Stell dir vor, du hättest einen erfahrenen Techniker immer an deiner Seite, bereit, jedes Problem blitzschnell zu lösen – und das ganz ohne Anreisezeit. Was wie ein Traum klingt, ist dank Findiq Realität geworden. Sina Volkmann und ihr Team haben eine bahnbrechende Lösung entwickelt, die nicht nur dem akuten Fachkräftemangel in der Industrie entgegenwirkt, sondern auch den technischen Service revolutioniert. Ihr innovatives System kombiniert intelligentes Wissensmanagement mit leistungsstarken Assistenzlösungen und hebt den Servicebereich auf ein völlig neues Niveau. Im Gespräch mit Ariane Lindemann gibt Sina Einblicke in die spannende Entstehungsgeschichte von Findiq, die überwundenen Herausforderungen und die beeindruckenden Erfolge des Startups.
Erzähl uns ein doch ein bisschen was über dich und deinen beruflichen Werdegang.
In den letzten zehn Jahren habe ich in der Industrie und im Maschinenbau gearbeitet. Dabei habe ich mich vor allem auf digitale Geschäftsmodelle und Lösungen konzentriert, besonders aus kaufmännischer Sicht. Ich habe Unternehmen dabei geholfen, herauszufinden, wie sie digitale Lösungen am besten nutzen können, um ihre Produktionseffizienz zu steigern. Publiziert habe ich dann vor allem zu Möglichkeiten, Grenzen und Erfolgsfaktoren von digitalen Plattformgeschäftsmodellen in der Industrie.
Was hat dich inspiriert, die Komfortzone zu verlassen und Findiq zu gründen?
2020 nahm ich an einem Wettbewerb in Bielefeld teil, der vom Land NRW initiiert wurde, um Corona-Auswirkungen zu bekämpfen. Eine Herausforderung war, dass deutsche Maschinenbauer ihre Servicetechniker:innen wegen geschlossener Grenzen nicht zu ihren weltweit installierten Maschinen schicken konnten. Gemeinsam mit fünf anderen Teilnehmenden entwickelten wir die Idee, Expertenwissen digital zugänglich zu machen, ohne dass der/die Expert:in vor Ort sein muss. Diese Idee gewann den Wettbewerb und führte letztlich zur Gründung von Findiq.
Warum ist eure Lösung so genial?
Unsere Lösung ist ein Wissenssystem für den technischen Service an Großanlagen. Expert:innen können ihr Wissen in unser System einpflegen, das dann in Servicesituationen genau das richtige Wissen liefert – und das blitzschnell. Wir setzen auf KI-Verfahren, die das Wissen für Quereinsteiger und unerfahrene Mitarbeitende als Schritt-für-Schritt-Anleitung aufbereiten. Anders als allgemeine Lösungen wie ChatGPT, die nur generelles Wissen vermitteln, binden wir spezifisches Expertenwissen ein und bieten so maßgeschneiderte Unterstützung.
Wie unterscheidet ihr euch von anderen Lösungen?
Unser Fokus liegt auf dem strukturierten Wissen der Expert:innen, das oft in den Köpfen der Mitarbeitenden steckt und nicht in Dokumenten. Unsere Lösung stellt sicher, dass gerade dieses implizite Wissen effizient weitergegeben wird, was sowohl Maschinenbauer als auch -betreiber zu schätzen wissen. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Qualität der künstlichen Intelligenz im Hintergrund. Sie ist darauf ausgelegt, mit schon wenigen Informationen richtige Ergebnisse auszugeben und dabei immer zielgerichtet lernt. Die Wissensbasis muss aktuell gehalten werden und immer weiter verbessert, nicht „verschlechtert“ werden. Gerade im technischen Service ist die zielgerichtete Verarbeitung von Wissen und maximal klare Informationsausgabe teilweise nicht nur zeit- sondern sicherheitskritisch.
Wie habt ihr das Problem des Fachkräftemangels gelöst?
Wir wollten digitale Lösungen im Maschinenbau vorantreiben und haben deshalb 2020 an einem regionalen Wettbewerb teilgenommen. Eine der größten Schwierigkeiten war, dass Servicetechniker:innen zu Zeiten von Corona wegen geschlossener Grenzen nicht reisen konnten. Innerhalb von zwei Tagen haben wir eine Lösung entwickelt, die Expertenwissen digital zugänglich macht, und den Wettbewerb gewonnen. So konnten wir dann eineinhalb Jahre lang mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW forschen. Mittlerweile lösen wir nicht mehr ein Corona-Problem. Die Grenzen sind wieder offen. Vielmehr gibt es jetzt aber wegen des demografischen Wandels immer weniger Servicetechniker, die noch reisen könnten.
Was kann das System?
Das System erfasst Expertenwissen digital und stellt es in Servicesituationen bereit. Die größte Herausforderung war, dieses Wissen so aufzubereiten, dass es auch für Quereinsteiger:innen und Mitarbeitende ohne Erfahrung verständlich und nutzbar ist. Unsere Wissensmatrix ist quasi das Herzstück unseres Systems. Hier tragen Expert:innen ihre Erfahrungen ein, so dass unsere intelligente Lösung es eben dynamisch, zielgerichtet und anwenderfreundlich bereitstellen kann.
Gab es einen Moment, in dem du wusstest, dass Findiq erfolgreich sein wird?
Ja, tatsächlich. Nachdem wir den Wettbewerb gewonnen hatten, haben wir noch eineinhalb Jahre weiter an unserer Lösung gearbeitet und Findiq dann Anfang 2022 gegründet. Der erste große Kunde hat unsere Lösung in einer kritischen Anlage getestet und daraufhin angefangen, sie auf die gesamte Produktion auszurollen, war das für mich der Beweis, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Steigerung der Produktionsverfügbarkeit und die positiven Rückmeldungen haben uns darin bestätigt.
Habt ihr euch beim Aufbau eures Startups externe Hilfe geholt?
Ja, wir haben am CyberLab Accelerator in Karlsruhe teilgenommen. Das CyberLab hat uns mit seinem starken Netzwerk und relevanten Inhalten überzeugt. Das Programm half uns nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell. Der Austausch mit anderen Startups und die enge Vernetzung mit der Industrie waren besonders wertvoll. Wir konnten wichtige Partnerschaften aufbauen und haben durch den Accelerator interessierte Unternehmen und Kunden gewonnen.
Welche konkreten Vorteile habt ihr aus dem Accelerator mitgenommen?
Ein großer Vorteil war die Unterstützung bei der Teambildung und Kundenansprache. Der Accelerator half uns, unser Geschäftsmodell zu schärfen und unsere Lösung gezielt zu vermarkten. Wir bekamen Zugang zu einem umfangreichen Netzwerk und konnten strategische Partnerschaften aufbauen, die für unser weiteres Wachstum entscheidend sind.
Welche Kunden habt ihr mittlerweile gewonnen und wie wird eure Lösung im Markt angenommen?
Unsere Software ist seit eineinhalb Jahren im Einsatz und wir haben etwa 20 Kunden, darunter Maschinenbauer wie Kannegießer, Hymmen sowie große Unternehmen wie Siemens und Elopak. Das Feedback ist sehr positiv; unsere Kunden schätzen die einfache Handhabung und schnelle Fehlerdiagnose, die ihre Produktionsverfügbarkeit erhöht und den Service verbessert.
Welche Ziele habt ihr euch gesetzt?
Unser Ziel ist es, weiter zu wachsen und unsere Lösung in noch mehr Unternehmen zu implementieren. Wir möchten den Wissenstransfer im technischen Service weiter verbessern und neue Funktionen entwickeln. Ein weiterer Fokus liegt auf der Internationalisierung, insbesondere in den USA, wo wir schon heute über unsere deutschen Maschinenbaukunden guten Zugang gewinnen. Zudem setze ich mich politisch dafür ein, dass Unternehmensgründungen in Deutschland einfacher werden. Es ist mir wichtig, dass Startups die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um erfolgreich zu sein.