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Das Thema Vertical Farming erfreut sich auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Wir haben mit Bastian Winkler von Geco-Gardens über den Trend hin zum urbanen Kleingartensystem gesprochen, mit dem immer mehr Menschen ihr Obst und Gemüse selbst erzeugen.

Lieber Bastian, du bist Gründer des Stuttgarter Unternehmens Geco-Gardens – „Urban Gardening mit viel Know-How“. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Geco-Gardens plant und baut vertikale, automatisierte Kleingartensysteme für die ökologische Eigenproduktion von Gemüse, Obst, Früchten, Kräutern und Zierpflanzen vor der eigenen Türe. Dadurch werden mitten in der Stadt neue Gartenflächen auf Balkonen, Terrassen, Innenhöfe und Flachdächern geschaffen.

Dafür nutzen wir ein innovatives, rein ökologisches Anbauverfahren das wir Terrabioponik nennen: Die Pflanzen wachsen neben Erde (terra) in einer organischen Nährlösung (ponik). Die Nährstoffe werden auf natürliche Weise durch Wurmkompostierung aus den eigenen Bioabfällen (bio) rückgewonnen.

Das hört sich ja alles ziemlich technisch an. Kommt bald noch die Anbindung an die Cloud und die Geco iPhone-App? ;)

Genau. In der heutigen Zeit geht es ja fast nicht mehr ohne – und eine Steuerungs- und Info-App wird der nächste Entwicklungsschritt sein. Der integrierte Wasser- und Nährstoffkreislauf soll darüber von überall aus steuerbar sein, eine interaktive Pflanzanleitung bieten und Geco-Gärtner vernetzen.

Wie bist du auf die Idee gekommen?

Im Rahmen meiner Promotion an der Uni Hohenheim beschäftige ich mich mit der Einführung erneuerbarer Energien in kleinbäuerliche Agrarsysteme in den Schwellenländern Südafrika, Indien und Brasilien. Ziel ist es lokal angepasste, integrierte Nahrungs- und Energiesysteme zu schaffen, die auf ökologische und effiziente Weise gesunde Nahrung und erneuerbare Energie produzieren – basierend auf lokal verfügbaren Ressourcen und geschlossenen Produktions- und Stoffkreisläufen.

Bei einem Forschungsaufenthalt in Südafrika lernte ich Luke Boshier kennen – einen Pionier auf dem Gebiet integrierter, landwirtschaftlicher Kreislaufsysteme. Dort bauten wir ein Terrassenanbausystem für die integrierte und ökologische Fisch-, Reis- und Gemüseproduktion. Davon fasziniert, entstand die Idee diese flächenunabhängige Anbauweise anzupassen, um auch in Städten Lebensmittel produzieren zu können. Die Fische wurden kurzerhand durch den Wurmkompost ersetzt und ein ansprechendes Design entwickelt.

Geco Gardens bringt Vertical Farming nach Stuttgart

An wen richten sich die Produkte von Geco-Gardens?

Geco-Gardens plant, fertig und verkauft ökologische Kleingartensysteme an Privatpersonen und Familien im urbanen Raum, die durch einen eigenen Garten ihren Lebensstil nachhaltiger gestalten wollen, eine Verbindung zur Natur suchen oder ihren Kindern zeigen wollen wie Lebensmittel produziert werden.

Neben Privatpersonen sind die Gartensysteme interessant für Firmen und Organisationen um ihr grünes Engagement zu zeigen, sowie für Kitas, Kindergärten und Schulen um die Lebensmittelproduktion und natürliche Kreisläufe bereits den Kindern zu vermitteln.

Wie kommt das Konzept bei den Leuten an?

Sehr gut – wie die Rückmeldungen der bisherigen Geco-Gärtner sowie das Publikum auf Messen und Ausstellungen zeigen. Die Leute sind begeistert von der Kombination aus direktem Abfallrecycling, natürlichen Stoffkreisläufen, erneuerbarer Energie und moderner Technologie – die eine rein ökologische Produktion, flächenunabhängig vor der eignen Türe ermöglicht.

Geco Gardens bringt Vertical Farming nach Stuttgart

Gibt es natürliche Grenzen, also bestimmte Vorhaben, die sich mit dem Setup nicht umsetzen lassen?

Die Geco-Gartensysteme schaffen ein kleines Agrarökosystem auf Balkonen, Terrassen, und Innenhöfen, also unter freiem Himmel. Daher ist eine ganzjährige Produktion nur mit technischer Erweiterung wie künstlicher Beleuchtung und Heizung möglich (was mit zusätzlichem Energieaufwand und natürlich Kosten verbunden ist). Aktuell orientiert sich die Bepflanzung an unseren Jahreszeiten und legt im Winter eine Pause ein.

Das Thema „Vertical Farming“ erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Sieht so die Zukunft aus?

In den nächsten Jahren wird sich der städtische Gartenbau weiterentwickeln und eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Durch den Trend der Urbanisierung werden immer mehr Menschen in Städten leben, gleichzeitig steigt aber auch das Verlangen nach einer natürlichen Umgebung sowie die Lebensmittelproduktion nach dem eigenen Geschmack.
Voraussichtlich werden dabei künstlich geschaffene Produktionssysteme sowie die Fassaden- und Dachflächen eine zunehmende Rolle spielen. Neben der Nutzpflanzenproduktion sind dabei auch stadtklimatische Aspekte (Kühlung, O2-Produktion und Feinstaubbindung) treibende Kräfte.

Auch politisch tut sich gerade einiges. Die urbane Lebensmittelproduktion ist integraler Bestandteil der 2016 ins Leben gerufene Innovationsplattform Zukunftsstadt des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und des BMUB (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Außerdem beschloss der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Anfang November 2016 das neue Programm „Zukunft Stadtgrün“ in den kommenden Jahren mit 50 Millionen Euro zu fördern. Städte soll(t)en also grüner und essbar werden.

Geco Gardens bringt Vertical Farming nach Stuttgart

Hast du ebenfalls den Eindruck, dass sich gerade auch jüngere Menschen wieder mehr mit den Themen Garten und Natur beschäftigen?

Den Eindruck habe ich auch. Vor allem technische Lösungen (und Spielereien) finden großen Anklang bei jüngeren Menschen, die in der Stadt gärtnern wollen.
Das Tolle ist, dass das Urban Gardening alle Generationen und gesellschaftlichen Schichten verbindet – wie ich selbst im Nachbarschaftsgarten auf einem Stuttgarter Parkhaus, in dem unsere Aquaponik-Anlage steht, erfahre. Das Urban Gardening schafft also nicht nur eine Verbindung zwischen ‚Mensch und Natur‘ sondern auch zwischen ‚Menschen und der Natur‘.