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Das Unternehmen esentri aus Ettlingen bei Karlsruhe wurde vor sechs Jahren gegründet und hat sich auf die Integration und Modernisierung von IT-Systemen spezialisiert. Kunden profitieren von der digitalen Expertise aus dem Hause esentri und können bereits in der frühen Planungsphase strategische Fehler beim Ausbau ihrer IT-Landschaft für die Digitalisierung vermeiden. Ich konnte CEO Robert Szilinski aber nicht nur zur Digitalisierung befragen; speziell in Sachen Kollaborationslösungen à la Wunderkinder hat sein Team schmerzhafte aber auch lehrreiche Erfahrungen sammeln können – und wie sieht eigentlich die Digitalisierung in 20 Jahren aus?

techtag: Sie sind nach eigener Aussage mit Ihrer Kollaborations-Software Social PM gescheitert. Anhand der darauf resultierenden Erfahrungswerte, lohnt sich doch sicher ein zweiter Anlauf, oder?

Robert Szilinski: Ein Social PM 2.0? Nein, das würde sich derzeit nicht lohnen. Der Markt für Kollaborationslösungen hat sich in den letzten Jahren bereits signifikant konsolidiert. Schauen wir uns mal die 6 Wunderkinder in Berlin an. Unsere Lösung Social PM war der Wunderlist in vielen Dingen nicht unähnlich, dennoch konnten die 6 Wunderkinder mehrere Millionen beim Verkauf an Microsoft erlösen – wir nicht.

Das Zeitfenster für erfolgreiche Produktplatzierungen ist nicht beliebig groß. Wir waren zu langsam und hatten nicht die gleiche Power. Mit einer neuen Idee werden wir irgendwann den nächsten Anlauf wagen. Bis dahin profitieren wir auch im Beratungsgeschäft von den Erfahrungen und überlegen uns derzeit, wie Beratung 2.0 aussehen kann.

Warum ist das Scheitern in Deutschland so nachhaltig? Was unterscheidet dahingehend den US-Markt vom Deutschen? Sind deutsche Unternehmen weniger risikofreudig oder fehlt schlicht das Kapital?

Ich glaube schon wahrzunehmen, dass man in den USA risikofreudiger ist – vielleicht auch manchmal einfach auch größer und visionärer denkt, als bei uns. Dafür sind dann sicherlich auch andere Strukturen da und mehr Risikokapital, das zur Verfügung steht. Dennoch: wenn ich mir die einschlägigen Blogs und Webseiten so anschaue, in denen manch ein Hype-Produkt aus den USA gepriesen wird, glaube ich auch manchmal, dass wir uns in Deutschland unter Wert verkaufen und vielleicht auch das Thema Scheitern nicht wirklich gesellschaftlich akzeptiert wird.

Ich habe mal gehört, dass man in den USA manchmal im Vorstellungsgespräch gefragt wird, wo man schon Fehler gemacht hat. Ein Deutscher würde möglichst versuchen so zu antworten, dass man nur kleine Fehler zugibt, um möglichst optimal dazustehen. In den USA wird das richtigerweise nicht akzeptiert und würde zur Absage führen. Jeder macht Fehler – man sollte eben nur immer daraus lernen. Das zeichnet auch uns aus.

Die Aussage „Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.“ ist typisch amerikanisch und bringt es auf den Punkt.

„Zu wenig Kunden wollten Zahlen“. Wie kommt es in Deutschland dazu, dass für ein Produkt, für eine Leistung immer weniger Unternehmen/Nutzer bereit sind, ordentlich dafür zu zahlen? Ist das ggf. sogar eine Art fehlender Wertschätzung?

Ich glaube nicht, dass das ein rein deutsches Problem ist oder ein Thema fehlender Wertschätzung. Sicherlich spielt die ”Kostenloskultur“ im Internet eine große Rolle und stellt Unternehmen vor Herausforderungen, wenn es darum geht sein Produkt oder seine Dienstleistung zu monetarisieren. Andererseits muss man ehrlicherweise sagen, dass die Infrastrukturkosten für Anbieter im Internet durch die Cloud auch immer günstiger werden und das häufig als Maßstab genommen wird. Der Kunde vergisst nur manchmal, dass er trotzdem gerne Support hätte und irgendjemand die Produkte auch entwickeln muss.

Gibt es Social PM noch?

Nein, wir nutzen es auch nicht mehr intern.

Für Ihre Kunden bieten Sie individuelle Software für Webanwendungen, mobile Anwendungen sowie für mobile Plattformen an. Können Sie anhand von ein bis zwei Beispielen erklären, wie diese Individualität ausschauen kann?

Unsere Spezialität sind Individualprojekte und die Lösung komplexer Integrationsszenarien, die nicht direkt durch Standardsoftware gelöst werden können.

Wir arbeiten derzeit an einem mobilen Einkaufsassistenten, der mich beim Shoppen per App berät. Ich kann zum Beispiel Kleidungsstücke im Laden scannen und mir ganz persönlich aufgrund meines Profils empfehlen lassen, was dazu passen würde und vor allem, was auch im Laden vorhanden ist. Auf Knopfdruck kann ich dann die Kleidungsstücke zu meiner Umkleide bringen lassen und am Ende mit dem Smartphone kaufen. Im Hintergrund müssen hierfür sehr viele unterschiedliche Systeme angebunden werden, wie das e-Payment, soziale Netzwerke oder ein SAP System.

In einem anderen Projekt vernetzen wir derzeit Elektrofahrzeuge im Rahmen der Digitalisierung mit Smart Home Systemen, dem persönlichen Kalender und Car Sharing Angeboten. Ziel ist es, das Thema Mobilität neu zu denken. In der Praxis sieht das dann so aus, dass ich beispielsweise durch Car Sharing das nicht voll geladene Elektroauto auf meinem Heimweg automatisch wechsle und mein Smart Home durch die Vernetzung erkennt, wann ich zu Hause ankomme und die Temperatur im Haus regelt.

Natürlich darf die Cloud im esentri-Portfolio nicht fehlen. Verfolgen Sie die derzeitige Cloud-Entwicklung in Deutschland? Was denken Sie über die derzeitige Sicherheitsdiskussion wenn es um Unternehmensdaten geht?

Das Thema Datensicherheit in der Cloud wird zurecht in Deutschland kritisch beleuchtet. Persönlich glaube ich aber, dass dieser Punkt kein Hindernis sein wird und fast alle Unternehmen in wenigen Jahren auf Cloud basierte Lösungen setzen. Die Vorteile sind zu groß und zum Teil werden auch Scheindiskussionen geführt. Die Cloud wird auch in Deutschland kommen und zwar schneller, als wir alle denken.

Im Übrigen: die geglaubte Sicherheit einer selbst betriebenen Infrastruktur ist vielleicht auch manchmal ein bisschen Augenwischerei. Ich kenne Unternehmen, da fühlt man die Daten sicher geschützt, kann aber an jedem Client PC einen USB Stick einstecken. Das passt nicht. Professionelle Cloud Anbieter haben hier zum Teil sicherlich mehr Möglichkeiten, auch im Bereich Sicherheit. Unsere eigene Infrastruktur bei esentri besteht aus 100 Prozent Cloud.

Wie sieht der digitale Schwung in Unternehmen in 20 Jahren aus? Wo steht dann das Unternehmen esentri?

Wenn ich das wüsste, würde ich sehr viel Geld verdienen können (lacht). Spaß beiseite. Die derzeitige Entwicklung im Bereich Digitalisierung wird in den nächsten Jahren für massive Veränderungen in unserem Alltag sorgen. Durch das Internet der Dinge werden ganz neue Möglichkeiten entstehen, wenn immer mehr Geräte sich auch untereinander vernetzen können.

Ich habe neulich in einem Workshop spielerisch einen Sandkasten digitalisiert. Überlegt, welche Sensoren könnte er haben, welche Daten sammeln. Die Ergebnisse haben mich selbst verblüfft und aufgezeigt, wie tiefgreifend der Wandel in unseren Alltag eingreifen wird.

Bei esentri gestalten wir diesen Wandel für unsere Kunden und ich bin sicher, dass das Thema Vernetzung in Zukunft noch wichtiger wird. Entsprechend gut aufgestellt fühlen wir uns. Wie das in 20 Jahren konkret aussieht, kann wohl keiner sagen. Klar ist aber, dass wir bereits heute die richtigen Weichen stellen müssen, wenn wir auf Dauer erfolgreich sein wollen. Für uns heißt das noch mehr Agilität, Geschwindigkeit und Innovation für unsere Kunden zu entwickeln. Mein Wunsch wäre Kunden in 20 Jahren zu treffen und zu hören, wie froh sie sind, dass wir ihnen damals bei der Digitalisierung geholfen haben. Dann haben wir unser Ziel erreicht!