Seit 2017 ist der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher in Deutschland besorgniserregend gestiegen: 9,5 Prozent der 3- bis 17-Jährigen sind übergewichtig, 5,9 Prozent leiden sogar an Adipositas. Besonders alarmierend sind die Zahlen bei Jungen zwischen 15 und 18 Jahren, bei denen 19 Prozent betroffen sind, während bei Mädchen im gleichen Alter 12 Prozent betroffen sind.* Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und hoher Medienkonsum spielen dabei eine große Rolle. In diesem Kontext wird Miriam Albrechts App Training Arc zu einer vielversprechenden Lösung. Im Interview mit Ariane Lindemann erzählt sie, wie ihre App Fitness und Spaß verbindet und dabei auch sozial benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene erreicht – und das alles mithilfe von Gamification und Anime-Elementen, um die Jugendlichen zu einer aktiveren und gesünderen Lebensweise zu motivieren bringt.
Deine Fitness-App Training Arc verbindet Bewegung mit Gamification und Anime-Elementen – ein spannender Ansatz! Wie kamst du auf die Idee, und was genau steckt hinter dem Konzept?
Die Idee entstand aus meiner Leidenschaft für Anime und meiner Arbeit als Pädagogin. Viele Kinder und Jugendliche tauchen in Videospiele und Anime ein – das wollten wir nutzen, um sie zu mehr Bewegung zu motivieren. Mit ‚Training Arc‘ bringen wir Anime in ihren Alltag und kombinieren es mit einem Fitness-Programm. Die App bietet eine Online-Storyline und Offline-Events, bei denen die Teilnehmenden spielerisch fitter werden. Zusammen mit dem KIT möchten wir erforschen, wie unser Ansatz Kinder und Jugendliche unabhängig von ihren Hintergründen und ihren Vorkenntnissen zu mehr Bewegung motivieren kann. Das Besondere: Man begleitet einen eigenen Charakter, der mit einem selbst stärker wird.
In welchen Altersgruppen ist die App besonders beliebt, und wie werden die Kinder und Jugendlichen in die Aktivitäten eingebunden?
Unsere Hauptzielgruppe sind Teenager zwischen 12 und 18 Jahren, aber auch jüngere Kinder zeigen Interesse. Die App ist jedoch erst ab 12 Jahren zugänglich, um den Smartphone-Gebrauch früh zu begrenzen. Jüngere Teilnehmende binden wir stärker über Offline-Events ein, die oft mit einem gesunden Snack wie dem ‚Shinobi Sunrise‘ beginnen. Durch spielerische Herausforderungen, wie in einer Anime-Story, werden die Kinder körperlich aktiver. Unsere Kamerasoftware erkennt Übungen und belohnt die Fortschritte – und die Story geht auch bei den Offline-Events weiter.
Aber ihr legt viel Wert darauf, dass es nicht nur um die Online-Komponente geht, sondern auch um reale Begegnungen und soziale Interaktion, richtig?
Absolut. Die Offline-Events sind ein wichtiger Teil unseres Programms, um die Jugendlichen von den Bildschirmen weg und in reale Begegnungen zu bringen. Wir legen besonderen Wert darauf, auch benachteiligte Kinder durch Kooperationen mit Jugendhäusern und Schulen zu erreichen. Diese Events stärken nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die sozialen Fähigkeiten – besonders bei introvertierten Jugendlichen, die hier leichter Kontakte knüpfen können.
Was passiert bei diesen Offline-Events genau?
Zu Beginn eines jeden Events machen wir gemeinsam einen gesunden Snack, meistens einen Smoothie oder Obstsalat. Das soll sicherstellen, dass alle eine gute Grundlage haben, bevor das Training startet. Wir wissen ja nicht immer, ob die Kinder richtig gefrühstückt haben. Danach geht es los mit verschiedenen Fitness-Challenges, die auf der Storyline unserer App basieren. Eine beliebte Übung ist zum Beispiel das Zielen und Werfen. Die Kinder zielen mit kleinen Wurfsternen auf eine Wand, und wer trifft, sammelt Punkte – natürlich alles im spielerischen Rahmen und mit sicheren Attrappen.
Ihr legt also nicht nur Wert auf Fitness, sondern auch auf eine gesunde Ernährung?
Genau, gesunde Ernährung ist ein wichtiger Teil unseres Programms. Viele Kinder wissen gar nicht, wie man sich selbst einfache, gesunde Mahlzeiten zubereitet. Daher integrieren wir das in unsere Offline-Events. Sie lernen, wie man mit wenig Aufwand leckere und gesunde Snacks macht, die sie auch zu Hause nachmachen können. Es geht darum, dass sie langfristig lernen, selbst Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen.
Du hast vorhin erwähnt, dass ihr vor allem mit Jugendhäusern zusammenarbeitet, um auch sozial benachteiligte Kinder zu erreichen. Wie wichtig ist euch dieser Aspekt?
Das ist uns extrem wichtig! Wir möchten, dass alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund, Zugang zu einem gesunden Lebensstil haben. Durch die Zusammenarbeit mit Jugendhäusern und Schulen erreichen wir auch die Kinder, die sonst vielleicht keine Möglichkeiten haben, an solchen Programmen teilzunehmen. Besonders in Familien, wo Gesundheit und Bewegung keine große Rolle spielen, können wir mit „Training Arc“ etwas bewegen.
Ist die App kostenlos?
Ja, uns ist wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen keine Kosten tragen müssen. Wir arbeiten daran, das Programm so zu finanzieren, dass es für alle kostenlos bleibt. Unser Ziel ist es, Krankenkassen als Partner zu gewinnen, um „Training Arc“ als Präventionsprogramm anzubieten. Außerdem hoffen wir, dass Städte und Jugendhäuser die App als Teil ihrer Angebote integrieren.
Plant ihr, das Angebot noch weiter auszubauen?
Auf jeden Fall! Momentan sind wir in Karlsruhe aktiv, planen aber, unser Programm auf weitere Jugendhäuser auszuweiten. Der nächste Schritt ist die Entwicklung einer ersten App-Version und Pilotprojekte in Kooperation mit dem KIT, um das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen zu erforschen. Wir arbeiten daran, Krankenkassen als Partner zu gewinnen und unser ‚Train the Trainer‘-Programm auszubauen, um unser Konzept in Schulen und Vereinen anzubieten. Unser Ziel ist es, noch mehr Kinder und Jugendliche zu erreichen, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund. Und bald auch Studierende, die noch keinen Anschluss finden konnten und ihr neues Lebenskapitel mit einem gesunden Start beginnen möchten.
Du hast auch erwähnt, dass ihr im CyberLab Accelerator wart. Wie hat euch diese Erfahrung geholfen?
Der Austausch und die Unterstützung im CyberLab waren extrem wertvoll. Das Programm hat uns nicht nur geholfen, unsere Idee weiter zu verfeinern, sondern auch wichtige Einblicke in die Struktur und Arbeitsweise anderer Startups gegeben. Wir haben dort sehr viel gelernt, insbesondere über Teamarbeit und die Bedeutung eines stabilen Gründer:innenteams. Was mir dabei besonders aufgefallen ist: Viele Startups scheitern nicht an ihrer Idee, sondern daran, dass das Team nicht gut funktioniert. Für uns war es eine Bestätigung, wie wichtig unser stabiles Team ist.
Gibt es etwas, das dich dort besonders überrascht hat?
Ja, tatsächlich war ich erstaunt, wie viele Startups grundlegende Dinge wie ein Impressum auf ihrer Website nicht hatten – was im schlimmsten Fall rechtliche Konsequenzen haben kann. Aber abgesehen davon hat mich die Atmosphäre im CyberLab wirklich begeistert. Es herrscht ein starker Zusammenhalt, und die Coaches haben uns mit ihrem Know-how enorm unterstützt. Diese Erfahrung hat uns nicht nur als Gründerteam, sondern auch mich persönlich in meiner Rolle als Unternehmerin gestärkt.
Was treibt dich persönlich an, dieses Projekt voranzutreiben?
Ich glaube fest daran, dass es wichtig ist, Kindern und Jugendlichen eine Ergänzung und Alternative zur digitalen Welt zu bieten, die sie gleichzeitig begeistert. Wir leben in einer Zeit, in der Bewegung und gesunde Ernährung nicht selbstverständlich und einfach zugänglich sind – und das schon in jungen Jahren. Mit „Training Arc“ möchte ich eine Brücke zwischen der digitalen Welt, die die Jugendlichen lieben, und einem gesunden, aktiven Lebensstil schlagen. Es geht mir darum, dass sie lernen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, sei es durch Bewegung, gesunde Ernährung oder soziale Interaktion.
Hast du für die Zukunft noch einen besonderen Wunsch für „Training Arc“?
Mein größter Wunsch ist, dass Social Impact Startups wie unseres in Deutschland mehr Unterstützung erhalten. Es ist traurig, dass so wenig in Projekte investiert wird, die sich um die Gesundheit und das Wohl der nächsten Generation kümmern. Das ist doch das wichtigste Investment überhaupt! Ich hoffe, dass sich da in den nächsten Jahren etwas ändert und mehr Bewusstsein dafür entsteht.
Dieser Artikel wurde in Kooperation mit dem CyberLab Karlsruhe erstellt. Das CyberLab ist die zentrale Anlaufstelle für Startups und Gründungsinteressierte im IT-Bereich.
Bist du auch gerade dabei, dein eigenes Unternehmen zu gründen und brauchst Starthilfe oder Gründungsberatung? Das CyberLab hilft dir gerne weiter. Hier findest du alle wichtigen Infos.
*Quelle: IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung. https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/fettleibigkeit