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… in deiner Hausapotheke stapeln sich Halstabletten vom vorletzten Herbst, Hustensaft-Fläschchen, die seit Jahren fröhlich vor sich hinkleben, ein Durchfallmittel vom Skiurlaub 2016, drei Tuben Insektensalbe, ein Fieberthermometer, Mickey Mouse-Pflaster der mittlerweile erwachsenen Kinder. Der Rest – ein Sammelsurium an Medikamenten, von denen du vergessen hast, wofür sie sind. Kopfschmerztabletten? Keine einzige.

Das Problem kennt fast jeder. Auch Ärztin Katrin Dill. Um gegen das Chaos in der Hausapotheke anzugehen, gründet sie mit einem Kollegen das Startup miomedico und entwickelt gemeinsam mit ihrem Team eine Hausapotheke, die mitdenkt. Die Idee wächst schnell und miomedico wird zu einem innovativen Erste-Hilfe-Tool, das bei unterschiedlichen Beschwerden hilfreiche Anleitungen gibt, was zu tun ist. Eine intelligente Reiseapotheke, die auf dem gleichen Prinzip aufsetzt, ist bereits auf dem Markt.

Ariane Lindemann spricht mit Katrin und Christoph Dill darüber, was miomedico alles kann.

 

Warum dieses Chaos im häuslichen Arzneischränkchen?

Das ist wirklich ein häufiges Phänomen. Man ist krank, geht in die Apotheke und holt sich eine Medikament, das man danach länger nicht mehr braucht. Da kommt mit der Zeit einiges zusammen. Die Menschen vergessen einfach, ab und zu mal in ihre Hausapotheke zu schauen wie in ihren Kühlschrank und Abgelaufenes zu entsorgen oder bestimmte Medikamente rechtzeitig nachzukaufen. Schätzungsweise rund 80 Prozent der Mittel in der Hausapotheke sind unbrauchbar.

Doof, wenn der Magen ausgerechnet am Wochenende drückt …

Ja, denn wir sind gewohnt, schnell Hilfe zu bekommen und profitieren auch von einem dichten Apothekennetz. Aber am Samstagabend ist das natürlich schwieriger. Deshalb ist es besser, für die gängigen Fälle ausgestattet zu sein.

Welches sind die Must-Haves in der Hausapotheke?

Eine Hausapotheke sollte immer Medikamente und Produkte bei Schmerzen, Verbrennungen, Wunden, Erkältungen und Magen/Darm enthalten sowie Mittel bei Bissen und Stichen.

miomedico sortiert meine Medikamente?

miomedico sortiert die Medikamente, ja, aber nicht nach Salben und Tabletten, sondern nach Anwendungsfällen. Wir haben eine intelligente Hausapotheke entwickelt, die durch eine logische Sortierung den Menschen hilft und sie vor allem auch in ihrer Anwendung unterstützt.

Klingt gut! Aber noch ein bisschen abstrakt. Wie nutze ich das?

Das Innovative an miomedico ist die Kombination aus einer App und insgesamt sechs physischen Boxen für die Bereiche Schmerzen, Verbrennungen, Wunden, Erkältungen und Magen/Darm enthalten sowie eine Biss- und Stich-Box.

In der App scannst du die Medikamente aus deiner Hausapotheke. Damit generierst du eine ordentliche Bestandsführung. Du weißt dann genau, was kann weg, welche Medikamente fehlen. Wenn du dann in der Apotheke stehst und etwas nachkaufst, siehst du in der App, was du noch zuhause hast. Du siehst die Verfallsdaten und kannst darüber auch in deiner (Wunsch-) Apotheke nachbestellen.

In den Boxen sowie in der App findest du die Schritt-für-Schritt-Anleitungen, wie man mit den einzelnen Beschwerden umgeht, wann man zum Arzt muss, wie und wann man die Medikamente am besten benutzt. Quasi aus der Sicht eines Arztes.

OK, angenommen, ich wurde von einer Biene gestochen. Wie kann mir euer Produkt schnell helfen?

Ein gutes Beispiel. Wir haben für die verschiedenen Anwendungsbereiche, unterschiedliche Boxen entwickelt, darunter auch eine Biss- und Stichbox. Bei einem Insektenstich wird man durch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung geleitet, in der beschrieben ist, was jeweils zu tun ist. Jeder Schritt muss bestätigt werden und damit wird auch immer getrackt, was du an Medikamenten gebraucht hast.

Bezogen auf den Bienenstich. Was muss ich tun?

Im ersten Schritt wird erklärt, wann ein Stich ein Notfall ist und was dann zu tun ist. Die nächste Frage ist: „Steckt der Stachel noch?“ Wir geben Tipps, wie man den Stachel entfernt und was dabei zu beachten ist. Zum Beispiel: Am Ende des Stachels sitzt die Giftblase, da sollte man keinesfalls draufdrücken. Wir sagen dir, wie du das Gift aus der Haut saugen kannst und wie desinfiziert wird. Zum Schluss empfehlen wir einen entsprechenden Wirkstoff, beziehungsweise ein Mittel aus deiner Hausapotheke. Mit einem integrierten Timer erinnern wir dich daran, wann du das Insektenmittel das nächste Mal auftragen sollst. Diese Wiederholfunktion ist bei Salben oder regelmäßigen Einnahmeabständen sehr nützlich.

Aber kann ich nicht einfach googeln, wenn ich Beschwerden habe?

Klar, das kannst du natürlich. Aber das Internet ist durch die fehlende Gewichtung und Relevanz nicht immer hilfreich. Im Gegenteil. Im Internet ist es schwer, auf Anhieb die richtigen Informationen herauszufiltern.

Damit stellt ihr ein riesiges Spektrum an Wissen bereit. Wo kommt das Wissen her?

Mein Kollege Andreas Stockert, er ist Neurologe, und ich nutzen unser medizinisches Wissen. Wir arbeiten mit einer Apothekerin zusammen, die auch Autorin ist und uns bei der Erstellung der Texte hilft.

Wird miomedico über Apotheken vertrieben?

Ja, da wollen wir gerne hin. Wir wollen den Apotheken damit eine Plattform bieten, um mit ihren Endkunden zuhause eine Verbindung einzugehen.

Wie habt ihr das gedacht?

Die durchschnittliche deutsche Apotheke generiert rund 50 Prozent ihres Ertrages im OTC-Geschäft. Das sind Over-the-Counter-Produkte, die nicht rezeptpflichtig sind. Durch die Online-Shops ist dieses Geschäft allerdings rückläufig. Damit geht Kundenbindung verloren. Hier kommt unsere Plattform ins Spiel. Über die App kann der Nutzer an seine bevorzugte Apotheke angebunden werden und Medikamente direkt bei seiner Apotheke in der App bestellen und steht dann auch digital in Verbindung mit dir als Endkunde. Das ist eine sehr interessante Synergie, die es so noch nicht gibt.

Kann ich mir die Apotheke aussuchen?

Hinter der App steht deine lokale Apotheke, du kannst aber auch über unsere Plattform kaufen, dann kannst du dir aussuchen, wer deine Partnerapotheke wird. Das kann zum Beispiel unsere Online-Apotheke sein, das kann aber auch die Apotheke bei dir vor Ort sein, und dann ist das die Apotheke, die dich nachversorgt.

Wie denken die Apotheken über miomedico?

Große Filialapotheken denken bereits sehr stark in diese digitale Richtung. Überzeugungsarbeit ist eher bei den Einzelkaufleuten zu leisten, die ein oder zwei Geschäfte haben. Sie sehen oft in erster Linie Gebühren auf sie zukommen und nicht den enormen Profit, den digitale Lösungen bringen. Es wird sich zeigen, wie die Akzeptanz dort ist. Wer unser Produkt richtig verstanden hat, wird es mit Sicherheit nutzen.

Ist miomedico startklar?

Die sechs Basismodule sind alle fertig. Später wird es Erweiterungs-Sets dazu geben. Zum Beispiel für Menschen mit Hautproblemen oder Allergiker können die Basis-Module durch Extra-Module ergänzen. Für die App haben wir gerade ein MVP fertiggestellt.

Ein Testfeld ist eure Reiseapotheke, die bereits verkauft wird …

Das Ganze um eine Reiseapotheke zu erweitern, war eine logische Konsequenz, denn die meisten Leute brauchen Medikamente auch im Urlaub. Wir können uns gut vorstellen, dass der Weg von der Reiseapotheke zur Hausapotheke geht.

Die Reiseapotheke ist miomedico im Miniformat?

Wenn du so willst: ja. Die Reiseapotheke ist für eigene Medikamente gedacht. Sie enthält eine Liste von Empfehlungen, was man mit in Urlaub nehmen sollte. Ebenso die Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Außerdem Fieberthermometer, Pflaster, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Ohropax, Verbände usw. Dazu gibt es eine kleine Outdoortasche, die sich zum Beispiel beim Wandern gut im Rucksack verstauen lässt. Beide Taschen sind aus recycelten Stoffen von einem renommierten Outdoorlabel hergestellt.

Die Reiseapotheke läuft auch über eine App?

Ja, sie funktioniert über die App, aber auch auf Papier. Zwar liegt der Charme der App ganz klar im digitalen Mehrwert, aber wenn du zum Beispiel am Kilimandscharo bist, hast du höchstwahrscheinlich kein Netz. Dann ist es vielleicht ganz gut, alles analog bei sich zu haben.

Welche Features liegen noch in der Schublade?

Geplant sind erweiterte Beratungsfunktionen. Zum Beispiel für deinen Urlaub. Je nach Urlaubsziel geben wir dir Tipps, was du dort brauchst, was du alles mitnehmen solltest, welche Impfungen nötig sind oder wann du zur reisemedizinischen Beratung gehen solltest. Auch für die Themen Schwangerschaft und Geburt wollen wir Beratungsmodule anbieten.

Ihr seid seit vielen Jahren etabliert in euren Berufen. Ein Startup zu gründen ist ein ganz anderes Business … Wie geht euch das von der Hand?

Das war tatsächlich alles ganz neu für uns. Wir haben uns deshalb damals beim CyberLab Accelerator beworben und waren total happy, dass wir genommen wurden. Wir sind nach wie vor große Fans von diesem coolen Programm. Der Input, den wir erhielten, war sehr wichtig für uns, weil wir mit dem Startup-Markt vorher noch nie in Berührung gekommen waren. Mal abgesehen von dem tollen Netzwerk bekamen wir viele nützliche und wichtige Anleitungen zu den relevanten Gründungsthemen. Diese Erfahrung war für uns megawichtig.