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Fotografiere dein Schnitzel mit dem Smartphone. Zwei Sekunden später hast du die Kalorien auf deinem Screen.

Ariane Lindemann spricht mit Verena Heusser und Tobias Kahlert von DishDetective über ein ziemlich revolutionäres Ding.

Kalorien-Apps gibt es ja viele. Aber eure Idee ist unfassbar simpel …

Das stimmt. Weil du mit unserer App lediglich ein Foto von deinem Essen machst und sofort Kalorien und Nährwerte angezeigt bekommst. Ein Klick. Mehr nicht.

Bei den üblichen Kalorientrackern muss man das, was man isst, grammgenau erfassen …

Ja, und das kostet Zeit. Oft erreicht man dann eher das Gegenteil von dem, was man eigentlich will: Dass man die App nicht nutzt, weil einem die ständige Eingabe lästig wird.

Also Smartphone raus, Bild machen – und dann?

Den Rest übernimmt unsere Nährwert-KI. Sie analysiert sofort die Portionsgröße, die Kalorien und die Makronährwerte – das sind Fett, Protein und Kohlenhydrate.

Kurz und schmerzlos. Aber woher weiß eure KI, welche Menge ich auf meinem Teller habe? Ob mein Schnitzel groß oder klein ist?

Wir haben einen speziellen Algorithmus, der darauf spezialisiert ist, zu erkennen, wie groß ein Gericht ist. Er verwendet alles aus dem Bild, um das Essen zu verstehen – also auch die Art von Teller und sogar Hände, Besteck oder Objekte im Hintergrund als Größenreferenz.

Die KI kann außerdem auch feine Details verwerten, teilweise sogar besser als man das als Mensch könnte. Sie kann sie gut einschätzen, was im Essen ist und wie viele Nährwerte es ungefähr hat.

Wie kann die KI einen Magerquark von einem 40-prozentigen Quark unterscheiden?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Hier werden die Algorithmen immer besser. Das bedeutet, dass selbst kleinste Unterschiede erkannt werden. Ein fetter Quark hat eine seidigere Oberfläche und glänzt mehr. Das ist zum Beispiel auch für eine Sauce oder für Salatdressing wichtig. Hier muss die KI erkennen, ob viel Fett drin ist oder weniger. Momentan arbeiten wir hier noch mit einem Mittelwert. Aber unsere Lösung ist auch in der Lage, den Kontext zu analysieren. Wenn man zum Beispiel Pellkartoffeln mit Quark isst, kann man annehmen, dass dem Quark noch Milch oder Sahne beigemischt wurde, damit er eine cremige Konsistenz bekommt. Dieser Kontext fließt in die Analyse mit ein.

Gibt es eine Grenze, wo eure KI sagt: Das kann ich beim besten Willen nicht erkennen?

Eigentlich nicht. Außer, du versteckst dein Schnitzel unter einem Salatblatt. Spaß beiseite. Wir wollen schon dahin kommen, dass die Erkennung optimal ist. Allerdings gibt es natürlich Spezialgerichte oder, um bei dem Beispiel mit dem Quark zu bleiben, solche, wo wir ohne ergänzende Hinweise nicht auskommen.

Das heißt?

Das würde bedeuten, dass man vor der Ausgabe des Ergebnisses gefragt wird, um welchen Quark es sich handelt. Mehr sollte es aber auch nicht sein, denn unsere App soll ja in erster Linie auch durch die Benutzerfreundlichkeit überzeugen und wir wollen natürlich nicht, dass man sich durch zig Abfragen durchklicken muss. Aber für bestimmte Fälle ist das sicherlich hilfreich und auch minimal vom Aufwand her, da es lediglich ein weiterer Klick ist.

Bei einem Startup teilt man sich üblicherweise ein Büro. Ihr teilt auch euer Appartement. Das ist eher ungewöhnlich.

Das stimmt. Für uns hat sich diese Form als optimal herausgestellt, weil wir Kosten sparen, kurze Wege haben und uns immer unkompliziert treffen können. Ein wichtiger Punkt war auch, dass wir gemeinsam gekocht haben. Denn für die Portionsgrößenbestimmung haben wir hunderte von Gerichten selbst zubereitet. Jedes Gericht, das wir gegessen oder gekauft haben, haben wir gewogen und daraus selbst unseren Datensatz zusammengestellt. Da macht es natürlich Sinn, wenn man nicht für jedes Essen einen Termin ausmachen muss. Wir haben hier ein gemeinsames Büro, eine Chillout-Zone und sind natürlich viel gemeinsam in der Küche …

Beim gemeinsamen Abendessen ist auch eure Idee entstanden …

Lukas, Robin und ich (Verena) haben ein Praktikum am KIT gemacht. Wir sind alle drei Informatiker. In einem Praxiskurs sollten wir ein frei gewähltes Thema mit Hilfe von Bildverarbeitung lösen. Anforderung war, dass es praktisch realisierbar ist und dass es ein Problem aus der realen Welt löst. Beim Abendessen kam uns relativ schnell die Idee mit dem Foto. Denn gesunde Ernährung ist ein großes und wichtiges Thema. Dabei geht es nicht nur um die Kalorien, sondern auch um die Nährwerte. Wir waren ja damals selbst noch Studenten und haben viel billiges Essen, wie Pasta mit Soße, gegessen. Wir dachten: Es wäre doch cool, wenn mir jemand sagen würde: Hey, du hast jetzt schon zum dritten Mal in der Woche Nudeln gegessen. Vielleicht wären zur Abwechslung ein paar Vitamine gar nicht schlecht.

Ist eure App schon auf diesem Level?

Momentan läuft gerade unsere kostenlose Beta-App, die zunächst mit den oben genannten Grundfeatures läuft. Nach und nach wollen wir gerne weitere Features hinzufügen. Wir haben sehr viele Kundeninterviews geführt, die für uns wertvoll und wichtig waren, um den Bedarf und die Wünsche zu erkennen.

Was wünschen sich die Leute von einer solchen App außer den Kalorienwerten noch?

Neben den reinen Kalorien- und Nährwertangaben wollen die Menschen gerne ein visuelles Tagebuch, mit dem sie einen einfachen Überblick über die Ernährung erhalten können. Sie wollen aus dem, was sie essen, lernen und ihre Ernährung verbessern. Zum Beispiel mehr Vitamine, weniger Zucker. Aber auch Allergiker oder Vegetarier wünschen sich zusätzliche Features. Diese Art der Personalisierung könnte sehr interessant werden. Da arbeiten wir dran.

„DIE BESTE ERNÄHRUNGS-APP, DIE ES GIBT!“

Könnte das eine mögliche Schlagzeile über DishDetective in den nächsten Jahren sein?

Natürlich wünschen wir uns, dass unsere App die beste Ernährungs-App wird, die einfachste, die präziseste, die es auf dem Markt gibt.

Könnte das Tool auch für Ernährungsberater interessant sein?

Absolut. Da wollen wir uns hin entwickeln. Hier müssen wir allerdings noch Arbeit leisten. Wir suchen gerade nach Unternehmen, die interessant sein könnten.

Damit zündet ihr die zweite Stufe.
War das ein Thema im CyberLab Accelerator?

Ja, das ist unsere nächste Herausforderung. Wir befassen uns mit dem Gedanken, ob wir einfach bei dieser App-Lösung bleiben sollen oder ob wir eher in Richtung B2B gehen, wo wir dann unsere Expertise, also unsere technischen Fähigkeiten und den Zugriff auf unseren Algorithmus, weiterverkaufen. Zum Beispiel an Firmen, die dafür bereits die entsprechenden Plattformen haben, wie MyFitnessPal oder andere größere Ernährungs-Apps. Das war ein großes Learning im CyberLab, weitere Alternativen zu identifizieren.

Habt ihr euch schon festgelegt?

Uns war es wichtig, zu sehen, dass wir einen Teil dieses wichtigen Themas revolutionieren können. Denn der Bedarf ist ja wirklich da. Welches Geschäftsmodell es in Zukunft wirklich wird, damit befassen wir uns jetzt intensiv.

Wie seid ihr bisher finanziell über die Runden gekommen?

Das war auch ein Punkt, wo uns das CyberLab viel geholfen hat. Momentan werden wir über ein Exist-Stipendium finanziert – in Zusammenarbeit mit dem KIT, weil wir damals am KIT begonnen haben. Das ist ein Stipendium für Startups, die vorhaben, aus der Wissenschaft auszugründen. Also für uns das ideale Paket. Das bedeutet ein Jahr Finanzierung für unseren Lebensunterhalt, für uns drei, Tobias, Robin und mich, da wir drei in Vollzeit arbeiten. Ähnlich geht es nächstes Jahr weiter mit dem Baden-Württemberg-Programm der Jungen Innovatoren. Somit sind wir erst mal sicher, dass wir wirklich unseren normalen Lebensunterhalt stemmen und fleißig an unserem Projekt arbeiten können. Ab nächstem Jahr müssen wir schauen, ob wir da ein weiteres Investment aufnehmen, da sind wir gerade in Gesprächen.

Wie verdient ihr Geld? Die meisten Kalorien Apps sind ja kostenlos …

Langfristig wollen und müssen wir natürlich Geld verdienen. Eine Möglichkeit wäre eine B2B-Variante, die so aussieht, dass unsere Partner uns Bilder übermitteln und wir ihnen die Ergebnisse zurückschicken. Wenn wir nur die App weiterlaufen lassen, könnten wir uns vorstellen, diese mit einer Premium-Version zu monetarisieren.

Wie hat euch das CyberLab da geholfen?

Wir hatten bereits einen Accelerator in München durchlaufen, wollten dann aber gerne noch ins CyberLab. Dafür gab es mehrere Gründe: Einmal, weil es hier vor Ort in Karlsruhe ist und weil man hier gut Leute kennenlernen kann. Im anderen Programm lag der Fokus mehr auf Business-Analyse. Im CyberLab kam noch mal viel mehr Wissen rüber, zu Themen wie: Wie machen wir das mit Investoren, wie funktioniert B2B-Marketing etc. Das hat uns wirklich sehr viel geholfen. Wir haben dadurch einige Pläne wieder über den Haufen geworfen, weil wir mehr Wissen hatten. Gerade im Bereich B2B waren wir noch viel vorsichtiger und wollten das gerne weiter nach hinten schieben. Erst mal noch an unserem Algorithmus arbeiten, bessere Werte generieren. Aber da wurde uns ziemlich eingetrichtert: Ihr müsst euch früher darum kümmern. Auch in dieser Hinsicht war das CyberLab super wertvoll.

Habt ihr euch das Gründen so vorgestellt?

Am Anfang hatten wir schon die Vorstellung, wir sind ein Technik-Startup und wir arbeiten vor allem an unserer Technik. Aber es gibt eben doch diese ganzen anderen Aufgaben, wie zum Beispiel das Netzwerken, die Accelerator Programme, die doch viel Zeit in Anspruch nehmen, uns aber im Umkehrschluss genauso viel bringen. Uns hat schon sehr überrascht, dass es viele große Aufgaben gibt, die uns vorher nicht bewusst waren. Auch sehr viel Kleinkram im alltäglichen Geschäft. Und da sind wir mittlerweile auf einem sehr guten Kurs. Wir haben einen Weg gefunden, wie wir auch diese Aufgaben gut lösen können und wie wir unsere Rollenaufteilung so organisieren, dass es keine Überschneidungen gibt und wir uns aber auch Flexibilität erhalten, wenn neue Dinge dazukommen. Zum Beispiel beim Thema B2B – da gibt es bis jetzt noch keine konkrete Regelung. Aber wir wissen, dass wir alle bereit sind, uns da einzubringen.

Hättet ihr während des Studiums gedacht, dass ihr mal Unternehmer werdet?

Verena: Nie! Ich wollte nach meinem Informatik-Master promovieren und unbedingt in der Forschung bleiben. Ich hätte nie gedacht, dass ich damit mal mein Geld verdienen werde.

Tobias: Ich habe vorher als Informatiker gearbeitet, der Job hat mir sehr viel Spaß gemacht. Aber ein Startup ist noch mal ein ganz anderes Abenteuer. Es sind sehr vielseitige Aufgaben und man lernt täglich dazu. Das ist faszinierend. Ich habe mein Mindset geändert. Vorher war ich eher technisch eingestellt. Mittlerweile denke ich immer mehr, dass es auch benutzbar und verkaufbar sein muss.