Wie kann der Mittelstand auf die Energiepreiskrise reagieren und gleichzeitig nachhaltiger werden? Thomas Keil, Mitgründer von EnergyTrack, hat eine innovative Antwort: Ein intelligentes Energiemanagementsystem speziell für KMUs. Im Interview mit Ariane Lindemann spricht er über den Weg von der Idee zur Umsetzung, die Herausforderungen im Markt und wie der CyberLab Accelerator ihn dabei unterstützt. Ein Gespräch über smarte Daten, Nachhaltigkeitsziele und ein Wiener Startup mit großen Ambitionen.
Thomas, stell uns doch EnergyTrack einmal vor. Wie seid ihr gestartet und wie groß ist euer Team mittlerweile?
EnergyTrack haben wir, mein Mitgründer Kyle und ich, 2023 gegründet. Die Idee kam uns, als wir in der „Austrian Startups“-Community ein Programm für Entrepreneurship durchliefen und merkten, dass das Thema Energieeffizienz im Mittelstand völlig unterrepräsentiert ist. KMUs wissen oft gar nicht genau, wo Energie verschwendet wird. Wir dachten: Da muss es doch eine smarte Lösung geben, die genau das sichtbar macht. Heute sind wir noch ein kleines Team: Kyle und ich als Gründer, eine Teilzeitkraft für Machine Learning, eine UX-Designerin und ein Entwickler für die Frontend-Seite. Also wirklich kompakt.
Du hast es eben angesprochen: Energieverschwendung sichtbar machen. Wie funktioniert das in der Praxis?
Unsere Lösung ist ein zentral gesteuertes System, das den Energieverbrauch im Unternehmen misst und über unsere Software analysiert. Kund:innen bekommen detaillierte Berichte und Handlungsempfehlungen, die ihnen helfen, den Verbrauch gezielt zu senken. Das Schöne ist: Wir können das maßgeschneidert für jedes Unternehmen anpassen. Es gibt sogar Standard-Kennzahlen, die direkt Effizienzpotenzial zeigen – etwa, wie viel Energie außerhalb der Geschäftszeiten verbraucht wird. Da haben wir oft erstaunliche Ergebnisse, bei denen bis zu 70% des Verbrauchs in Zeiten stattfinden, in denen eigentlich gar niemand da ist.
Und warum genau der Fokus auf KMUs? Was macht diese Zielgruppe so besonders?
Wir haben gemerkt, dass KMUs oft auf menschlich geprägte Abläufe setzen, bei denen der Verbrauch schwerer einzuschätzen ist. In der Industrie sind viele Prozesse automatisiert und laufen regelmäßig ab. Die Nutzung in Büros oder in Einzelhandesbetriebe dagegen sind deutlich schwerer vorhersehbar. Licht, Heizung, Server, Kühlgeräte – all das läuft oft auf Hochtouren, ohne dass man genau weiß, wann und wie intensiv. Genau da setzen wir an: Wir wollen Energieeinsparungen nicht nur theoretisch berechnen, sondern konkret und für jeden Kunden / jede Kundin individuell ermitteln, was er wirklich einsparen kann. Das bringt nicht nur ökonomische Vorteile, sondern hilft auch beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen.
Eure Softwarelösung scheint wirklich vielseitig einsetzbar zu sein. Habt ihr das bereits mit Kund:innen getestet?
Ja, wir haben bereits erste Pilotkund:innen. Zum Beispiel betreuen wir ein mittelständisches Unternehmen, das durch unser System schon beachtliche Einsparungen erzielen konnte. Ein weiterer Pilotkunde startet Anfang nächsten Jahres, und die Erfahrungen, die wir sammeln, fließen direkt in die Optimierung unserer Software ein. Die Rückmeldungen helfen uns, die Lösung so zu entwickeln, dass sie auf Dauer im KMU-Bereich Bestand hat.
Ihr seid seit kurzem im CyberLab Accelerator in Karlsruhe. Das ist ja nicht gerade um die Ecke von Wien aus. Was hat euch dorthin geführt?
Karlsruhe ist ein KI-Hub, und unsere Lösung basiert stark auf Künstlicher Intelligenz, um den Energieverbrauch zu analysieren und Vorschläge zu generieren. Also wollten wir dahin, wo die Expertise ist. Auf einer Veranstaltung in Wien bin ich dann mit einer Mitarbeiterin vom CyberForum ins Gespräch gekommen, und da habe ich gemerkt, dass das einfach passt. Uns hilft der CyberLab Accelerator nicht nur bei der Vernetzung, sondern auch mit gezielten Workshops, um unseren Product-Market-Fit zu schärfen. Und es ist nicht so, dass man da nur oberflächlich drübergeht – die Beratung ist unglaublich detailliert und bringt uns richtig voran.
„Manchmal unterschätzt man den Wert von Netzwerken – die Leute hier haben schon einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt, die wir nicht noch einmal durchleben wollen.“
Was konntet ihr bisher konkret aus dem Programm mitnehmen? Gibt es Beispiele, wie euch der Accelerator schon geholfen hat?
Auf jeden Fall. Ein Punkt, der uns extrem geholfen hat, ist der Austausch mit Mentor:innen, die uns wertvolles Feedback geben – da wird nichts durch die Blume gesagt, sondern wir bekommen ehrliches Feedback, und das brauchen wir. Ein Mentor, Ralf Ziegler, hat uns allein durch sein Wissen über 30 Jahre in der Branche extrem viel mit auf den Weg gegeben. Außerdem war der Austausch mit anderen Startups sehr wertvoll, da sie oft ähnliche Herausforderungen haben. Manchmal unterschätzt man den Wert von Netzwerken – die Leute hier haben schon einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt, die wir nicht noch einmal durchleben wollen.
Ihr seid also gut in der Entwicklung und habt erste Erfolge mit Pilotkund:innen. Was ist euer Ziel für 2024?
Unser Ziel ist es, unsere Software marktreif zu machen und im Laufe des Jahres den österreichischen Markt zu erschließen. Die Idee ist, KMUs eine Lösung anzubieten, die intuitiv und effektiv ist und gleichzeitig direkt zum Thema Nachhaltigkeit beiträgt. Wenn das erfolgreich läuft, wollen wir Ende 2025 den deutschen Markt angehen. EnergyTrack soll zu einer Lösung werden, die jedes Unternehmen einsetzen kann, um seinen Energieverbrauch zu senken – einfach und nachvollziehbar.
Euer Geschäftsmodell basiert auf einem Abo-Modell, richtig?
Genau, wir haben ein zweistufiges Abo-Modell entwickelt. Es gibt eine Basis-Version, die den Energieverbrauch überwacht und Berichte sowie Live-Benachrichtigungen über Anomalien liefert. Für Kund:innen, die es genauer wissen wollen, bieten wir ein sogenanntes Saver-Modell an. Da bekommt man nicht nur die Analysen, sondern auch konkrete Einsparvorschläge, die automatisch generiert werden. Der Clou: Wir verdienen am Einsparpotenzial mit, weil wir 15 % der Ersparnis als Gebühr berechnen. So profitieren beide Seiten, und es entsteht eine Win-Win-Situation.
Es gibt ja auch viele Unternehmen, die an ähnlichen Lösungen arbeiten. Was macht EnergyTrack besonders?
Es gibt viele Anbieter für Energiemanagementlösungen, aber die meisten setzen entweder auf hardwarelastige Lösungen, die mit hohen Anschaffungskosten verbunden sind, oder arbeiten nur mit Standardanalysen. Unser Ansatz geht weiter. Wir messen den Verbrauch zentral, analysieren ihn detailliert und können damit Muster in jedem spezifischen Umfeld und darauf aufbauend Energieverschwendung im jeweiligen Unternehmenskontext erkennen. Unser Fokus liegt auf der analytischen Herunterbrechung des Energieverbrauchs durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz auf jeweilige Komponenten wie Räumlichkeiten, operative Prozesse und sogar Geräteebenen. Dadurch können gezieltere Maßnahmen abgeleitet und deutliche höhere Einsparpotenziale erlangt werden. Viele Anbieter bieten das nur für Großunternehmen an, wir möchten unsere Lösung für Klein- und Mittelbetriebe nutzbar machen und uns darauf spezialisieren.
Eure Vision scheint sehr klar: Energiemanagement für jedes KMU zugänglich und verständlich zu machen. Welche Hürden müssen überwunden werden, damit das Thema tatsächlich in der Breite ankommt – und wie wollt ihr dazu beitragen, dass auch kleinere Unternehmen sich dem Thema widmen?
Eine der größten Hürden ist das Vorurteil, dass Energiemanagement ein komplexes und kostenintensives Thema ist – und oft nur für große Konzerne zugänglich. Genau das wollen wir ändern. Es geht uns darum, den Verbrauch einfach und leicht verständlich sichtbar zu machen und Lösungen anzubieten, die jedes KMU umsetzen kann. So können Unternehmen jeder Größe ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren und gleichzeitig Kosten sparen.
Dieser Artikel wurde in Kooperation mit dem CyberLab Karlsruhe erstellt. Das CyberLab ist die zentrale Anlaufstelle für Startups und Gründungsinteressierte im IT-Bereich.
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