Lesedauer ca. 6 Minuten

Schön, wenn Unternehmen Yogakurse anbieten, um ihre Mitarbeiter*innen fit zu halten. Aber sinkt dadurch wirklich der immens hohe Krankenstand? Mit einem neuen Spielkonzept will das Startup Move Me die Leute aus ihren Bürosesseln holen. Mit Erfolg, denn die Unternehmen sparen Kosten und die Crew bleibt vital und produktiv.

Ariane Lindemann sprach mit Martin Schmezko und Gonzalo De Amicis darüber, wie Mitarbeiter in eine tägliche Bewegungsroutine kommen, die so selbstverständlich wird wie Zähneputzen.

Weniger Krankschreibungen mit Move Me?

Ganz sicher. 40 Millionen der Krankentage in Deutschland entstehen durch Bewegungsmangel. Nur wer sich regelmäßig bewegt, bleibt vital, hat weniger Rückenschmerzen, weniger Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauferkrankungen. Wenn wir Menschen in Bewegung bringen, machen wir sie gesünder. Nur so kommen die Unternehmen von den hohen Krankheitskosten runter. Allerdings fehlt meistens die nachhaltige Motivation. Das wollen wir ändern.

Das Problem ist, am Ball zu bleiben?

Wir kennen das aus allen Lebenslagen. Den inneren Schweinehund dauerhaft zu überwinden, das ist keine einfache Sache und eine echte Herausforderung. Immer findet man eine Entschuldigung, warum gesunde Ernährung und oder mehr Bewegung gerade nicht funktionieren.

Treppen statt Aufzug?

Mittlerweile hat jeder ein Smartphone oder ein Wearable, über das Schritte getrackt werden. Deshalb haben wir ein ganz niederschwelliges Angebot entwickelt, das eine große Akzeptanz hat, weil es die Nutzer schon gewohnt sind. Die WHO empfiehlt 10.000 Schritte pro Tag. In diesem Kontext geben wir als Ziel vor: „Mache täglich 8.000 Schritte. Wenn du das über einen längeren Zeitraum machst, ist das wie Zähneputzen – du adaptierst die Verhaltensänderung in deinen Alltag.“ Dabei geht es uns nicht darum, den Nutzer einfach nur Schritte machen zu lassen, sondern es geht darum, ihn in eine Routine zu bringen und eine Bewegungssteigerung zu erreichen. Wir docken unter anderem an Garmin, Apple, Fitbit an und über eine API-Verbindung ziehen wir deine Ergebnisse bei uns auf die Plattform und machen sie für die anderen Nutzer pseudonymisiert transparent.

Was unterscheidet Move Me von einem Schrittzähler?

Der Erfolg von Move Me liegt in der Kombination von Gamification, Wettbewerb und Belohnung. Diese drei Faktoren benötigt es, um Menschen zu mehr Bewegung zu motivieren und damit positive Effekte hinsichtlich Gesundheit und Vitalität zu erzielen. Unser Plan, unsere Idee ist, diese Motivation durch eine soziale Interaktion zu schaffen, um einen Habit zu haben, am besten geht das, wenn du ein großes Ziel mit anderen teilst.

Was hat es mit dem Gamification-Ansatz auf sich?

Wenn ich dir sage, mach‘ drei Monate lang jeden Tag 8.000 Schritte, sagst du: super! Aber am dritten Tag wirst du schon keine Lust mehr haben. Nicht nur die Spieleindustrie und Lernplattformen, sondern nahezu alle erfolgreichen Social-Media-Anbieter haben deshalb mittlerweile die Macht von spielerischen Ansätzen für sich entdeckt und setzen diese erfolgreich ein. So auch basiert Move Me auf einem Spielkonzept, das bei den Teilnehmer*innen über unterschiedliche Levels- und Schwierigkeitsgrade die Spannung hochhält.

Competition als Schlüssel?

Der kollegiale Austausch und auch der Wettbewerb begünstigen die eigene Bewegungsleistung. Dies sorgt für Interaktion und gegenseitiges Motivieren unter den Kollegen und Kolleginnen. Unter anderem über Team-Challenges treten Teams gegeneinander an. Wichtig dabei ist, dass nicht der absolute, sondern der relative Erfolg des Teams verglichen wird. Das schafft Chancengleichheit und integriert insbesondere benachteiligte Mitarbeitende in Unternehmen.

Du hast oben von Belohnung gesprochen. Welche Belohnung winkt mir?

Eine bessere Gesundheit! Weniger Krankheitstage und mehr Produktivität und Lebensfreude. Das Unternehmen wird durch Teamspirit und eine vitale, belastbarere Belegschaft belohnt.

Kann mein Chef sehen, wie viel ich mich bewege?

Das werden wir oft gefragt. Nein, die Mitarbeiter werden nicht kontrolliert, sondern wir sehen nur, dass das Unternehmen XY im Durchschnitt 8.375 Schritte gemacht hat. Aufgrund des Datenschutzes arbeiten wir pseudonymisiert. Also auch in der App selbst weiß keiner, wie viele Schritte heute Mitarbeiter X gemacht hat. Wir arbeiten hier mit Nicknames. Die Ansprechpartner in der Firma begleiten die Maßnahme und schauen, wie ist das Bewegungslevel? Wie ist meine Kommunikationskampagne gelaufen? Muss ich noch mal nachschärfen? Und was können wir tun, um noch mehr Nutzer zu gewinnen? Dafür gibt es ein webbasiertes Dashboard, worüber man die Gesundheitsmaßnahmen begleiten kann.

Sind Yogakurse nicht effektiv?

Grundsätzlich schon. Aber ein Yogakurs macht noch kein wirksames Gesundheitsmanagement aus. In vielen Unternehmen läuft das Thema Gesundheitsmanagement leider nur so nebenher. Nur einen Kurs oder die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio anzubieten, reicht nicht. Denn wir wissen nicht, wer das überhaupt nutzt. Zumal Mitarbeitende im Homeoffice solche Angebote nicht nutzen können. Mit Move Me begleiten wir dagegen die komplette Maßnahme. Das hat einen riesigen Mehrwert für die Unternehmen, denn die für BGM rekrutierten Personen können sich auf ihr Tagesgeschäft konzentrieren. So wird digitale betriebliche Gesundheitsförderung einfach und wirksam realisiert.

„Uns geht es nicht darum, den Nutzer Schritte machen zu lassen, sondern es geht darum, ihn in eine neue Routine zu bringen und eine Bewegungssteigerung zu erreichen.“

Wie motiviert ihr die Leute genau?

Wir bringen die Challenges in einen Unternehmenskontext, damit sich die Leute mit der Maßnahme identifizieren können. Sie können an Team-Challenges der verschiedenen Unternehmensbereiche teilnehmen, Entwicklung läuft gegen Vertrieb oder gegen den Einkauf, der Standort Hamburg läuft gegen den Standort Karlsruhe. Oder gemeinsam virtuelle Weltreisen machen, in 80 Tagen um die Welt laufen. Dadurch machst du deine 8.000 Schritte eigentlich eher nebenher und hast das Gefühl, du bist jetzt auf einer Weltreise. Hier stellen wir eine sehr hohe Nutzerakzeptanz in den Unternehmen fest. Unser Fokus liegt auf kleine und mittelständische Unternehmen bis 2.000 Mitarbeiter, weil da die Kommunikationskanäle nicht nur in der App, sondern auch neben der App sehr gut funktionieren.

Nebeneffekt von Move Me: soziale Interaktion.

Wir machen am Ende jeder Maßnahme mit den Unternehmen Umfragen. Dabei haben wir festgestellt, dass tatsächlich ein Teamgefühl, ein Miteinander entsteht. Was logisch ist, wenn du mit jemandem Sport machst, hast du eine andere Beziehung, als wenn du nur neben ihm im gleichen Büro sitzt.

Haben die Leute Lust auf Move Me?

Move Me ist zurzeit in mehr als 40 Unternehmen und mit rund 10.000 Nutzern im Einsatz. Bei Mitarbeitern, die schon super viel Sport machen, werden wir mit einem Angebot zur Bewegungssteigerung durch den Arbeitgeber keinen Mehrwert erreichen. Aber sie sind gute Multiplikatoren für die Gesundheitsmaßnahme. Dann gibt es Leute, die absolut keine Lust auf Bewegung haben, die erreichen wir auch nicht. Die spannendste Gruppe sind diejenigen, die sich zu Jahresanfang vornehmen, gesünder zu leben, sich im Fitnessstudio anmelden und dann nach drei Wochen den Drive verlieren. Da setzen wir an, also bei Leuten, die gesünder leben wollen, aber nicht so richtig wissen, wie sie es machen sollen.

Wie wird abgerechnet?

Bisher haben wir verschiedene Projekte verkauft. Zum Beispiel: „Wir reisen mit dir in 80 Tagen um die Welt.“ Unsere Erfahrung ist: 80 Prozent der Unternehmen, die mit uns arbeiten, wollen ein Folgeevent. Deshalb wollen wir aus diesem Event- oder Projekt-Charakter heraus das Ganze in ein Abo-Modell überführen. Unternehmen können dann beispielsweise 100 Lizenzen für 12 Monate buchen und punktuell Events dazunehmen, die wir anbieten. Wir sind gerade noch dabei, das ideale Pricing zu gestalten.

„Nirgends wird Netzwerk wirklich so gelebt wie im CyberLab.“

Zwei Schritte zurück, einer vor. Das war ein Learning aus dem CyberLab …

Nirgends wird Netzwerk wirklich so gelebt wie im CyberLab Accelerator. Das Angebot war für uns absolut relevant. Zum Beispiel war für uns wichtig zu lernen: Wie machen wir aus Move Me eine Plattform? Was müssen wir beachten, rechtsseitig und vertriebsseitig? Was müssen wir in der Produktentwicklung beachten? Da gab es super viel spannende Ansätze und wertvollen Input. Das hat uns noch mal ganz schön herausgefordert. Das hieß dann manchmal, zwei Schritte zurückzumachen und andere Ansätze gedanklich zu entwickeln.

Wenn du gründest, unterscheidest du dich häufig von deinem privaten Umfeld, die meisten Freunde und Bekannten sind in Unternehmen angestellt, haben sichere Arbeitsplätze, die verstehen meine beruflichen Probleme gar nicht. Im CyberLab haben wir einfach eine tolle Unterstützung bekommen. Für mich war das eine mentale Challenge, weil man spürt: Die sind wirklich daran interessiert, die Startup-Landschaft nach vorne zu bringen.