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Die heutige Geschäftswelt erfordert von Unternehmen eine kontinuierliche Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen und Anforderungen. Um diese Agilität und Flexibilität zu erreichen, spielen Organisations- und Prozessentwicklung eine zentrale Rolle. Mithilfe von Organisations- und Prozessentwicklung kann eine Verbesserung von Strukturen, Abläufen und Arbeitsweisen in einer Organisation erzielt werden. Dabei werden sowohl interne Organisationsstrukturen als auch Geschäftsprozesse analysiert, optimiert und angepasst, um Effizienz, Qualität und Flexibilität zu steigern.

Hierzu haben wir den Lean-Leadership Experten Marco Rodermond interviewt. Mithilfe seiner fundierten Kenntnisse und langjährigen Erfahrung unterstützt er Führungskräfte dabei, Wege zu finden, wie sie sowohl bei sich selbst als auch in ihren Organisationen Effizienz-Möglichkeiten schaffen können. Zudem vermittelt er sein Wissen im Rahmen des Moduls Organisations- und Prozessentwicklung im Scale-up Leadership Programm an aufstrebende Gründer*innen und Führungskräfte.

Im Folgenden beantwortete er unsere Fragen zum Thema Organisations- und Prozessentwicklung.

Was lernen die Teilnehmenden im Modul Organisations- und Prozessentwicklung im Scale-up Leadership Programm?

Im Modul „Organisations- und Prozessentwicklung“ geht es hauptsächlich darum, zu lernen, wie man die Kultur eines Unternehmens in Richtung Prozessorientierung und kontinuierlicher Verbesserung entwickeln kann. Dies beinhaltet zum Beispiel die Sensibilisierung der Potenziale der Führungskräfte und Mitarbeitenden sowie unnötige Arbeitsschritte in Prozessen zu erkennen. Die Teilnehmenden lernen, dass dabei nicht die autoritäre Top-down-Anweisung im Vordergrund steht, sondern vielmehr ein organisch gewachsenes kulturelles Umdenken.

Die Grundidee hinter dem Thema ist, bestehende Abläufe methodisch angeleitet zu hinterfragen und daraus Verbesserungsimpulse abzuleiten. Dieses Konzept wird mit Elementen aus dem Changemanagement angereichert, das sich stark auf menschliches Verhalten und Akzeptanz konzentriert. Denn letztlich kann eine Veränderung nur erfolgreich sein, wenn sie von den Menschen mitgetragen wird. Dafür ist eine klare Kommunikation über die Gründe und Vorteile der Veränderungen notwendig.

Was sind die größten Herausforderungen bei dem Thema?

Sowohl Startups als auch etablierte Unternehmen sehen sich stets mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Mitarbeitenden zu motivieren. Ein großes Anliegen bei dem Thema ist, wie man auf unterschiedliche Persönlichkeitstypen eingeht. Hierbei ist es für Führungskräfte entscheidend, die Bandbreite der Persönlichkeiten zunächst zu verstehen und darauf aufbauend zu lernen, wie sie diese Diversität effektiv berücksichtigen können. Wichtig ist zu verstehen, dass es keine pauschale Lösung gibt, die einfach auf alle angewandt werden kann. Oft denken Führungskräfte, dass finanzielle Anreize der ultimative Motivator seien, doch in vielen Fällen trifft das nicht zu. Tatsächlich spielen individuelle Anerkennung und Wertschätzung eine viel bedeutendere Rolle, wenn es um die Motivation der Mitarbeitenden geht.

Eine zusätzliche Herausforderung ist neben der tatsächlichen Umsetzung von Veränderungen im Unternehmen deren Stabilisierung im Alltag. Hier ist oft ein angepasstes Führungsverhalten notwendig. Konkret bedeutet es zum Beispiel, dass nach der Einführung von Verbesserungen Führungskräfte viel öfter und intensiver den noch „wackeligen“ neuen Prozess betreuen und damit den Mitarbeitenden helfen, schneller eine neue Arbeitsroutine zu entwickeln.

Inwiefern ist Lean Management ein Bestandteil von Organisations- und Prozessentwicklung?

Um diese Frage zu klären, möchte ich gerne auf die Begrifflichkeiten eingehen. Lean kommt aus dem Englischen und bedeutet schlank. Hierbei geht es darum, Verschwendungen in Unternehmen zu entdecken, zu reduzieren und somit Prozesse effizienter zu gestalten.

Lean Management ist also eine Art Regenschirmbegriff, unter dem verschiedene Methoden und Ansätze zusammengefasst werden. Von der Führungsperspektive aus betrachtet, bezieht sich Lean Management auf den Teil der Führung, der notwendig ist, um ein solches verbessertes System erfolgreich umzusetzen. Es handelt sich um die Aufgabe der Führungskräfte, diesen Wandel zu initiieren und zu unterstützen, indem sie ihre Teams qualifizieren und befähigen, die Prinzipien des Lean Managements zu verstehen und anzuwenden.

Was sind aus deiner Sicht die Grundeigenschaften einer guten Führungskraft?

Im Englischen wird eine Führungskraft sowohl als „Manager“ als auch als „Leader“ bezeichnet. Diese beiden Aspekte grenzen sich wie folgt ab: Manager*innen kümmern sich um den reibungslosen Ablauf und die logische Struktur, stellen sicher, dass Prozesse optimiert werden und Ergebnisse erzielt werden. Hierbei liegt der Fokus auf der sachlichen Ebene und den organisatorischen Aspekten. Im Kontrast dazu steht die Bedeutung von Leader*innen. Leadership beinhaltet die Fähigkeit, Menschen zu begeistern und zu motivieren, um gemeinsam eine Vision zu verwirklichen. Es geht um die menschliche Ebene, bei der sowohl die individuellen Bedürfnisse als auch der Prozess ins Zentrum rücken. Hierbei werden nicht nur Kennzahlen betrachtet, sondern auch die Veränderungen im Kontext des menschlichen Handelns.

Eine erfolgreiche Führungskraft sollte beide Elemente in Einklang bringen, also sowohl ein*e effiziente*r Manager*in als auch ein*e inspirierende*r Leader*in sein. Dies ist besonders relevant für diejenigen, die in kleineren Unternehmen tätig sind, bei denen eine Generalistenrolle gefragt ist. Die Anforderungen können dabei vielfältig sein – von der Motivation der Mitarbeitenden bis hin zur finanziellen Stabilität. Das Ziel ist dabei aber immer, Menschen für eine gemeinsame Vision zu begeistern und gleichzeitig die organisatorischen Prozesse zu optimieren.

Es ist nicht notwendig, dass jede Führungskraft gleichermaßen stark in beiden Bereichen ist, doch die Erkenntnis, dass beide wichtig sind, legt die Grundlage für ihren Erfolg.

Welchen Vorteil haben Startups im Vergleich zu etablierten Unternehmen, wenn es um die Entwicklung und Optimierung der Organisation und der Prozesse geht?

Der größte Vorteil ist die Flexibilität. Für Startups ist es einfacher, innovative Ansätze und flexible Prozesse zu entwickeln, während etablierte Unternehmen oft starre Prozesse haben, die kaum Flexibilität bieten. Startups können von Beginn an eine prozessorientierte Denkweise pflegen, während etablierte Unternehmen oft Schwierigkeiten haben, ihre gefestigten Strukturen zu ändern und schnell auf Veränderungen zu reagieren.

In einem Unternehmen mit funktionierendem Lean Management gibt es klare Prozessstandards und Abläufe, die als Referenz für die effiziente Durchführung von Aufgaben dienen und so kontinuierliche Verbesserung erst möglich machen. In Startups mit einem ausgeprägten Verständnis von Lean entstehen nur dort, wo es aktuell notwendig ist praktikable und wertvolle Standards.

Zudem arbeiten etablierte Unternehmen häufig in strickt getrennten Abteilungen, was dazu führen kann, dass Prioritäten innerhalb der Abteilungen gesetzt werden, ohne die Gesamteffizienz des Prozesses im Blick zu haben. Startups hingegen können von Anfang an eine prozessorientierte Denkweise annehmen, bei der das Produkt bzw. der Produktentstehungsprozess im Vordergrund steht und eine flache Organisationsstruktur etablieren, die auch dazu beitragen kann, Veränderungen schneller umzusetzen.

Etablierte Unternehmen starten irgendwann aus einer Notwendigkeit heraus mit Lean und das bedeutet eine oft langwierige und schwere Transformation, die auch nicht immer erfolgreich ist. Ein Startup hingegen, kann mit den Lean Methoden und Denkweisen zu einem großen Unternehmen heranwachsen und baut Lean von Anfang an in die Unternehmens-DNA mit ein.

Wenn du den Teilnehmenden nur einen Satz mitgeben könntest, welcher wäre das?

Wenn ich mich auf einen Satz beschränken muss, dann würde ich das Zitat von Herrn Arnold H. Glasow wählen:
„Improvement starts with I.“