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Eine hohe Fehlerrate im Produktionsprozess kostet richtig Geld. Um die Ausschussquote in der Produktionskette drastisch zu verringern, hilft nur eins: frühzeitig erkennen, wo‘s klemmt. Im Produktionsumfeld ist diese Aufgabe aber ziemlich komplex.

Mit einer smarten No-Code-Lösung will das Startup Bytefabrik.AI kleinen und mittleren Unternehmen helfen, mit KI-basierten Datenanalysen ihre Anlagenproduktivität effizienter zu gestalten. Weil keinerlei Data-Science- oder KI-Kenntnisse nötig sind, ist das Tool auch ohne IT-Know-how sofort einsetzbar.

Ariane Lindemann spricht mit Co-Founder Dominik Riemer über eine innovative Software, die das Zeug dazu hat, Produktionsprozesse auf ein völlig neues Effizienzlevel zu heben.

 

Warum haben Fehler in der Prozesskette von Produktionsanlagen oft fatale Folgen?

Sie haben fast immer eine hohe Ausschussquote zur Folge und vermindern die Verfügbarkeit der Anlage. Mehrkosten entstehen durch Nachbearbeitung, Neukalkulation, erneute Materialbeschaffung oder auch durch Regressforderungen vom Kunden wegen Nicht-Einhaltung der Termine.

 

Wie kann man dieses Szenario vermeiden?

In dem man die Fehlerursache frühzeitig ermittelt. Wir haben eine Software entwickelt, mit der die Anlagenproduktivität mit KI-basierten Datenanalysen verbessert wird. Durch die automatisierte Erkennung von Situationen und Problemen, können wir Abweichungen vom Normprozess durch Live-Maschinendaten frühzeitig erkennen, beziehungsweise eine Rückverfolgung auf Sachnummer, Charge und Station ermöglichen.

 

Wie kommt es zu solchen Fehlern?

Dafür gibt es viele Gründe. Zum Beispiel wenn ein Kunde den Zulieferer von einem Teil innerhalb des Produktionsprozesses wechselt und der neue Zulieferer andere Qualitätsmerkmale hat als der ursprüngliche Hersteller. Dadurch kann der Ausschuss am Ende in die Höhe schießen. Sowas können wir mit unserer Software sehr früh im Prozess feststellen.

Auch Abnutzung ist ein großes Thema. Etwa bei Kunststoff- oder Gummikomponenten, wie zum Beispiel Dichtringen. Hier können wir die Abnutzung früh erkennen und beispielsweise die Wartung von Dichtringen rechtzeitig empfehlen.

 

Das heißt, die Software bezieht Live-Daten aus der Steuerung und liefert am Ende Verbesserungsvorschläge für die jeweiligen Prozesse …

Genau. Im ersten Schritt schaffen wir Transparenz: Herausfinden, wo etwas schiefläuft. Im zweiten Schritt identifizieren wir die Probleme, ermitteln die Ursachen und versuchen, das Problem ganz zu verhindern.

 

Gibt es an der Stelle überhaupt noch tiefhängende Früchte? Haben die Unternehmen in den letzten Jahren nicht schon viel getan, um ihre Fertigung zu optimieren?

Das stimmt. Deshalb sind diese Unternehmen ja auch Hidden Champions, weil sie eben ganz viel schon gemacht haben, um perfekte Qualität mit wenig Ausschuss und hoher Effizienz zu produzieren. Was wir aber ermöglichen, ist, dass der Kunde alles selbst konfigurieren kann. Und das mit ganz wenig Aufwand.

 

Wie nah seid ihr damit bei einer Null-Fehler-Produktion?

Sehr nah. Vor allem durch die schnelle Umsetzung vieler „kleiner“ Analyseanwendungen, denn wir bieten eine No-Code-Technologie. No-Code bedeutet, dass auch ein Fachanwender im Unternehmen, der keine große Data Science oder KI-Ausbildung hat, das Tool verwenden kann. Qualitätsmanager oder Produktionsmanager wollen schnell wissen: Wann kommt es aus welchen Gründen zu mehr Ausschuss? Diese Aufgabe ist normalerweise hochkomplex und nur wenige Produktionsexperten haben ein solches Kompetenzprofil. Unternehmen sind dann auf kostenintensiven externen Support angewiesen. Wir haben vorkonfigurierte Bausteine entwickelt, die out-of-the-Box funktionieren und direkt ein Lagebild abgeben.

 

Ihr habt zu dritt gegründet, seid aber nicht erst seit gestern dabei …

Wir haben alle drei viele Jahre in der Forschung verbracht, konkret am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Ich war dort zuletzt Bereichsleiter Information Prozess Engineering und habe einen Forschungsbereich verantwortet, der sich mit allen Themen beschäftigt, was die Analyse und Gewinnung von Daten aus Maschinen und Anlagen, also klassische IoT-Anwendungen im industriellen Umfeld betrifft, vieles auch mit dem Fokus, wie kann man da eigentlich mit intelligenten KI-basierten Analysen Anwendern helfen, schnell Probleme in Produktionsprozessen zu finden.

Das Besondere an unserer Gründung ist, dass sie auf einer Open Source-Lösung basiert, die wir initiiert und in den vielen Jahren am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe entwickelt haben.

 

Welche Innovation habt ihr da draufgesetzt?

Der Großteil unserer Software ist Open Source und verfügbar für alle. Gleichzeitig bieten wir auch Zusatzmodule an, also Software-Erweiterungen, die auf dieser Open Source-Basis aufbauen und schaffen so einen leichten Einstieg bei den Unternehmen. Ein eher unübliches Geschäftsmodell für die Branche.

Deshalb haben wir dann mit Hilfe der Exist-Förderung im Juni 2021 als Spin-off des FZI und KIT Bytefabrik.AI gegründet, um uns als Softwarepartner für KI-basierte Datenanalysen industrieller Datenquellen zu positionieren.

Wir haben das Ganze außerdem in eine Stiftung – die Apache Software Foundation, die weltgrößte Open Source-Stiftung – überführt und entwickeln das bis heute maßgeblich weiter.

 

Wo wird konkret Geld verdient?

Wir starten in der Regel mit Einstiegsprojekten, mit kleinen Paketen, wo wir helfen, die Software zu installieren. Gleichzeitig lernen wir die jeweiligen Anforderungen kennen und versetzen die Mitarbeiter in die Lage, das Tool zu bedienen. Die Software-Erweiterungen lizensieren wir abhängig von der Größe der Installation.

 

Diese Einstiegsprojekte sind ein wichtiges Testfeld für euch, um die Software weiter zu verbessern?

Für uns ist es wichtig, intensiv mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Mit den Einstiegsprojekten lernen wir die konkreten Anforderungen der Branche kennen und finden heraus, wie wir mit unserer Lösung am besten unterstützen können.

 

Ist das Tool auf jegliche Produktionsumgebung zugeschnitten?

Die Software ist relativ breit einsetzbar. Aber eine generische Software ist immer Fluch und Segen zugleich. Wir wollen jetzt am Anfang sehr stark fokussieren, in einer Branche Fuß fassen und diese perfekt bedienen. Deshalb haben wir uns auf große hochautomatisierte Anlagen konzentriert, insbesondere auf Anlagen, die aus mehreren Stationen bestehen. Das sind häufig Sondermaschinen, die meist auf Kundenwunsch gefertigt werden. Wir haben zum Beispiel Kunden im Bereich Automobilzulieferung, Laserschneidmaschinen, im Bereich der Fördertechnik und andere. Da sind wir sehr breit aufgestellt.

 

Inwieweit hat der CyberLab Accelerator eure Geschäftsidee geboostert?

Ich finde es total wichtig, Austausch zu haben – und zwar in alle Richtungen. Gründen vorm Rechner ist ganz schwierig. Ich glaube fest daran, dass es entscheidend ist für den Erfolg, viel mit Leuten aus unterschiedlichen Branchen zu sprechen, nicht nur mit der Zielbranche. Wir hatten Mentoren, mit denen wir unsere jeweils aktuellen Fragestellungen diskutierten. Unter anderem ging es darum, wie man diese Software gut bepreisen kann, dass der Kunde schnell seinen Mehrwert erkennt und wir gleichzeitig als Unternehmen auch davon leben können. Möglichst viel Feedback einholen, zum einen von anderen Gründern, zum anderen mit den Experten vom CyberLab und mit den Mentoren halte ich für das Wichtigste beim Gründen überhaupt.

 

Woher kommen eure Kunden?

Dadurch, dass wir nicht bei null gestartet sind, haben wir bereits viele Kunden, die unsere Open Source Lösung bereits nutzen. Hier haben wir über 15.000 Downloads. Ein Akquisekanal ist, diesen Kunden jetzt Zusatzmodule anzubieten. Zum anderen arbeiten wir mit Anlagenbauern zusammen. Wir schließen Partnerschaften ab, so dass unsere Software auf eine Anlage, die verkauft wird, direkt mit drauf ist. Das ist unsere zweite wichtige Schiene. Viele Kunden kommen mittlerweile auch auf uns zu, weil sie von Kollegen gehört haben, dass die Software gut ist. Das ist auch der Punkt, der am meisten Spaß macht – wenn man sieht, die Kunden kommen durch Empfehlungen.

 

Ist euer Team schon komplett?

Wir stellen jetzt zum Herbst unser erstes Teammitglied ein – einen Praktikanten –, da freuen wir uns sehr drauf. Außerdem planen wir gerade zwei weitere Festanstellungen und wollen dieses Jahr in dieser Größenordnung noch wachsen.

Wir suchen Software-Ingenieure, aber auch echte KI-Experten, die uns helfen, Produkt und Technologie weiterzuentwickeln, damit meine Kollegen und ich uns mehr um das Geschäftsmodell und Vertrieb kümmern können. Auch wäre es schön, noch jemanden zu finden, der uns noch ein bisschen mit Branchenerfahrung unterstützt und Erfahrung im Produktionsumfeld mitbringt.