in junge Unternehmen folgen?

Startups sind mit ihrer kreativen und agilen Herangehensweise ein sehr guter Partner, die uns bei der Digitalisierung sehr gut unterstützen können. Daher werden die bisherigen Initiativen mit verschiedenen Startups sicher nicht die einzigen bleiben.

STIHL ist ein Global Player mit Dependancen auf der ganzen Welt – und dem Stammsitz in Waiblingen-Neustadt. Was macht Baden-Württemberg als Wirtschaftsstandort attraktiv?

Baden-Württemberg ist ein starker Wirtschaftsstandort mit vielen exportstarken, globalen und innovativen Unternehmen. Viele Dinge, die wir heute aus unserem Alltag nicht mehr wegdenken können, wurden hier erfunden – zum Beispiel das Auto, das Fahrrad oder die Elektrokettensäge. Und dieser Innovationsgeist ist noch heute präsent. STIHL beispielsweise hält derzeit weltweit über 2.300 Patente und Schutzanmeldungen – und es kommen laufend neue hinzu.

Gut ausgebildete Fachkräfte sind elementar für den Unternehmenserfolg. Wie überzeugen Sie Digital Natives davon, nach Waiblingen zu kommen und nicht etwa nach Berlin zu gehen?

Meiner Meinung nach kommt es nicht darauf an, wohin man geht, sondern was man erreichen möchte. Ich zum Beispiel bin vom Silicon Valley nach Waiblingen gegangen. Nicht, weil der Ort für mich entscheidend war, sondern weil STIHL für mich ein Unternehmen ist, bei dem ich viel bewirken und mitgestalten kann. STIHL besitzt eine langjährige, erfolgreiche Historie und zeichnet sich durch starke Produkte aus – wovon die meisten aber noch analog sind. Gemeinsam mit den anderen STIHL Fachbereichen diese Produkte zu digitalisieren und STIHL ins digitale Zeitalter zu bringen; diese Herausforderung hat mich gereizt. Und falls ich jetzt bei dem ein oder anderen Leser das Interesse für STIHL geweckt haben sollte: Wir haben derzeit über 150 offene Stellen in den Bereichen Connected Products, IT, Elektronik und Akku.

Über Dr. Christian Volgt

Dr. Christian Vogt ist seit September 2017 Chief Digital Officer bei STIHL, einem Hersteller für Motorsägen und Motorgeräte mit Hauptsitz in Waiblingen. Zuvor war er Unternehmensberater bei McKinsey & Company im Silicon Valley, selbständiger Advisor für Startups, sowie in Marketing- und R&D-Positionen bei Ericsson in Silicon Valley und Finnland. Dr. Vogt hat Informatik und Software Engineering in Bonn und Los Angeles studiert und am KIT in Karlsruhe promoviert.