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Wer sich selbstständig machen möchte, ist meist voller Euphorie und von der Sache begeistert: Man möchte mit seinen Produkten und Dienstleistungen das Leben anderer verändern. Man möchte die Freiheit erleben, zu arbeiten, wann und wie man möchte, ohne in ein Korsett geschnürt zu sein. Die Möglichkeiten, sein Leben unabhängig zu gestalten, scheinen riesengroß. Gerade jedoch Gründer*innen, die aus ideellen Motiven gründen, laufen leicht Gefahr, ihre eigenen Möglichkeiten zu überschätzen.

Lohnt sich die Selbstständigkeit? Eine Excel-Tabelle lügt nicht

Wenn du dir unsicher bist, ob du wirklich den Schritt in die Selbstständigkeit wagen sollst, lohnt ein Blick auf die nackten Zahlen. Wir Menschen ticken nämlich so: Wir entscheiden mit dem Gefühl, und versuchen dann unsere Entscheidung mit Fakten zu begründen. Eine Finanzplanung – typischerweise in Excel erstellt – beantwortet die Frage: „Kann ich von meiner Selbstständigkeit leben?“ schwarz auf weiß und liefert damit auch Antworten auf die kritischen Fragen, die von Freunden und Bekannten gestellt werden, wenn du ihnen von deiner neuen Geschäftsidee erzählst.

Dieser ehrlichen und rationalen Betrachtung sollten sich alle Gründer*innen einmal unterziehen. Für Gründungsinteressierte, die in den ersten Monaten finanzielle Förderung vom Staat erhalten wollen, ist sie sogar Pflicht:

Personen, die aus der Arbeitslosigkeit gründen und noch mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 (ALG 1) haben, haben die Chance, sich für einen Gründungszuschuss bei der Agentur für Arbeit zu bewerben. Erhalten sie den Zuschuss, bekommen sie für sechs Monate Geld in Höhe des ALG 1 plus weitere 300,- € für die Deckung ihrer Sozialversicherungskosten.

Für die Bewerbung um den Gründungszuschuss müssen sie die Hürde einer sogenannten Tragfähigkeitsbescheinigung nehmen: Damit bestätigt eine externe Stelle der Agentur für Arbeit, dass die Gründerin oder der Gründer langfristig von den Einnahmen, die das Unternehmen abwirft, leben kann.

Wie kommst du nun zur Tragfähigkeit?

Schritt für Schritt zur Antwort der Frage: Kann ich von meiner Selbstständigkeit leben?

Das brauchst du, um diese zu erstellen:

  • Eine Zusammenstellung deiner Lebensunterhaltungskosten
  • Deine geplanten Umsätze
  • Eine Übersicht deiner Betriebsausgaben

Lebensunterhaltungskosten

Hier geht es um die Frage: Was brauchst du monatlich, was möchtest du dir leisten? Zu deinen Lebensunterhaltungskosten zählen alle privaten Kosten für Essen, Miete, Kleidung, Kranken- und Vorsorgeversicherungen, Hobbies, Kinderbetreuungskosten etc. Liste alle Posten untereinander auf.

Tipp: Bedarfsrechner wie der Haushaltsrechner von der Sparkasse gehen von 700,- € Lebensunterhaltungskosten plus Miete für einen Erwachsenen aus.

Die Summe deiner Lebensunterhaltungskosten benötigst du für deine spätere Liquiditätsplanung. Dort führst du sie unter dem Begriff „Privatentnahmen“ auf.

Deine geplanten Umsätze

Deine Umsatzplanung stellst du typischerweise monatlich auf. Hersteller von Produkten planen ihre Umsätze durch die Anzahl der verkauften Einheiten. Dienstleister planen ihre verrechenbaren Stunden oder Tage.

Die Frage, die sich dann automatisch stellt, ist: Wie hoch muss dein Stundensatz sein? Welche Stunden kannst du dem Kunden in Rechnung stellen, wenn du Urlaub und Feiertage, Krankheit, Akquise, Fahrtzeiten und Büroorganisation abziehst?

Dieser Online-Rechner hilft Dienstleistern dabei, das Einkommen auf Basis der verrechenbaren Arbeitszeit zu berechnen.

Deine geplanten Umsätze kommen als Betriebseinnahmen in die Liquiditätsplanung und die Rentabilitätsvorschau.

Eine Übersicht deiner Betriebsausgaben

Welche Ausgaben hast du, damit du deinen Betrieb am Laufen halten kannst?

  • Miete und Nebenkosten – Wirst du dir ein Büro anmieten?
  • Fahrt- und Reisekosten – Wie hoch sind deine Benzin-, Bahn- und Flugkosten, um zu Kundenterminen, Messen etc. zu fahren?
  • Werbungskosten – Wie viel Geld benötigst du, um auf deine Angebote aufmerksam zu machen, online wie offline?
  • Materialkosten – Welche Materialien brauchst du, um deine Produkte herzustellen?
  • Fremdleistungen – Welche Lieferanten und Dienstleister musst du bezahlen?
  • Personalkosten – Wirst du Mitarbeiter haben? Wenn ja, wie viel Gehalt und Sozialversicherung fallen dafür an?
  • Beratungskosten – Wirst du eine Steuerberatung in Anspruch nehmen?
  • Kammer- und Innungsbeiträge – Fallen bei dir beispielsweise Mitgliedsbeiträge für IHK oder HWK an?
  • Büromaterial – Welche Verbrauchsmaterialien benötigst du?

Von den Umsätzen zur Liquidität und Rentabilität

Wenn du deine Umsätze, deine Kosten und deinen Privaten Lebensbedarf kennst, kannst du deine Liquidität prüfen.

Die Liquiditätsvorschau berücksichtigt den aktuellen Kontostand deines Geschäftskontos und beantwortet dir damit Monat für Monat die Frage: Kann ich meine Rechnungen noch bezahlen? Oder rutsche ich bei der Bank direkt ins Minus, wenn ich eine größere Investition tätige?

Für diese Beurteilung werden deine monatlichen Ein- und Ausgaben (auch die Privatentnahmen) inklusive der Steuervorauszahlungen berücksichtigt. Die Steuerzahlungen ergeben sich aus deinem Gewinn (Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben), den du in der Rentabilitätsvorschau ablesen kannst.

Steht nach Auflistung deiner Ein- und Ausgaben unter dem Strich ein Plus? Dann kannst du schon mal zufrieden sein, denn nach deiner aktuellen Planung kannst du zumindest schon einmal deine Rechnungen bezahlen.

Nun fehlt noch die Rentabilitätsvorschau: Sie zeigt an, wie viel Gewinn oder Verlust dein Unternehmen macht. Hier werden außerdem Abschreibungen (z. B. für Maschinen, Computeranlagen etc.) berücksichtigt, die deinen Gewinn anteilig über die Nutzungsdauer deiner Anschaffung mindern.

Zusammengenommen setzt sich eine ausführliche Finanzplanung für deine Gründung aus den folgenden Punkten zusammen:

  • Private Lebensführung
  • Liquiditätsplanung (i. d. R. für 2 Kalenderjahre, monatliche Betrachtung)
  • Rentabilitätsvorschau (i. d. R. für 3 Kalenderjahre, jährliche Betrachtung)

Diese Finanzplanung ist ein traditioneller Bestandteil des Businessplans, bei dessen Erstellung dir kompetente Gründerberater gerne zur Seite stehen.

Und was, wenn ich feststelle, dass ich nicht von meinen Einnahmen leben kann?

Dies mag zunächst ein Rückschlag sein! Doch solltest du froh sein, dies frühzeitig erkannt zu haben, denn so kannst du an Alternativen arbeiten. Vielleicht hilft dir vorübergehend ein Nebenjob, um deinen Lebensunterhalt zu decken. Oder du machst dich auf die Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen oder du löst dich übergangsweise von kostspieligen privaten Verpflichtungen. Gegebenenfalls lohnt sich auch der Blick auf dein komplettes Geschäftmodell: Vielleicht gibt es attraktivere Wege, Einnahmen zu generieren als du geplant hattest?

Du möchtest gründen und hast noch viele Fragezeichen im Kopf?!

Anlaufstellen für Existenzgründer in Baden-Württemberg sind z. B. die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern oder Hochschulen. Darüber hinaus bietet das CyberForum eine branchenunabhängige Gründungsberatung an. Die Zielgruppe umfasst Gründungsinteressierte, Einzelgründer*innen und Teams.