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Zum Thema PR kursieren massenhaft konträre Meinungen: Manche Gründer empfehlen, das komplett zu lassen und sich auf Kerngeschäft zu konzentrieren. Andere sagen, man müsse unbedingt unter den ersten zehn Mitarbeitern eine Vollzeit-PR-Kraft haben; wieder andere schlagen vor, das alles selber zu machen. Agenturen, die auf Tech-PR spezialisiert sind, gibt es auch einige. Was also tun?

Kurzer Einschub vorweg: Was ist eigentlich PR?

Public Relations oder PR ist die Kommunikation einer Organisation (oder Einzelperson, falls es sich etwa um einen Star handelt) mit den Öffentlichkeiten. Die Mehrzahl deshalb, weil es »die Öffentlichkeit« so nicht gibt, man versucht immer, die Botschaften auf bestimmte Interessentengruppen zuzuschneiden. Wenn man etwa eine Series C erfolgreich abgeschlossen hat, gibt es zum Beispiel folgende Adressaten für die entstehende Botschaft:

  1. aktuelle Investoren: Berichterstattung validiert die Entscheidung
  2. andere Investoren: Berichterstattung macht sie aufmerksam
  3. aktuelle Kunden: Berichterstattung validiert die Geschäftsbeziehung
  4. potenzielle Kunden: Berichterstattung macht sie aufmerksam
  5. aktuelle Mitarbeiter: Berichterstattung validiert die Zugehörigkeit
  6. potenzielle Mitarbeiter: Berichterstattung macht sie aufmerksam
  7. aktuelle Partner: Berichterstattung validiert die Geschäftsbeziehung
  8. potenzielle Partner: Berichterstattung macht sie aufmerksam

Die Nr. 5, die eigenen Mitarbeiter, sind dabei eine oft vergessene, aber sehr wichtige Gruppe – PR wirkt auch nach innen, weil die Botschaften das Bewusstsein der Firma schärfen und gute Berichterstattung etwas ist, was Menschen stolz macht.

Wenn die grundlegende Arbeit der PR griffige Texte und klare Botschaften produziert hat, ist auch die Arbeit mit Social Media und Community-Betreuung einfacher, weil man Bausteine und Aussagen hat, auf die man zurückgreifen kann.

Startups PR
Pressemeldungen sind trotz Digitalisierung immer noch ein wichtiges Instrument. (Bild: UberImages/ iSTock/ Thinkstock)

PR ist, je nach Firma, entweder eine Schwesterdisziplin des Marketings oder auch einfach nur ein Pfeil im Köcher des Marketingdirektors. Beide bemühen sich, Botschaften zu entwickeln, um die Öffentlichkeiten von einem Produkt oder einer Firma zu überzeugen. Der Unterschied ist: PR wendet sich maßgeblich an die Presse als Multiplikator und zahlt nicht für Artikel. Marketing ist Anzeigenschaltung: Man kauft Fläche, Sendezeit oder Installs, um Käufer oder User zu bekommen. Es gibt Firmen, die machen kein aktives Marketing und sind stolz darauf, ihre Kunden über Mundpropaganda, Presseberichte oder Aufmerksamkeiten von Shops („Apple-Feature“) zu gewinnen. Andere halten PR für esoterischen Blödsinn und verlassen sich voll auf die messbare Wirkung des ROI-basierten Performance Marketing oder handfestes Business Development, je nach Geschäftsmodell. Alle Wege sind sind möglich. Tendenziell ist gute Öffentlichkeitsarbeit eine langfristige Sache, die stark zum Aufbau einer Marke beiträgt, ebenso wie klassisches Marketing. Das heute vorherrschende Performance Marketing hingegen zielt stark auf kurzfristige, unmittelbar messbare Effekte. Der Theorie nach erhöht PR die Konversion bei Performance-Maßnahmen, aber das ist schwer zu beweisen.

Kurz hier eine Begriffserklärung, weil richtige Begriffe das Denken erleichtern. Marketing-Ausgaben erzeugen „Bought Media“, bezahlte Coverage. PR erzeugt „Earned Media“, also Coverage, die man sich verdient hat, durch harte Arbeit oder interessante Produkte. Dazu kommt noch „Owned Media“, also Content, der auf eigenen Plattformen abgespielt wird, etwa Firmenblogs, SM-Feeds oder Webseiten.

So, Danke fürs Zuhören bei der kleinen Vorlesung, jetzt zum Take-Away-Wissen.

Was sind die Werkzeuge der PR?

Das klassische Werkzeug ist die Pressemeldung, oft geschmäht, immer noch unverzichtbar. Die Meldung tut genau was der Name sagt: Mit ihr meldet eine Organisation etwas an die Öffentlichkeit. Diese Meldung wird formuliert, manchmal nach genauen Regeln, manchmal völlig frei, aber tendenziell so, dass sie schnell zu erfassen ist. Journalisten hätten gerne einzeilige Pressemitteilungen, daher sollte die Meldung so gebaut sein wie eine journalistische Nachricht und die »W-Fragen« in dieser Reihenfolge beantworten: »Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?« Diese Meldung wird an Verteiler verschickt, das kann eine Excel-Liste sein oder eine kommerzielle Datenbank. Manchmal ist es opportun, keine formelle Meldung zu machen, sondern Journalisten mit einem bestimmten Interesse oder einem bestimmten Background direkt und persönlich anzuschreiben. Und Themen vorzuschlagen. Wobei der Ton die Musik macht, wie der Kollege von SpOn hier illustriert:

Ganz guter Leitfaden zur Erstellung: hier.

Ansonsten ist alles offen: PR kann ein Event sein, bei dem man eine Horde Schauspieler als Werwölfe verkleidet durch die Straßen Hamburgs schickt, um auf eine neue App hinzuweisen. (Natürlich gibt man dabei Journalisten einen Tipp vorher.) PR kann ein Hintergrundgespräch im Starbuck’s sein, bei dem man einem Journalisten gewisse Vorgänge in der Branche erklärt und mit einer Erwähnung im Artikel belohnt wird. PR ist Musterversand und Verlosungen auf redaktionellen Webseiten und Pressetouren mit Preview-Versionen und Weihnachtsgeschenke an Redaktionen und gemeinsames Trinken an der Bar (»Kontaktpflege«) et cetera.

Auch das ist PR: Die Karlsruher Firma Gameforge veröffentlichte als Promo für ein Star-Trek-Spiel auf Youtube Klingonisch-Kurse.

Youtube Kurs für schnelles PR von Gameforge (Video: Gameforge)

Wie berechnet man den Wert von PR?

Das geht nicht. Nicht wirklich. Es gibt zwei logische Methoden: PR-Leute rechnen gerne mit Medienäquivalenzwerten. Das geht so: Eine ganzseitige Anzeige in einem zielgruppennahen Fachmagazin kostet 10.000 Euro, also ist ein ganzseitiger Bericht über mein Spiel auch 10.000 Euro wert – das ist ja die Summe, die man theoretisch für die gleiche Wirkung hätte ausgeben müssen. Die Methode hinkt auf allen Beinen, ist aber aus PR-Sicht verlockend, weil die Zahlen hübsch aussehen und ein theoretischer ROI leicht erreicht wird. Die andere Methode ist einfach, kein Marketing zu machen und sich voll auf die PR zu verlassen – was auf diese Art erreicht wird, ist der PR zuzuschreiben. Von PR-Leuten bekommt man als Leistungsnachweis so genannte Clippings, also Listen mit Presseberichten. Das sieht immer ganz hübsch aus, ist aber von begrenzter Aussagekraft – wenn man hinterher wissen will, wie’s gelaufen ist, sollte man vorher festlegen, was man erreichen möchte: Zielmedien, Umfang der Berichterstattung, Zahl der zu erreichenden Endkunden oder Branchenteilnehmer.

Was kostet PR?

Wenn man aufwändige Events und Pressereisen zum Firmenhauptquartier auf den Bahamas mal außen vorlässt, verursacht PR erst einmal hauptsächlich Personalkosten. Die Agenturleute oder die eigenen Pressesprecher müssen essen, um für das Texten oder die Konzeption, den Versand oder die Kontaktpflege bereitzustehen. Die handelsübliche Währung von Agenturen sind denn auch Arbeitsstunden, die dann zu krass unterschiedlichen Preisen dem Kunden berechnet werden. Der Honorarspiegel der Deutschen PR Gesellschaft (DPRG) weist für Agenturchefs zwischen 120 und 200 Euro durchschnittlich aus, je nach Agenturgröße. Berater liegen bei 90 bis 130 Euro. Für klassische Leistungen gibt es auch Pauschalpreise: Eine überregionale Pressekonferenz liegt laut DPRG bei durchschnittlich 4.000 Euro. Vielen Agenturen ist die Nachfragerei der Kunden bei Stundenzahlen zuwider, daher rechnen sie komplett pauschal ab: Ein Monat, ein Produkt, ein Land, alles inklusive, 2.000 Euro beispielsweise. Oder der beliebte Retainer, das ist eine feste Grundsumme, welche die Agentur monatlich erhält und die bestimmte Standards umfasst. Das kann so aussehen: 2 Meldungen, das Fungieren als externe Pressestelle, 5 Stunden Konzeption, Beratung nach Wunsch gleich 3.000 Euro monatlich. Für welches Modell man sich entscheidet, ist komplett der Vertragsfreiheit der Partner überlassen. Für Start-ups mit interessanten Produkten gibt es auch schon mal Sondertarife.

Muss ich PR machen?

Nicht PR zu machen, heißt unsichtbar zu bleiben. Und, ehrlich gesagt, irgendwie macht jeder ja auch schon PR, auch Sie: Sie kommunizieren mit der Öffentlichkeit über Ihre Webseite, über die Antworten, die Sie auf einem Podium geben, über die Twitter-Postings, über Stellenanzeigen und Marketing-Banner. All das zeichnet ein Bild von Ihnen, das die Öffenlichkeit wahrnimmt. Alles ist erlaubt, aber um ein schlüssiges und schönes Bild abzugeben, wäre es sinnvoll, einen klaren Markenkern zu entwickeln, egal ob für ein Produkt oder die Firma oder die eigene Person. Auch wenn man keine Lust auf klassische PR hat, ist es gut, die eigene Identität zu schärfen, das hilft auch den eigenen Mitarbeitern bei der Identifikation.

Die flaregames aus Karlsruhe etwa hatte eine Weile, als Teil ihrer Botschaft, die »arschlochfreie Firma«, quasi den öffentlich verkündeten Willen, keine schlechten Menschen einzustellen. Das war ein verständliches Konzept, auf den Punkt gebracht mit einer gewagten Formulierung – Journalisten fuhren darauf ab. Aber das war nicht alles: Potenzielle Mitarbeiter sollten damit angesprochen werden, potenzielle Partner auf dem Markt und letztendlich ging es auch um Sympathie bei Endkunden.

Was macht eine gute Pressemeldung aus? Will sagen, was ist der Unterschied zwischen dem Text, den der PR-Fuzzi schreibt und meinem?

Das ist nicht leicht zu beantworten. Es gibt ganz viele Arten, schöne Meldungen zu verfassen. Große Konzerne unterliegen dabei besonderer Beobachtung, da geht mehr darum, keinen Fehler zu machen und nicht verklagt zu werden als um das Gewinnen von Originalitätspreisen. Als kleiner Entwickler kann man sich daher oft positiv absetzen, in dem man etwa eine Meldung als offenen Brief formuliert, eine kurze Geschichte bastelt, vielleicht gar in Comic-Form oder sich auf ein kurzes, lustiges Statement beschränkt wie die Games-Firma Valve vor ein paar Jahren bei dieser fantastischen Meldung:

Valve today announced that Portal 2 — the sequel to the ground-breaking title that won over 30 game of the year awards, despite missing its original ship date — will now be available the week of April 18th, 2011. This two month slip not only marks the shortest delay in Valve’s proud tradition of delays, it represents the approaching convergence of Valve Time and Real Time. Though this convergence spells doom for humanity, it will not affect the new Portal 2 release date.

Die ist nahezu perfekt: Aus einem negativen Faktum etwas Positives gemacht, dabei lustig und sympathisch rübergekommen – und nicht vergessen, ein bisschen anzugeben. Wer einen guten Autor im Team hat, kann man durchaus mit ein bisschen Gespür und Geschick etwas Interessanteres komponieren als der überarbeitete Kollege von der Presseagentur. Aber nicht vergessen: Journalisten haben wenig Zeit und wollen die entscheidende Information auf dem Silbertablett, nicht in Zeile 33 eines vierseitigen Aufsatzes. Und für dilettantischen Text mit fragwürdiger Grammatik und Kommafehlern haben sie von Beruf wegen null Verständnis.

Ich will bekannter werden, was tue ich da kurzfristig?

Hängt vom Budget ab. Wenn man sich aufmerksam in seiner lokalen Umgebung umtut, findet man meist einen lokalen Anlass, den man unterstützen kann. Das kann eine Spende ans Tierheim sein, ein „Tag der offenen Tür“ für Studenten der nahen Informatikhochschule oder eine gemeinsamen Hackathon mit anderen Firmen. Das bringt möglicherweise Berichterstattung in der Presse vor Ort, aber auch Bekanntheit und Goodwill im eigenen Ort. Sponsorships sind auch nett – es muss ja nicht gleich ein Bundesligaverein sein. Die Firma Handygames, nicht für ausschweifende PR bekannt, hat beispielsweise offenbar viel Freude an ihrem Engagement für die Rimparer Wölfe, einen Handball-Zweitligisten. Sportler mit dem eigenen Logo vor der Brust machen sich toll auf der Firmenwebsite. Und ein Ligaspiel ist ein toller Anlass, um Mitarbeitern oder Partnern ein angenehmes Erlebnis zu bescheren.

Wenn auch die zweite Liga im Handball oder die Fußballbundesliga zu teuer ist: Jugendmannschaften freuen sich schon über einen Satz T-Shirts – und wenn man das gut spielt, kann das auch Wellen schlagen.

Gutes Werk und gute PR-Wirkung: Die Band Sodom sponsert die E-]ugend von Eintracht Duisburg.
Gutes Werk und gute Wirkung: Die Band Sodom sponsert die E-]ugend von Eintracht Duisburg. (Bild: Eintracht Duisburg)

Der logische Weg, im Branchenumfeld bekannter zu werden, ist das Schreiben von Fachartikeln. Schreiben kann grundsätzlich jeder, aber es ist sinnvoll, sich vorher eine Strategie zu überlegen: Welches Thema will ich besetzen, was will ich damit über mich (oder meine Firma) sagen, in welche Aspekte lässt sich das zerlegen? Idealerweise sollte aus einer Beschäftigung mit dem Schreiben mehr als ein Artikel rausspringen. Ein gute Planung kann aus einer Recherche und etwas Mehrarbeit drei Artikel, zwei Vorträge und noch ein Posting fürs Firmenblog machen. Unverlangt eingesandte Manuskripte sind allerdings nur selten beliebt: Am besten, man verfasst einen kurzen Artikelpitch, spricht mit dem Magazin Umfang und Abgabetermin ab – und schreibt erst dann.

Was nun, selber machen oder Agentur oder eigene Vollzeitkraft?

Hängt natürlich von Neigung, Zeit und Budget ab. Die handwerkliche Seite der PR kann selbst ein Schimpanse in wenigen Stunden lernen. Der Zuschnitt einer Botschaft ist sehr viel schwieriger, aber wer sich ein erfolgreiches Produkt ausdenken und auf eine Zielgruppe abstimmen kann, hat eigentlich die notwendigen Skills dafür. Die grundlegenden Dinge kann man zuhause machen: Sich ein Image überlegen, eine Positionierung. Ist wie im Business Development eigentlich eine Sache der Empathie: Was könnte einen Blogger oder Journalisten an meiner Firma, meinem Produkt interessieren? Wie mache ich eine Story daraus? Wenn man das hat, fragt man befreundete Menschen nach Adressen von wohlgesonnenen Journalisten. Oder ruft in der Redaktion an und fragt den Kontaktdaten von einem passenden Ansprechpartner. Dann schreibt man dem eine freundliche Mail und stellt Firma oder Produkt vor. Wenn die Idee toll ist und man selber gut rüberkommt, kann das schon einiges bringen.

Die Wahl der PR-Agentur hägt von Neigung, Zeit und Budget des Startups ab. (Bild: g-stockstudio/ iStock/ Thinkstock)

Eine Vollzeitkraft lohnt sich nur, wenn die/der in der Aufbauphase noch andere Dinge übernehmen kann – und wenn das schnelle Wachstum absehbar ist.

Und eine Agentur, tja, die lohnt sich in der Regel nur, wenn man klare Vorstellungen hat, wobei die Agentur helfen soll.

Generell ist es sinnvoll, einen Firmenblog zu haben, nicht weil der irrsinnig Traffic zieht, sondern weil der die Kommunikation ordnet. Wer sich regelmäßig darüber Gedanken macht, wie er dafür sinnvollen Content findet, hat auch ein klareres Bild von seiner Firma und ihrer Außendarstellung insgesamt. Das kann man selber machen, aber es findet sich in diesen Zeiten, wo Journalisten reihenweise in kreativer Armut leben, sicher auch ein Profi, der für ein paar Euro mit anpackt.

Bonus: Wie wählt man eine PR-Agentur?

Das ist Vertrauenssache. Wenn man nicht selber Fachmann für PR ist, ist es schwierig, die Leistung einer Agentur genau zu bewerten. Ergo sollte man im ersten Schritt schauen, ob die weichen Faktoren stimmen: Verstehen die Leute mich und mein Produkt und meine Branche? Haben sie Erfahrung mit meiner Nische? Werden sie von anderen empfohlen? Stimmt die Chemie? Sind die Leistungen transparent bepreist? Der logische Weg ist ein Pitch – man schreibt ein Budget und eine Aufgabe aus und bittet ein paar Agenturen, sich dazu Gedanken zu machen und diese vorzutragen. In der Regel kostet das nichts, und man ist hinterher sehr viel schlauer, schon weil man das eigene Image ein bisschen in den Ansätzen der Agenturen gespiegelt sieht.

Disclaimer: Dieser Artikel basiert in Teilen auf einem Blogpost von Gunnar Lott, bei dem es um ähnliche Themen ging, allerdings mit einem Schwerpunkt auf Games-PR.