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In der Mathestunde schnappt er seinen Laptop und geht. Im leeren Klassenzimmer nebenan hält er ein kurzes Videomeeting ab. Es geht um sein Business. Florian Scherl gründet mit 17 ein Startup. Die Schule unterstützt ihn, lässt ihm alle Freiheiten. Jetzt, mitten im Abi, kommt sein Produkt auf den Markt. Mit FAST AI Movies will der Jung-Gründer gemeinsam mit seinem dreiköpfigen Team den Markt für Schulungsvideoproduktionen aufbrechen.

Im Gespräch mit Ariane Lindemann erzählt Florian, wie er Schule und Business vereinbart und wie man mit KI kostengünstig und schnell Videos realisiert.

 

Du hast im letzten Jahr, da warst du erst 17, ein Startup gegründet …

Ja, das ging allerdings nur, weil ich viel Unterstützung von der Schule bekam und weil ich mich mit dem Lernen nicht wirklich schwertue.

 

Wo hast du denn dein ganzes Wissen her? Schließlich geht es bei deinem Geschäftsmodell um KI – hard stuff – das lernt man doch nicht so nebenbei …

Ich programmiere seit der 6. Klasse und habe in dieser Zeit schon diverse Online-Fernuni-Kurse belegt. Mit KI beschäftige ich mich seit ich 15 bin, habe viele Bücher darüber gelesen und mir verschiedenste Techniken selbst beigebracht. Der Vorteil ist, dass ich schon an vielen KI-Wettbewerben teilgenommen habe. Dadurch konnte ich mir in den letzten zweieinhalb Jahren ein gutes Netzwerk aus Mentoren von verschiedensten Forschungseinrichtungen aufbauen. Die haben mich in der Gründungsphase vor eineinhalb Jahren initial unterstützt, vor allem auch, wenn es um konzeptionelle Fragen ging. Das war ein großer Pluspunkt.

 

Es klingt lustig, wenn man einen Unternehmer fragt: „Und, was sagen deine KlassenkameradInnen zu deinem Business?“

Das stimmt. Aber daran habe ich mich gewöhnt. Meine Klasse hat mich von Anfang an unterstützt. Auch die Schulleitung und die Lehrer standen immer hinter mir. Es kam ja in der Vergangenheit öfter mal vor, dass ich eine Stunde verlassen musste, mit meinem Laptop in einem anderen Klassenzimmer verschwunden bin und dort meine Videokonferenzen durchgeführt habe. Manchmal war ich auch den ganzen Vormittag befreit, weil man manche wichtigen Gespräche eben nur am Vormittag führen kann. Ohne diese Freiheiten wäre alles vermutlich nicht oder nur schwer gegangen.

 

Gibt es Momente, wo du Bedenken hattest, dass man dich aufgrund deines Alters nicht ernst nehmen könnte?

In meinem Alter ist es natürlich besonders wichtig, überzeugend aufzutreten, um ernst genommen zu werden. Hier hat mir mein Netzwerk sehr viel gebracht.

 

Immerhin seid ihr jetzt als Kapitalgesellschaft ausgegründet …an Respekt scheint es also wirklich nicht gemangelt zu haben …

Ja, wir stehen kurz vor dem Abschluss der ersten zahlenden Kunden. Das ist für ein seriöses Auftreten zusätzlich ein wichtiger Vertrauensfaktor. Es ist wichtig, dass man früh Unterstützer findet. Ich bin froh, dass viele an uns geglaubt haben.

 

Ihr habt Großes vor. Euer Produkt hat durchaus bahnbrechende Züge, wenn man so sagen will …

Wir haben eine KI-Software entwickelt, die es ermöglicht, Unternehmen schnell und kostengünstig Schulungsvideos zu produzieren, vornehmlich für Produkt- und HR-Videos.

Das Besondere ist, dass Unternehmen lediglich ein Dokument hochladen müssen, zum Beispiel ein PDF-Dokument, mit einer stichwortartigen Beschreibung der Inhalte des Videos.

Daraus machen wir ein voll animiertes und strukturiertes Schulungsvideo mit KI-animierten Sprechern.

 

Das heißt, ich gebe euch lediglich ein kurzes Info-Sheet und ihr macht ein komplettes Präsentationsvideo mit Sprecher daraus?

Richtig. Kunden geben lediglich die Stichpunkte, beziehungsweise kurz ausformulierte Inhalte an und unsere KI setzt das zu einer Präsentation zusammen, indem unter anderem Hierarchien, Ober- und Unterpunkte extrahiert werden. Zudem können wir aufgrund der Angaben Folgepfeile anordnen oder auch verschiedenste andere Beziehungen in einem Diagramm darstellen.

 

Der Kunde hat also keinen zusätzlichen Aufwand?

Nein. Unsere KI erstellt im ersten Schritt eine animierte Präsentation und diese wird dann von einer KI-generierten Person vorgetragen. Das heißt, es wird zusätzlich ein Sprechtext erstellt, wobei dieser Input-Text meistens nicht in Sätzen vorliegt, sondern aus Stichpunkten und Absätzen besteht. Unsere KI erweitert diesen Stichwort-Text in einen Text, der zum Sprechen geeignet ist. Die KI verbindet diese Stichworte zu ganzen Sätzen und füllt mit Wörtern auf.

 

Wer sind die Sprecher?

Die Sprecher sind echte Personen, die wir darauf antrainiert haben, beliebige Texte einzusprechen. Basis ist ein Foto-, beziehungsweise Videoshooting, um die Charakteristika der Personen zu erhalten. Bislang haben wir uns Rechte an zwei Personen gesichert, die wir als Standardsprecher einsetzen.

 

Wenn man sich die Produktionskosten für ein Video anschaut, ist euer Hauptvalue sicher der Preis …?

Unsere Zielgruppe sind aktuell Unternehmen zwischen 100 und 500 Mitarbeitern. Wenn Unternehmen dieser Größenordnung ein Video bei einer Agentur in Auftrag geben, müssen sie in der Regel mit 5.000 bis 7.000 Euro rechnen. Dadurch, dass unsere Software das Video KI-automatisiert produziert, können 85 Prozent an Kosten eingespart werden. Bei uns kostet ein Einzelvideo 990 Euro.

Wir bauen unser Pricing-Modell gerade weiter aus und wollen ein Abomodell anbieten, da die meisten Kunden nicht nur ein, sondern mehrere Videos wollen, beziehungsweise regelmäßige Aktualisierungen einspielen müssen.

 

Sind solche Aktualisierungen dann einfach ohne großen Kostenaufwand möglich?

Ja, das ist ganz klar einer der weiteren Vorteile unserer Anwendung. Inhalte ändern sich permanent, Videos sind damit schnell veraltet. Normalerweise müssen dann komplett neue Videos angefertigt werden. Der finanzielle Aufwand ist hoch. Das ist mit unserer Lösung komfortabler und günstiger, weil wir einfach nur das, was sich geändert hat, anpassen müssen. Also einen neuen Absatz hochladen und dann wird nur dieser Teil im Video aktualisiert.

 

Wie individuell lassen sich die Videos gestalten?

Wer möchte, kann ein Masterslide von seinem Corporate Design hochladen, also so eine Standard-Präsentationsfolie, die das individuelle Firmen-Logo und die jeweiligen Corporate Design Farben enthält. Das wird als Grundlage für unsere Präsentation verwendet.

 

Welches war eure größte Herausforderung bisher?

Die größte Herausforderung war und ist, dass wir ein erklärungsbedürftiges Produkt haben und die meisten sich nicht so richtig vorstellen können, was wir eigentlich genau machen.

 

Willst du als KI-Experte nach dem Abi trotzdem noch studieren?

Ja schon. Der Fokus liegt jetzt zwar ganz klar auf FAST AI Movies. Da ist es ist jetzt wichtig, dass wir dort 20 bis 50 zahlende Kunden akquirieren. Das wäre der nächste große Schritt. Ein Studium macht aus verschiedensten Gründen aber dennoch Sinn, und zwar eben nicht so sehr zur technischen Weiterbildung, sondern einerseits vom Netzwerk her, andererseits hat man die Möglichkeit, weitere Förderprogramme in Anspruch zu nehmen. Außerdem leisten viele Hochschulen bei Bedarf Unterstützung durch sogenannte Gründungssemester, in denen man sich voll aufs Startup fokussieren kann, wenn es zeitlich eng wird.

 

Dein Teamkollege, Georg Klumpner, hat auch einen ungewöhnlichen Background, er ist Lehrer. Gemeinsam habt ihr am Accelerator teilgenommen. Welche Parts waren da konkret für euch wichtig?

Als wir im CyberLab Accelerator teilnahmen, war eine erste Produktversion ja bereits fertig, also technisch waren wir bereits gut aufgestellt. Bei uns ging es in erster Linie darum, wie wir das Ganze vermarkten und dann auch skalieren können. Hier hat der Accelerator uns geholfen, verschiedenste Marketingtechniken zu lernen. Der Mentoring-Aspekt war auf jeden Fall das Wertvollste. Es ist einfach toll, wenn man die Möglichkeit hat, sich Eins zu Eins auszutauschen mit einem erfahrenen Unternehmer, Business Angel oder Investor. Hier hat man den Input, den man im Lab bekam, nochmal diskutiert. Nützlich war neben den Vorträgen und den Mentoren der Austausch unter den Teilnehmern des Accelerators. Dadurch, dass alle den Fokus auf IT und auch KI hatten, war es sehr hilfreich.