… ohne gleich zig Geschäfte abklappern zu müssen?
Da Onlineshoppen wenig nachhaltig ist, ist es wünschenswert, den lokalen Handel zu unterstützen. Schön und gut. Aber was beim Onlineshoppen so angenehm ist: einkaufen, ohne viel Lauferei. Mit emiigo soll beides gehen – erst online schauen, wo es den Wunschartikel in der Nähe gibt, dann gezielt im Geschäft einkaufen.
Ariane Lindemann spricht mit Lisa Schlömer von emiigo über nachhaltiges Shoppen und warum die Plattform auch für Kommunen von großer Bedeutung sein kann.
Unser Konsumverhalten ist heute auf kurze Wege, auf Online-Shopping ausgelegt. Ganz schön schwer für den Einzelhandel, dagegen anzukommen …
Das stimmt. Dabei ist das Einkaufen im Einzelhandel attraktiv wie nie. In Umfragen und Studien sagen über 74 Prozent, dass sie lieber lokal statt online einkaufen möchten.
Warum boomt dann der Online-Markt nach wie vor?
Weil die Recherche für ein Produkt bereits online stattfindet. Hat sich eine Person für ein Produkt entschieden, steht sie im Anschluss vor der Frage: „Wo bekomme ich das jetzt her?“
Das bestätigt übrigens auch eine Studie, in der sogar 86 Prozent der Leute, die im Einzelhandel einkaufen, bereits vorher online recherchiert haben. Zeitlich können viele es sich aber nicht leisten, für jedes Produkt einen Stadtbummel zu machen, daher wird dann doch online bestellt – allerdings oft mit schlechtem Gewissen.
Wenn wir weniger Lieferverkehr haben wollen, müssen wir umdenken. Aber wie kann man Konsum, Nachhaltigkeit, den Zeitaspekt und auch günstige Preise unter einen Hut bringen?
Mit emiigo :). Wir unterstützen genau diese Vorgehensweise, indem wir online und stationär verknüpfen. Das heißt, bei emiigo kann man bequem online nach Produkten recherchieren und auch direkt die Geschäfte in der Umgebung sehen, die diese Produkte führen, beziehungsweise sogar vorrätig haben. Im Anschluss kann man den Einkauf gezielt in seinen Alltag einbauen, zum Beispiel in der Mittagspause, nach dem Drop-Off im Kindergarten oder auf dem Weg zu Freunden. Im Einzelhandel einkaufen wird damit so komfortabel wie nie.
Was war die Initialzündung für deine Idee?
Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit Nachhaltigkeit und achte darauf, woher zum Beispiel meine Klamotten kommen und wie bestimmte Produkte hergestellt werden. Ich hatte damals lange nach einem ganz bestimmten Sneaker-Modell gesucht, auch in Geschäften in Köln, und es dann nur in einem französischen Onlineshop gefunden. Aber nachhaltige Schuhe zu kaufen, die 500 Kilometer zurücklegen, bis sie bei mir sind, das machte für mich keinen Sinn. Ich habe dann den Hersteller über Facebook angeschrieben und gefragt, ob und wo ich diese Schuhe in Köln kaufen kann. Sie nannten mir einen Shop nur 10 Minuten von mir entfernt, den ich übrigens bis dahin noch nicht kannte, und in dem habe ich die Schuhe dann tatsächlich auch bekommen. Das war der Moment, in dem die Idee für emiigo entstanden ist. Ich dachte mir, man muss doch in der Lage sein, das Sortiment im Einzelhandel vorher zu kennen, ohne dass man von Laden zu Laden gehen und viel wertvolle Zeit investieren muss.
„Ich dachte, man muss doch in der Lage sein, das Sortiment im Einzelhandel vorher zu kennen, ohne dass man von Laden zu Laden gehen und viel wertvolle Zeit investieren muss.“
Dabei unterscheidet ihr euch aber klar von einem typischen Online-Marktplatz?
Ja, denn Marktplätze gibt es schon genug. Dort kann man beim Einzelhandel online bestellen. Dann schickt aber zum Beispiel ein Geschäft aus Bayern ein Produkt nach Niedersachsen. Aber das war nicht das, was wir wollten und bringt auch vielen Leuten nichts, die zum Beispiel heute noch ein Produkt benötigen. Unser Ziel ist, dass die Leute wirklich in die Läden gehen, aber durch digitale Unterstützung einen Vorteil haben.
Gerade in der Pandemie wäre das doch für die großen Player eine gute Möglichkeit gewesen, so etwas umzusetzen. Aber die kamen wohl nicht auf die Idee?
Bei meiner Recherche bin ich damals auf nichts in dieser Richtung gestoßen und habe mich auch etwas gewundert, denn gerade die großen Unternehmen mit ganz anderen Voraussetzungen könnten diese Lösung doch eigentlich schnell umsetzen. Irgendwann dachte ich: Gut, wenn die es nicht machen, dann mache ich es selbst.
Welchen Background hast du?
Ich habe in Karlsruhe Wirtschaftsinformatik studiert und war anschließend als IT-Consultant im Bereich Geschäftsprozess-Optimierung tätig. Dann habe ich lange als User Experience Consultant gearbeitet, zunächst in einer Digitalagentur in Köln, dann als Freelancer für Agenturen und Konzerne.
Nicht die schlechteste Basis für ein Startup :) …
Schon, aber mir war klar, dass es noch mal ein Riesenschritt ist, ein Unternehmen zu gründen. Zumal ich einen Mitstreiter suchte, denn alleine ist so ein Vorhaben einfach nicht machbar. Bei einem Founders-Match im Digital Hub Cologne traf ich Lennart. Er hat BWL studiert, Fachrichtung Unternehmensführung und Organisationsentwicklung sowie Investition und Finanzierung. Das passte bezüglich unserer Motivation und Ansichten von Anfang an perfekt, obwohl ich eigentlich jemanden für die technische Umsetzung suchte. Den Part haben wir nun an einen hervorragenden externen IT-Partner ausgegliedert.
Wie funktioniert emiigo für den Handel?
Wir haben ein System entwickelt, an das wir mit entsprechenden Schnittstellen direkt die Warenwirtschafts- und Produktinformationssysteme im Handel anbinden können.
Was muss der Einzelhändler genau tun?
Produktinformationen, wie Bilder und Beschreibungen, bekommen wir von den Herstellern selbst sowie über Produktdatenbanken, das heißt vom Händler benötigen wir im Grunde lediglich den Bestand und den Preis der Produkte, sowie deren Artikelnummer, denn über diese matchen wir die anderen Daten.
Je nach Schnittstelle dauert die Erst-Anbindung für den Händler lediglich ein paar Minuten. Danach muss der Händler eigentlich so gut wie nichts mehr machen, denn die Synchronisation läuft dann automatisch und wenn etwas verkauft wird, fließt das in Echtzeit in den Bestand ein. Manche Händler haben auch noch kein Warenwirtschaftssystem, für diese haben wir aber noch eine Zwischenlösung parat. Wenn Händler bei emiigo dabei sein wollen, finden wir immer einen Weg!
Ist ein Onlineshop für den Handel aber nicht ein zusätzliches großes Geschäft?
Jein, hier muss man definitiv unterscheiden. Für kleinere Händler bedeuten die Erstellung und Pflege eines Onlineshops kein günstiges Unterfangen. Sämtliche Produktdaten, Fotos etc. müssen bei den Herstellern angefragt werden. Eine Bestellung bedeutet eine um Versand-, Material- und Personal-Kosten reduzierte Marge pro Produkt. Gerade im Fashion-Bereich kommt dazu ein Großteil der Pakete zurück und die Ware kann in dieser Zeit nicht anderen Kunden angeboten werden. Erstmal also nicht sehr lukrativ.
Zweitens ist die Entscheidung für ein stationäres Geschäft auch kein Plan B, sondern aktiv gewählt. Bei unseren Interviews haben wir ein interessantes Statement bekommen: „Wenn ich Pakete verschicken wollen würde, hätte ich kein Geschäft eröffnet, sondern wäre in meiner Garage geblieben“. Die Händler lieben es, mit den Kunden persönlich zu interagieren und wollen sie beraten. Online ist ja ein ganz anderes Geschäft.
Für große Filialketten ist das etwas anders, denn sie haben durch andere finanzielle Voraussetzungen ganz andere Logistik-Prozesse und kommen auf gute Google-Treffer. Doch auch hier herrscht ein ständiger Kampf untereinander und mit den großen Online-Marktplätzen. Außerhalb der wenigen Platzhirsche ist auch das kein einfaches Geschäft, sodass sich tatsächlich viele (auch bekannte) Filialketten dagegen entscheiden, überhaupt einen Online-Shop anzubieten.
„Digitalisierung im Handel“ ist für viele gleichbedeutend mit: Ich muss jetzt auch Pakete verschicken…
Genau. Und diese Schlussfolgerung wollen wir aufbrechen. Auch muss Digitalisierung nicht immer global gedacht werden, sondern kann durchaus nur auf die eigene Umgebung bezogen sein. Mit unserer Lösung holen wir die Kunden über digitale Kanäle ab, aber führen sie eben in die Geschäfte hinein – egal in welcher Stadt sie gerade sind.
Wir haben ausgerechnet, dass ein Geschäft bei emiigo in den Suchergebnissen von durchschnittlich 100.000 Menschen angezeigt wird, sobald die Suchanfrage sein Sortiment trifft – unabhängig davon, ob auf dem Land oder in der Stadt.
Das heißt, der Einzelhandel bekommt eine hohe digitale Sichtbarkeit für genau die Zielgruppe, die er mit seinem Geschäft ansprechen will: die Menschen, die in der Umgebung wohnen oder sich dort aufhalten. Davon profitieren alle, sowohl die kleinen inhabergeführten Geschäfte als auch die großen Filialketten.
Kann man Produkte auf der emiigo Plattform auch zurücklegen oder bestellen?
Ja, bald. Zunächst planen wir die Möglichkeit einer Reservierung. Das ist vor allem für die kleineren Geschäfte interessant, manche Filialketten sind da aber auch schon strukturell in der Lage zu.
Wir haben ebenfalls schon Kooperationsgespräche mit verschiedenen Lastenrad-Lieferdiensten. Kunden könnten dann auch direkt auf emiigo bestellen, allerdings ist der Lieferweg nur ein paar wenige, statt, wie sonst üblich, hunderte Kilometer lang. Und eben emissionsfrei.
Wie nachhaltig ist das, wenn ich mit dem Auto in die Stadt fahre und meinen Artikel abhole?
Dafür gibt es bereits Berechnungen vom Umweltbundesamt und weiteren Studien, die wir vor Kurzem erst ausgewertet haben. Der durchschnittliche CO2-Verbrauch beim Einkauf pro Paket ist im stationären Handel tatsächlich niedriger, selbst wenn hier eine private PKW-Fahrt von bis zu 5 Kilometern einberechnet ist.
Und ein weiterer Punkt ergibt sich aus diversen auch internationalen Umfragen: Es ist so gut wie nie der Fall, dass jemand ausschließlich wegen einem Paar Schuhe in die Stadt fährt. Die Leute verknüpfen ihre Wege zu sogenannten Wegeketten und gehen dann in den Laden, wenn sie sowieso in der Nähe oder auf dem Weg zur Arbeit sind. Dadurch müssten diese Zahlen eigentlich noch niedriger angesetzt werden.
Was ist mit ländlichen Gebieten?
Die gerade angesprochenen Zahlen sind Durchschnittswerte für ganze Deutschland. Es gibt einige Studien, die sagen, dass es gerade in ländlichen Gebieten durchaus nachhaltiger wäre, wenn ein LKW alles dorthin bringt. Doch diese Studien vergessen, dass der Einzelhandel und der Onlinehandel parallel existieren. Der Einzelhandel ist vom Umsatz her immer noch sieben Mal größer als der Onlinehandel, was man so sicher nicht erwartet. Man muss sich mal vorstellen, was wäre, wenn der Einzelhandel ganz verschwindet. Das würde inklusive allen Faktoren einen rund 13-fachen Lieferverkehr bedeuten. Das schaffen unsere Städte niemals. Das übersehen diese Studien oft.
Was kostet emiigo für den Handel?
Wir haben kein Provisionsmodell, wie sonst üblich, sondern ein Abomodell, das sich am Umsatz orientiert. Wir möchten aus Fairness berücksichtigen, dass eine kleine Boutique ganz andere finanzielle Voraussetzungen hat als zum Beispiel eine große H&M-Filiale. Der Beitrag fängt bei 29 Euro im Monat an und geht dann bis zu einem höheren dreistelligen Betrag, je nach Größe des Geschäfts bzw. der Filiale.
Wie sehen das Händler, die bereits Click&Collect etabliert haben?
Das wollen wir nicht ersetzen. Da wir eine Suchmaschine sind und kein Marktplatz, können und wollen wir alle Informationen, Angebote und andere Channels des Handels pushen. Wenn zum Beispiel ein Geschäft schon eine eigene Webseite mit Click&Collect hat, dann können wir das alles auf unserer Plattform mit anzeigen. Händler können auch ihre Instagram Seite mit Live-Shop und alle Features, die sie jetzt schon anbieten, auf emiigo abbilden.
Spannend sind übrigens auch neue Erweiterungen anderer Unternehmen, wie Kommunikationstools oder virtuelle Rundgänge in den Geschäften.
Das alles ist nur möglich, weil wir nicht von dieser Provision abhängig sind. Es öffnet uns viele Türen, weil wir ein anderes Geschäftsmodell haben als andere. Wir wollen nicht den Konsum an sich erhöhen. Denn das würde mit einer provisionsgebundenen Abgabe passieren. Vielmehr wollen wir, dass wenn Konsum stattfindet, dieser lokal, regional stattfindet.
Macht der Handel mit?
Absolut. Das Feedback war durchgehend sehr positiv. Erstaunlicherweise nicht nur von kleineren Läden, sondern auch Filialketten sind angetan. Ich habe im Vorfeld sehr viel Marktforschung betrieben, habe mit potenziellen KonsumentInnen, mit vielen HändlerInnen, aber auch mit Filialketten und mit FilialleiterInnen gesprochen und sie nach ihren aktuellen Pain-Points gefragt. Heraus kam, dass sich gerade Online-Marktplätze für viele nicht rechnen, weil die Provisionen und der Versand- und Retourenaufwand zu hoch sind. Auf diesem Feedback ist das Konzept von emiigo aufgebaut.
„Wir wollen nicht den Konsum an sich erhöhen. Denn das würde mit einer provisionsgebundenen Abgabe passieren. Vielmehr wollen wir, dass wenn Konsum stattfindet, dieser lokal, regional stattfindet.“
Auch die Kommunen haben etwas von emiigo ….
Ja, für die Kommunen ist emiigo eine super Grundlage dafür, die Innenstädte wieder aufleben zu lassen. Der Handel ist laut Studien mit Abstand der größte Besuchermagnet. Fällt dieser weg, hat das auch Auswirkungen auf die Gastro und Kultur-Angebote und es entsteht noch viel mehr Leerstand.
Aber der stationäre Einzelhandel muss auch beliefert werden …
Das stimmt, doch Kommunen können diese Lieferungen viel besser koordinieren und beeinflussen. Sie können beispielsweise Bestimmungen festlegen, wann der Lieferverkehr in die Stadt darf. Gegen den Individuallieferverkehr, den die Paketdienste verursachen, sind die Städte machtlos.
Wir haben ausgerechnet, dass wenn nur jedes 10. aktuell online bestellte Produkt lokal im Einzelhandel gefunden wird, mehrere hunderte Millionen Pakete im Jahr weniger auf den Straßen unterwegs sind. Das bedeutet weiter eine CO2-Einsparung von über 200.000 Tonnen. Im Vergleich: Das könnten auch 16.000 Fußballfelder voll ausgewachsener Buchenwald!
Gleichzeitig können Rückschlüsse über das Kaufverhalten gezogen werden …
Über entsprechende Datenauswertungen können wir Insights abgeben sowohl an den Handel und Hersteller mit Portfolio-Empfehlungen und Trends als auch an die Kommunen beziehungsweise Stadtentwicklungsbüros mit zum Beispiel Hinweisen auf das Kaufverhalten in verschiedenen Stadtteilen. Es gibt Einzelhandelskonzepte, wo Gutachter durch die Straßen gehen, sich die Geschäfte anschauen und dabei Sortimente und Umsätze schätzen. Die Entwicklung dieser Einzelhandelskonzepte dauert teilweise zwei Jahre. Das kann man bei uns per Knopfdruck auswerten. Das sind alles Dinge, wo Kommunen viel mehr Einsicht bekommen in ihren eigenen Handelsbereich.
Ebenfalls wichtig für die Kommunen: Sie sehen, welchen Radius die Leute zum Einkaufen nutzen. Das könnte Auswirkungen auf die ÖPNV-Planung haben, falls Gebiete infrastrukturell nicht gut genug erschlossen sind.
Das ist ja eigentlich ein ganz eigenes Geschäftsmodell …
Ja, das ist der Plan.
Wann geht emiigo online?
Die Betaversion steht. Wir beginnen jetzt erst mal im Raum Köln und schauen, wie alles funktioniert. Nach und nach erschließen wir dann weitere Regionen. Dazu sind wir schon in Gesprächen mit und in anderen Kommunen.
Was hat der CyberLab Accelerator zu emiigo beigetragen?
Das CyberLab ist ein sehr intensiver Accelerator, der sich absolut gelohnt hat. Es war sehr anstrengend, aber auch sehr effektiv. Aus den Workshops und den 1:1-Mentoren-Gesprächen haben wir viel mitgenommen. Auch jetzt nach dem Accelerator können wir immer noch Fragen stellen, wenn wir nicht weiterkommen. Das ist für uns sehr wichtig. Das CyberLab ist äußerst engagiert und nennt uns immer auch viele Möglichkeiten, an anderen Angeboten teilzunehmen.