Die deutsche Risikokapitalszene wächst. Doch noch immer stehen die investierten Summen weit hinter dem Niveau der beispielsweise im Silicon Valley getätigten Investments zurück. Dabei gibt es in Deutschland genügend Startups und Gründer, die für ihren Durchbruch das große Investment suchen. Ein Gespräch mit Venture Capital-Investor Dr. Berthold von Freyberg von Target Partners über den deutschen Markt, internationale Expansion und Erfolge von Startups.
Die Idee steht, das Gründerteam ist komplementär besetzt und der Proof of Concept ist mit Pilotkunden erbracht. Doch für den breit angelegten Markteintritt fehlt noch das Geld. Friends & Family, Business Angels, Kleinkredit – Geldgeber für die ersten Wochen und Monate zu finden, ist für die meisten Gründer nicht das Problem. Doch bei der für den nächsten Schritt notwendigen Wachstums- oder sogenannten Series-A-Finanzierung ist es häufig eine Herausforderung, den richtigen Partner auf dem deutschen Risikokapitalmarkt zu finden. Einer der großen Player auf diesem Gebiet ist Target Partners. Die Münchener VCs investieren vor allem im Technologie-Bereich und suchen Märkte, in denen Innovation und starkes Wachstum möglich sind.
Herr Dr. von Freyberg, Sie sind ausgebildeter Physiker und haben einige Zeit als Entwickler und als Program Manager gearbeitet. Wie wurden Sie Venture Capital Investor?
Es war glückliche Fügung, dass meine beiden Gründungspartner und ich uns zur richtigen Zeit zusammenfanden. Wir hatten ähnliche Vorstellungen zur Zusammenarbeit mit Unternehmern und konnten unseren ersten Fonds in kurzer Zeit auflegen. Als Berufsweg kann man das, glaube ich, nicht planen.
Eine häufig getroffene Aussage ist, dass es nicht genügend risikobereite Kapitalgeber im deutschen Markt gibt. Wie schätzen Sie die Situation, auch im Hinblick auf den IT- und Hightech-Bereich ein? Sehen Sie Bedarf für mehr Player?
Das deutsche VC-Ökosystem zieht in den vergangenen Jahren vermehrt Wagniskapital an, auch aus dem Ausland. Deutsche Startups finden im Silicon Valley mittlerweile Beachtung. Doch würde ich mir von Investoren nicht nur im E-Commerce-Bereich, sondern auch im Tech-Bereich etwas mehr Risikofreude wünschen. Man braucht einen langen Atem, um etwas Großes ins Rollen zu bringen.
In einem offenen Brief an Gründer von 2013 benennt der Venture Capitalist Neil Rimer von Index Ventures einen Grund, der ihn manchmal an Investments in Deutschland hindert: Die Gründer hätten schon zu viele Anteile des Unternehmens an sehr frühe Investoren wie Familie oder Business Angels abgegeben. Was für Erfahrungen haben Sie mit diesem Phänomen gemacht?
Da ist etwas dran. Der Grund ist aber häufig einfach, dass es für junge Tech-Unternehmen in Deutschland immer noch viel weniger Kapital gibt als in manch andren europäischen Ländern oder den USA.
Angenommen, die Eigentumsstrukturen stimmen, die Idee überzeugt, das Gründerteam wirkt kompetent und zielstrebig, der Markt scheint bereit für das Produkt… Welchen Fehltritt kann sich kein Unternehmen auf der Suche nach Investoren erlauben?
Zum einen: zu langsam zu sein. In dynamischeren Technologien und Märkten werden die „windows of opportunity“ immer kleiner. Eine hohe Geschwindigkeit in der Umsetzung ist gerade in der frühen Phase entscheidend, auch bei der Finanzierungsrunde selber.
Zum anderen: es gibt immer gute und schlechte Nachrichten, auch während Finanzierungsrunden. Daher ist es besonders wichtig, dass man konsequent offen und ehrlich kommuniziert und auch keine Erfolge vorankündigt, die dann nicht stattfinden.
Haben Sie schon einmal nach einem Elevator Pitch „angebissen“?
Ja: Miro Wilms hat mich schon beim ersten Kennenlernen auf einer Veranstaltung von trecker.com überzeugt. Ein Elevator Pitch kann also eine wichtige Grundlage für eine Finanzierung sein. Für den ersten Eindruck gibt es schließlich keine zweite Chance. Entscheidend für eine Beteiligung ist jedoch immer die Due Diligence, die wir gemeinsam mit dem Gründer-Team durchführen.
Wie lange dauert der durchschnittliche Prozess vom ersten Kennenlernen bis zum tatsächlichen Investment?
Am besten ist es, wenn dieser Prozess nur wenige Wochen in Anspruch nimmt. Wenn man bei der Due Diligence operativ gut vorankommt und belastbare Beziehungen aufbaut, ist das ein gutes Zeichen für die Zusammenarbeit mit dem Gründer-Team nach der Finanzierung.
Was definiert für Sie ein erfolgreiches Investment? Und was für ein Anteil von VC-Beteiligungen ist im Schnitt erfolgreich?
In der Branche wird viel über „Einhörner“ gesprochen, also Startups, die einmal mehr als eine Milliarde US-Dollar wert sein werden. Es ist natürlich sehr gut, ein solches im Portfolio zu haben; was allerdings ausgesprochen selten ist. Wir suchen daher zuerst einmal „Fundmaker“, also Portfolio-Unternehmen, die das Potential haben, im Verkauf oder Börsengang den gesamten Fonds zurückspielen zu können.
Die meisten der Beteiligungen von Target Partners sind deutsche Firmen im IT- und Technologie-Bereich, welche auch international aktiv sind. In welcher Branche würden Sie gerne mal ein Investment ganz abseits der gewohnten Pfade tätigen?
Es gibt eine Reihe Branchen, die als verstaubt gelten und zum Beispiel durch Mobile Lösungen, Cloud Plattformen oder das „Internet of Things“ umgekrempelt werden. Mit trecker.com finanzieren wir beispielsweise ein IT-Startup, das eine Software-as-a-Service-Plattform für die Landwirtschaft entwickelt hat. Eine vermeintlich technologieferne Industrie, die jedoch weltweit ein riesiges Potenzial für Innovationen bietet.
Einige Unternehmen im Portfolio von Target Partners haben neben dem deutschen Gründungsstandort auch einen Standort in den Staaten, unter anderem in Palo Alto. Braucht ein international tätiges Tech-Unternehmen den unmittelbaren Kontakt zum Silicon Valley und den dort entstehenden Trends?
Für Technologie-Startups ist es heute oft wichtig, von Tag eins an global zu denken. Der erste Schritt der internationalen Expansion kann dabei gleich in die USA führen. Wir bieten unseren Portfolio-Unternehmen dort ein großes Netzwerk in der Industrie und bei Venture Capital-Investoren. Doch auch in Technologie-Clustern wie Berlin, München oder Karlsruhe entstehen zunehmend Unternehmen, die selber Trends setzen. Oft ist beispielsweise auch der Anschluss an die asiatischen Märkte entscheidend für den Erfolg.
Hand aufs Herz – welche Geschäftsidee hat Sie so richtig begeistert?
Die unseres Portfolio-Unternehmens So1. Mit ihren AI-Algorithmen für individuelle Preispromotions haben sie das Potential, die Einzelhandelsindustrie weltweit zu revolutionieren.
Und bei welcher konnten Sie nur mit dem Kopf schütteln?
Oh, da gibt es einige! Wir nennen sie „Odd Balls“. Die Firma mit der Klopapierbefeuchtungstechnologie werde ich nie vergessen.
Und als Rat für Gründer, die auf Kapitalsuche sind – was gehört in das Pitch Deck, das Sie als Risikokapitalgeber überzeugt? Mit anderen Worten – wie bekomme ich als Gründer einen Termin bei Target Partners?
Wir erwarten von Gründern vor allem, dass sie vom Potential ihrer Idee absolut überzeugt sind. Das Selbstbewusstsein, in ein paar Jahren nicht 30, sondern 300 Millionen Euro Umsatz machen zu wollen. Wer sich Venture Capital ins Unternehmen holt, der will keine gemütliche Kaffeefahrt. Man steigt in einen Formel 1-Wagen. Dafür brauchen Unternehmer eine gesunde Mischung aus Realitätssinn und überbordenden Optimismus.
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. von Freyberg!