Als Markus Hennig sein erstes Startup gründet, ist das CyberForum noch ein Insidertipp. Inzwischen ist er dreifacher Gründer und das CyberForum mit seinen mehr als 1.200 Mitgliedern ein Vorzeigeprojekt in Sachen Startup-Förderung.
Als Gründungsexperte hat Hennig mit seinen Teams im CyberLab Accelerator-Programm schon viele Startups unterstützt. Mit dem dritten Startup XplicitTrust wechseln die Karlsruher Gründerprofis jetzt wieder die Seiten und holen sich Rat von Mentoren. Sie wissen: Der Blick von außen ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren.
Astaro, Ocedo und jetzt XplicitTrust. Markus Hennig gründet „alle paar Jahre“ ein Startup. Er kennt die Spielregeln, weiß wie gründen geht. Nach seiner zweiten erfolgreichen Gründung wird er vom CyberForum gefragt, ob er als Mentor im Accelerator-Programm zur Unterstützung von Startups einsteigen will. „Anfangs war das Netzwerk noch recht klein“, erinnert er sich. „Wir wollten damals Auszubildende finden und nutzten das Angebot der Ausbildungsinitiative. Mentorenprogramme gab es zu dieser Zeit noch nicht. Wir sind dann mit dem CyberForum gewachsen.“ Das 2021 gegründete Startup XplicitTrust ist, wie die beiden anderen auch, im Umfeld Internet Security und Netzwerk Management angesiedelt.
„Erst, wenn die letzte Frage beantwortet ist, hat das Geschäftsmodell eine Chance.“
Das Mentorenprogramm ist ein kostenloses Angebot des CyberForum für potenzielle Neumitglieder oder Firmen, die gerade am Entstehen sind. Auch Markus Hennig stand lange als Mentor beratend zur Seite. „Beim Mentorenprogramm geht es nicht darum, Expertenwissen zu verteilen“, betont er. „An Fachwissen mangelt es den Teams selten. Viel wichtiger für den späteren Erfolg ist der Blick von außen. Mit einer unabhängigen Draufsicht kann man Fragen stellen, deren Beantwortung viel über den Reifegrad der Idee und deren realistisches Umsetzungspotenzial verrät. Zugegeben, diese Fragen können ganz schön wehtun, aber das müssen sie auch. Denn erst, wenn die letzte Frage beantwortet ist, hat das Geschäftsmodell eine Chance.“
Welche Fragen sind das? „Das können beispielsweise Fragen zum Team sein. Dass das Team eine gewisse Festigkeit und Resilienz haben muss, ist Grundbedingung für den Erfolg. Wichtig ist auch, nach den möglichen Kunden zu fragen oder wie man an die Kunden überhaupt herankommt. Hier sind die Antworten oft unkonkret und zu vage. Dem müssen wir auf die Spur kommen, damit das Team eine stringente Roadmap entwickeln kann. Was soll der Kunde bezahlen? Oder: Woher wisst Ihr, dass der Kunde das auch bezahlen kann? Das alles sind Fragen, die oft nicht genug berücksichtigt, beziehungsweise unterschätzt werden. Da haken wir nach. Das ist der wertvolle erste Schritt in einem Mentorenprogramm.“ Die Mentoren im CyberForum arbeiten ehrenamtlich. Dass hier, im Gegensatz zu vielen professionellen Programmen, kein finanzielles Interesse dahintersteht, darin sieht Hennig das wertvolle Potenzial: „Es gibt keinen Interessenskonflikt“, sagt er. „Man kann ganz ungezwungen agieren. Das hilft, dass man sehr schnell auf den Punkt kommt und auch sehr schnell ein ehrliches Feedback geben kann.“
Seitenwechsel: Vom Startup zum Mentor – und wieder zurück.
Mit XplicitTrust haben Hennig und seine beiden Co-Founder Daniel Stutz und Emanuel Taube nun wieder auf der anderen Seite des Tisches platzgenommen und stellen sich den Fragen der Mentoren. „Obwohl wir das Gründungsprocedere bereits zum dritten Mal durchlaufen, macht der Blick von außen Sinn. Dass unser Projekt, von dem wir natürlich inhaltlich überzeugt sind, von jemandem hinterfragt wird, der weit entfernt ist von unserer Technologie, hilft uns, Bereiche, wie Marketing oder Mitarbeiter-Gewinnung abzuklopfen. Unsere Mentoren wollten zum Beispiel wissen, wo wir Mitarbeiter für diese hochspezialisierte Technologie herkriegen wollen. Da mussten wir passen.
Durch die Community im CyberLab wurden wir dann auf internationale Diskussionsboards zu sehr spezifischen Themen aufmerksam und konnten einen Mitarbeiter aus Tunesien rekrutieren. Offen gestanden: Allein wären wir auf diese Idee nicht gekommen, obwohl wir schon Startups aufgebaut und auch dort Mitarbeiter gewonnen haben“, sagt Hennig.
„ZTNA wird alles ablösen, was bisher an Remote-Zugriffstechnologie möglich ist, wie zum Beispiel VPN.“
XplicitTrust entwickelt Zero Trust Technologie-Software für kleinere und mittlere Unternehmen. Zero Trust Network Access (ZTNA) ist eine Weiterentwicklung von VPN (Virtual Private Network), bei der von anderen Standorten aus auf ein Netzwerk zugegriffen werden kann. „Bei VPN kommen wir schon jetzt an eine technologische Grenze, die immer unbeherrschbarer und dadurch unsicher wird. Wir implementieren ZTNA-Technologie und machen sie für kleinere und mittlere Unternehmen verfügbar. Denn der mittelständische Markt ist da momentan völlig außen vor und wird auch von den größtenteils amerikanischen Anbietern überhaupt nicht adressiert. Diese Innovationslücke nutzen wir.“
Hennig ist überzeugt: „ZTNA ist die Technologie der Zukunft – das wird kommen. Das wird alles, was bisher an Remote-Zugriffstechnologie möglich ist, wie zum Beispiel VPN, ablösen. Der Mittelstand in Deutschland und in Europa wird dann Anbieter brauchen. Dafür produzieren wir.“
Die Lösung ist einfach, weil orthogonal ausrollbar, lässt sich also parallel zu vorhandenen Remote Access Lösungen nutzen, die nach erfolgreichem Rollout von ZTNA abgeschaltet werden können. Auch Anbieter, die bereits Sicherheitstechnologien und Remote-Zugriffstechnologien anbieten, realisieren, dass ZTNA die kommende Technologie ist, und springen auf den Zug auf: „Streckenweise findet hier ein „ZTNA-Washing“ statt. Aber ganz so einfach ist es nicht, denn Kernpunkt ist ja das Konzept des „Zero Trust“: Niemandem und nichts zu vertrauen, bevor man sich nicht bei einem zentralen Identity-Provider authentifiziert hat. Der Kerngedanke ist, dass es kein implizites Vertrauen gibt, sondern nur explizites. Und das muss begründet sein und vor jedem Zugriff überprüft werden.“
Vielzahl der Passwörter wird zum Problem
Die Pandemie hat das Problem des sicheren Fernzugangs verschärft. Die Arbeitswelt wird zunehmend dezentralisiert, längst sind nicht mehr alle gemeinsam in einem Büro. Oft kann gar nicht mehr überprüft werden, wer da am anderen Ende eigentlich sitzt. Auch die Vielzahl der Passwörter wurde mit der Zeit zum unbeherrschbaren Problem. „Mit der von uns verwendeten Single-Sign-On-Technologie (SSO), braucht man sich nur einmal gegenüber einem Identity-Provider authentifizieren. Im Idealfall auch mit Multi-Faktor Verfahren. Danach stehen einem je nach Berechtigung entsprechende Zugriffe auf relevante Bereiche in einem Unternehmen zur Verfügung. Die Organisationsstruktur ist in der Regel bereits in einem Benutzerverzeichnis, wie zum Beispiel Active Directory, abgebildet. Zugriffsrechte rollenbasiert anhand der Verzeichnisgruppen zu vergeben, vereinfacht daher die Verwaltung ungemein.”
Das Leben der Administratoren einfacher zu machen ist Hennig ein Anliegen: „Die Software kann ohne spezielle Konfiguration im Handumdrehen auf die Endgeräte verteilt werden. Die Verwaltung der kryptographischen Schlüssel erfolgt automatisch.”
XplicitTrust hat es sich auf die Fahnen geschrieben, immer eine Verbindung herstellen zu können. Durch den Einsatz innovativer Technologien können Zugriffe von überall zustande kommen. „Die Zeiten, in denen man im Ausland aus dem Hotel oder am Flughafen keinen Zugriff hatte, sind vorbei.”
„Selbst durch die Teilnahme an einem lokalen Programm sind Verbindungen raus in die Wirtschaftswelt wie aus dem Nichts entstanden.“
Der Prototyp ist fertig, ein großes Maschinenbauunternehmen möchte die Software im produktiven Umfeld einsetzen. Durch die Teilnahme am CyberLab Accelerator-Programm im CyberForum wurden weitere Firmen auf XplicitTrust aufmerksam, die die Software testen wollen. „Das hat uns gezeigt: Selbst durch die Teilnahme an einem lokalen Programm sind Verbindungen raus in die Wirtschaftswelt wie aus dem Nichts entstanden. Solche Kontakte kann ein Startup sonst allein gar nicht generieren.“
Das Accelerator-Programm bietet Infrastruktur, Netzwerke und zahlreiche Angebote für Startups. Während der Pandemie alles online. Dennoch war der Output für das Team enorm. „Das CyberForum hat es geschafft, während der Pandemie die Vorteile, die die Onlinewelt bietet, voll zum Tragen zu bringen. Wenn man sich in einer größeren Menschenmenge trifft, sind persönliche Gespräche oft schwierig. Online hat man die Möglichkeit, sich in Break-out-Sessions auszutauschen, Präsentationen zu zeigen, Zahlenmaterial griffbereit zu haben oder Filme oder Produkte vorzuführen – das geht alles viel einfacher als bei einem Face-to-face-Treffen.“
Gigantischer Wachstumsmarkt
Die Menschen werden, unabhängig vom pandemiebedingten Remote-Arbeiten, weiterhin verstärkt im Homeoffice sein. Die Flexibilität, mit tragbaren Geräten von überall arbeiten zu können, ist gegeben. Ob im Urlaub, auf Geschäftsreise oder zuhause. Die Wachstumsvorhersage über die Marktgröße liegt laut Hennig im zweistelligen Milliardenbereich. „Dazu kommt, dass die Technologie, die heute gerade überall benutzt wird, die man als VPN kennt, über kurz oder lang abgelöst wird. Da ist ein Ende in Sicht. In den nächsten Jahren ist hier ein Technologiewechsel zu erwarten und da sind wir dann vorne mit dabei.“