Lesedauer ca. 6 Minuten

Größer, stabiler und weniger Produktionsaufwand – die 3D-Druck-Robotersysteme von FreeD Printing sind eine Innovation innerhalb der noch jungen Technologie additiver Fertigung. Mit variablen Schichtmustern bietet der modularisierte Aufbau völlig neue Möglichkeiten beim 3D-Drucken. Unter anderem das Drucken auf gekrümmten Oberflächen. Für sein Robotersystem hat das Startup aus dem CyberLab kürzlich den init Innovationspreis erhalten.

Michael Rieger erklärt die Vorteile gegenüber herkömmlichen 3D-Druck-Verfahren.

Kann man sagen, ihr revolutioniert den 3D-Druck?

Sagen wir mal so: Wir entwickeln ihn einen Riesenschritt weiter.

Was ist bei FreeD Printing neu?

 Die bisherigen 3D-Druck-Systeme kommen in einigen Punkten an ihre Grenzen. Unser Produkt bietet hier wesentliche Produktionsvorteile mit positiven Wirkungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Qualität und Nachhaltigkeit.

Welches sind die Schwachstellen im 3D-Druck?

Im 3D-Druck werden Bauteile durch Addition einzelner Schichten erzeugt. Es gibt verschiedene physikalische Wirkprinzipien, wie dieses Hinzufügen der einzelnen Schichten erfolgt. Ein Prinzip ist, dass man Material extrudiert, also herauspresst, ähnlich wie bei einer Heißklebepistole. Hierbei wird ein Kunststoffstrang aufgeschmolzen, durch eine Düse extrudiert und auf die Bauoberfläche aufgebracht. Aus mehreren Schichten entsteht dann das Bauteil.

Die meisten Produktionssysteme sind allerdings nur mit drei linearen Achsen ausgestattet, um den jeweiligen Prozesskopf zu bewegen. Und auch die jeweilige Software ist nur auf diese drei Achsen ausgelegt. Dadurch ergibt sich ein einheitliches Modellierungsmuster mit drei charakteristischen Merkmalen: Die Schichten sind ebene Flächen, sie sind horizontal ausgerichtet und sie werden nur in einer Richtung zusammengeführt, nämlich von oben nach unten. Außerdem können sie nur auf ebene Flächen aufgebracht werden.

Welche Nachteile ergeben sich daraus?

 Wenn du zum Beispiel ein Bauteil mit einem Bauteilüberhang hast, dann braucht dieser Überhang eine Stützstruktur. Denn der extrudierte Strang hat keine selbstgegebene Festigkeit, er braucht eine Oberfläche, auf der er erstarren kann. Das bedeutet zusätzlichen Fertigungsaufwand und senkt die Fertigungseffizienz. Denn danach müssen die Stützstrukturen wieder entfernt werden. Der zweite Nachteil: Durch die drei Linearachsen kann ich immer nur auf ebenen Bauplattformen aufbauen. Bei einer gekrümmten Oberfläche würde ich irgendwann mit der Düse oder mit dem Prozesskopf eine Kollision erzeugen. Auch Rundungen sind schwer herzustellen, da man immer einen sogenannten Treppenstufeneffekt hat, bei dem nie eine 100-prozentige Rundung erreicht wird. Des Weiteren weisen Bauteile nur eine eingeschränkte Festigkeit auf, da die Stabilität in Schichtrichtung höher ist als quer dazu.

Ihr wollt weg von diesem einheitlichen Modellierungsmuster …

Ja, unsere Technologie ermöglicht variable Modellierungsmuster mit frei geformten Schichten.

Wie macht ihr das?

Wir nutzen für die Umsetzung des Prozesses einen sechsachsigen Industrieroboter. Damit haben wir die Möglichkeit, den Prozesskopf nicht mehr nur in 3 Richtungen linear zu verfahren, sondern wir können diesen mit den sechs Achsen frei bewegen, um mit frei geformten Schichten in variablen Modellierungsmustern Bauteile aufzubauen.

Was bedeutet das konkret für die Fertigung?

Durch den sechsachsigen Roboter können wir auch von der Seite Volumen andrucken. So vermeiden wir zum Beispiel den Treppenstufeneffekt bei Rundungen.

In aller Regel wird heute immer noch auf ebene Bauformen modelliert. Wir können jetzt auch auf gekrümmte Oberflächen auftragen und um existierende Bauteile drumherum. Das ist ein Anwendungsfall, den es bislang beim 3D-Druck noch nicht gibt. Bisher werden Teile, die man zusammenfügen möchte, einzeln gedruckt und anschließend bspw. geklebt oder geschraubt. Außerdem kombinieren wir verschiedene Schichtausrichtungen, wodurch wir Bauteileigenschaften beeinflussen und optimieren können, indem wir die Schichten zum Beispiel nach Belastung ausrichten. Daraus ergibt sich eine höhere Festigkeit als durch das normale Modellierungsmuster.

Ausgangswerkstoff ist immer Kunststoff?

Wir haben uns zunächst auf diesen Materialextrusionsprozess spezialisiert, der in aller Regel mit dem Werkstoff Kunststoff prozessstabil funktioniert. Es gibt aber auch andere physikalische Wirkprinzipien, beispielsweise das Schweißen, wo man auch metallbasierte Prozesse mit unserem Modellierungsverfahren kombinieren kann. Wir arbeiten gerade in einem nächsten Schritt daran, unseren Systembaukasten zu erweitern und einen solchen Prozesskopf gemeinsam mit einem Partner zusammen zu entwickeln.

Wie sieht euer Geschäftsmodell dazu aus?

Wir bieten modularisierte 3D-Druck Robotersysteme an.

Klingt gut, aber abstrakt. Erklär mal …

Ein Kunde hat eine Fertigungsaufgabe, die sich für die beschriebenen Vorteile eignet. Für diese Fertigungsaufgabe stellen wir aus verschiedenen Modulen ein Roboter-3D-Druck-System zusammen. Ein Modul ist die Anlagentechnologie. Dazu zählen der Roboter, das Maschinengehäuse, die Steuerungstechnik etc. Zweites Modul ist die Prozesstechnik, die unser Robotersystem ausmacht, momentan noch der kunststoffbasierte Materialextrusionsprozess. Drittes Modul ist die Planungssoftware.

Die Anlagentechnologie besteht aus Zukaufteilen, die Prozesstechnik entwickeln wir gemeinsam mit wissenschaftlichen und industriellen Partnern zusammen. Die Software, das ist unsere ureigene IP und Entwicklung.

Welche Vorlage braucht ihr vom Kunden?

Der Kunde erzeugt ein virtuelles 3D-Modell seines Bauteils. Für die Herstellung berechnet unsere Software dann automatisch das Programm für den Roboter und für den Prozess. Die drei Module stellen wir dann individuell für einen Roboter 3D-Drucker für den Kunden und seine Fertigungsaufgabe zusammen.

Für welchen Anwendungsfall eignet sich der Roboter von FreeD Printing?

Ein Anwendungsfall, an dem wir aktuell schon mit einem Partner arbeiten, kommt aus der Medizintechnik. Hier geht es um medizinische Hilfsmittel, Prothesen, Orthesen, therapeutische Sitzschalen und Stützkorsette etc. Das sind immer relativ ähnliche Formen, die je nach Patient nur leicht divergieren, wie beispielsweise für ein Kniegelenk. Darüber hinaus haben wir noch andere Anwendungspartner aus dem Maschinenbau und aus der Automobilzuliefererindustrie.

Ist das Geschäft schon richtig angelaufen?

Wir sind eine Ausgründung aus der Ruhr-Uni Bochum. Bereits an der Uni haben wir den Proof of Concept, also den Nachweis der grundsätzlichen technologischen Fähigkeit unseres Verfahrens, erbracht. Unsere Herausforderung war allerdings, dass wir mitten in der Pandemie gegründet haben. Jetzt geht es darum, mit dem Proof of Market zu zeigen, dass es anhand konkreter industrieller Anwendungsfälle quantifizierbare Vorteile für den Kunden gibt. Nämlich besser, schneller und günstiger fertigen zu können. Hier sind wir auf der Suche nach weiteren Anwendungsfällen aus verschiedenen Branchen.

War das der Grund, am CyberLab Accelerator teilzunehmen?

Absolut. Neben wichtigen und interessanten Themen wie Marketing und Sales, Fragen zur Rechtsform, wie organisiert man sich als Startup? etc. hat uns beim CyberLab insbesondere das große Unternehmensnetzwerk angesprochen. Wir haben dieses auch schon erfolgreich genutzt, um Anwendungspartnern zu finden.

Was ist aktuell eure größte Herausforderung?

3D-Druck und additive Fertigungsverfahren werden, obwohl sie mittlerweile auch seit 15, 20 Jahren am Markt etabliert sind, bei vielen mittelständischen Firmen erst jetzt so langsam wirklich in den Fertigungsprozessen berücksichtigt. Und unsere Herausforderung ist deshalb, innerhalb dieser eigentlich nicht mehr, aber für manche immer noch relativ neuen Technologie, eine neue Entwicklung zu etablieren, diese neue Technologie zu erklären und das Bewusstsein zu wecken, wo man das im eigenen Anwendungsfall einsetzen kann.

Was fehlt euch jetzt noch, um richtig durchzustarten?

Wir sind nicht das klassische Startup, das relativ schnell skaliert. Als Hardware-Startup dauern die Prozesse und der Weg zum Markt etwas länger. Aber wir sind guter Dinge mit der ersten Pilotanlage in den Markt einzutreten und die Anwendungsfähigkeit für weitere Marktsegmente zu zeigen. Bisher haben wir uns weitgehend über geförderte Forschungsprojekte finanziert. Um Entwicklung und Markteintritt zu fördern, sind wir neben Anwendungspartnern noch auf der Suche nach Investoren und Unterstützern und Partnern, die uns in dieser Branche Maschinenbau, Anlagenbau, 3D-Druck mit technischer Expertise und mit Know-how im Bereich Business Development und Kapital unterstützen können.