Quantencomputer sind die nächste große Revolution – doch wo bringen sie echten Nutzen? Ein Karlsruher Startup hat eine Antwort: Die Technologie könnte schon bald die Medikamentenentwicklung beschleunigen und Diagnostik revolutionieren. Wie das genau funktioniert und warum man sich dabei nicht allein auf den Quantencomputer verlassen kann, erklärt Iris Schwenk, Mitgründerin von HQS Quantum Simulations, im Interview mit Ariane Lindemann.
Quantencomputer – für viele noch eine abstrakte Technologie. Was macht euer Startup genau?
Unser Ziel ist es, den Quantencomputer in die industrielle Anwendung zu bringen. Quantencomputer sind nicht einfach nur schnellere Computer – sie funktionieren nach den Prinzipien der Quantenmechanik und können damit Probleme lösen, die für klassische Computer nicht mehr machbar sind. Besonders spannend ist das für Chemie und Materialwissenschaften, denn Moleküle und Atome folgen ebenfalls den Regeln der Quantenmechanik.
Ihr setzt also auf eine Technologie, die heute noch nicht flächendeckend nutzbar ist?
Genau, aber unser Ansatz geht noch weiter. Wir entwickeln nicht nur Software für zukünftige Quantencomputer, sondern auch für herkömmliche Computer. Denn oft zeigt sich: Viele Probleme lassen sich auch mit klassischer Rechenpower schon sehr gut lösen. Der Quantencomputer wird dann nur noch für besonders komplexe Probleme eingesetzt.
Kannst du ein Beispiel geben, wo das konkret zum Einsatz kommt?
Ein spannendes Anwendungsfeld ist die Pharmaindustrie. Wenn Medikamente entwickelt oder hergestellt werden, muss genau überprüft werden, ob die Zusammensetzung stimmt. Dafür wird NMR-Spektroskopie genutzt – eine Methode, die mit riesigen, teuren Magnetresonanztomografen arbeitet. Es gibt aber auch kleinere, kostengünstigere Geräte, die einfacher zu handhaben sind. Das Problem: Ihre Messungen sind schwerer auszuwerten.
Hier kommt unsere Software ins Spiel. Sie nutzt hochentwickelte Algorithmen – und perspektivisch auch Quantencomputer –, um die Messdaten so genau aufzubereiten, dass selbst günstigere Geräte zuverlässige Ergebnisse liefern. Das könnte langfristig dazu führen, dass solche Analysen nicht nur in Forschungslaboren, sondern vielleicht sogar in Arztpraxen oder Apotheken möglich werden.
Das klingt nach einer echten Revolution – ein Bluttest per Spektroskopie in der Arztpraxis?
Noch sind wir nicht so weit, aber ja, genau das ist eine Vision! Wenn diese Technologie weiterentwickelt wird, könnte sie langfristig eine Rolle in der personalisierten Medizin spielen. Denkbar wäre, dass Ärzt:innen in Zukunft mit kleinen Geräten schnell und kostengünstig Blut- oder Urinproben direkt vor Ort analysieren.
Ihr entwickelt also Software, die heute schon einen Unterschied macht – und Quantencomputer kommen später ins Spiel?
Genau. Das ist auch unser Vorteil: Unsere Software funktioniert jetzt schon auf klassischen Rechnern und hilft Pharmaunternehmen, Prozesse zu optimieren. Wenn der Quantencomputer dann einsatzfähig ist, können wir ihn einfach in unser bestehendes System integrieren und so die Analyse noch weiter verbessern.
Apropos Quantencomputer – wann kommt der echte Durchbruch?
Die Hardwareentwickler wie IBM haben Roadmaps veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren der sogenannte „Quantenvorteil“ für echte Anwendungen erreicht wird. Das bedeutet, dass es dann erstmals reale Probleme gibt, die sich mit Quantencomputern effizienter lösen lassen als mit klassischen Supercomputern.
Ihr seid aus der Forschung heraus gestartet – wie hat sich der Übergang von der Wissenschaft in die Wirtschaft gestaltet?
Für uns war es extrem wichtig, aus der Uni herauszukommen und wirklich ins Unternehmertum einzusteigen. Wir haben damals im CyberLab unsere ersten eigenen Büros bezogen – das hat uns geholfen, diesen Schritt bewusst zu machen. Plötzlich waren wir nicht mehr in der Uni, wo ständig irgendjemand aus der Forschung vorbeikommt, sondern wir konnten uns voll auf unser Unternehmen konzentrieren.
Welche Rolle hat das CyberLab für euch gespielt?
Der Austausch mit anderen Startups war unglaublich wertvoll. Man steht ständig vor Herausforderungen, bei denen es Gold wert ist, wenn jemand sagt: ‚Probier’s mal so‘ oder ‚Hier ist ein Kontakt, der dir weiterhelfen kann.‘ Auch für unsere Finanzierung war das Netzwerk entscheidend – der CyberLab Accelerator hat uns bei der Vorbereitung auf unsere erste Finanzierungsrunde unterstützt. Wir waren eines der ersten Teams im Startup BW Pre-Seed-Programm und konnten damit eine Brückenfinanzierung sichern, die uns den nächsten großen Schritt ermöglicht hat.
Ihr engagiert euch heute selbst für junge Startups – warum ist euch das wichtig?
Das CyberForum war für uns ein entscheidender Faktor auf unserem Weg – und genau deshalb geben wir dieses Wissen und diese Unterstützung weiter. Ich bin mittlerweile selbst im erweiterten Vorstand des CyberForum, weil wir gesehen haben, wie sehr ein starkes Netzwerk dabei hilft, eine Firma erfolgreich aufzubauen. Dieses gegenseitige Unterstützen ist extrem wertvoll, besonders für Startups mit komplexen Technologien wie unserer.
Ihr habt gerade eine Förderung der Europäischen Kommission gewonnen – Glückwunsch! Was bedeutet das für euch?
Danke! Ja, wir haben beim EIC Transition Programm 2,5 Millionen Euro Fördermittel erhalten. Damit können wir unsere Technologie weiterentwickeln – insbesondere für Anwendungen in der Diagnostik. Das bringt uns einen riesigen Schritt nach vorne.
Letzte Frage: Was rätst du anderen Deep-Tech-Startups?
Früh mit echten Anwender:innen sprechen. Gerade wenn man aus der Wissenschaft kommt, hat man oft eine brillante Idee – aber das heißt nicht, dass sie in der Praxis wirklich gebraucht wird. Der Austausch mit potenziellen Kund:innen ist enorm wichtig, um die Technologie in die richtige Richtung zu entwickeln.
Dieser Artikel wurde in Kooperation mit dem CyberLab Karlsruhe erstellt. Das CyberLab ist die zentrale Anlaufstelle für Startups und Gründungsinteressierte im IT-Bereich.
Bist du auch gerade dabei, dein eigenes Unternehmen zu gründen und brauchst Starthilfe oder Gründungsberatung? Das CyberLab hilft dir gerne weiter. Hier findest du alle wichtigen Infos.