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Eine Biografie schreiben – das wärs. Aber wir sind ja alle keine Schriftsteller. Und Zeit haben wir auch keine. Wie können wir dann unsere Lebensgeschichte, Familiengeschichte oder andere wichtige Ereignisse so festhalten, dass man sie gerne liest? Meminto Stories hilft Menschen, Erinnerungen in Geschichten zu verpacken, um daraus ein Buch zu drucken.

CEO Albert Brückmann erzählt im Gespräch mit Ariane Lindemann, wie aus der Idee für einen digitalen Totmannschalter Meminto Stories wurde und warum die Teilnahme bei „Höhle der Löwen“ auch ohne Deal ein voller Erfolg war. 

„Was ist, wenn mir morgen etwas zustößt?“
Diese Frage war der Start von Meminto Stories …
 

Ich war damals frisch verheiratet und dachte darüber nach, was eigentlich passiert, wenn ich morgen sterbe. Dann gehen mit mir alle Informationen über meine Kunden, Geschäftsdaten, Passwörter etc. verloren. Meine Frau müsste sich damit auseinandersetzen und hätte womöglich keinen Zugriff auf wichtige Dokumente. Deshalb entwickelte ich Meminto, ein Tool für den Fall der Fälle. Eine Art Totmannschalter mit globalem Safe, mit dem sämtliche meiner Daten auch ohne Notar zum Empfänger finden – wo auch immer auf der Welt ich mich befinde. Mein letzter Wille wäre sozusagen in diesen elektronischen Aufzeichnungen dokumentiert.

Wie wolltest du das umsetzen?

Die Idee war: Ich schicke mir selbst im Abstand von sieben Tagen eine Mail mit einem Link, um zu überprüfen, ob ich noch da bin. Für den Fall, dass ich auf diese Mail nicht mehr reagiere, habe ich drei Freunde hinterlegt, die meinem Lebenszustand prüfen. Sollten diese drei Freunde in Übereinstimmung zu dem Schluss kommen, dass mir etwas zugestoßen ist, gehen sämtliche Informationen an die entsprechenden Stellen raus, wie zum Beispiel an Kunden oder Familie.

Wieso wurde daraus nichts?

Das CyberLab wurde durch einen Pitch auf mich aufmerksam und lud mich nach Karlsruhe in den Accelerator ein. In mehr als einem Jahr Business-Angel- und Mentoren-Gespräche wurde mir attestiert, dass die Idee, den digitalen Nachlass besser zu verwalten, zwar sehr gut, das Business-Modell dazu aber schwer umzusetzen ist. Denn: Wer soll für diesen Service bezahlen, wenn die entsprechende Person gestorben ist? Das war ein wichtiger, aber schwieriger Aspekt.

Was hast du gemeinsam mit dem CyberLab aus der Idee gemacht?

Wir überlegten, das Ganze unter einem emotionalen Aspekt zu entwickeln. Die E-Mail trotzdem zu verschicken, aber nicht als eine Art Totmannschalter, sondern mit einem ganz anderen Hintergrund – nämlich, um Informationen und Erinnerungen über den Verstorbenen zusammenzutragen. Zum Beispiel als Erinnerung für die Hinterbliebenen. Für unser Geschäftsmodell war das von großer Bedeutung, weil wir mit einer völlig anderen Idee da reingegangen sind als wir rausgekommen sind.

Ein trauriger Anlass hat dann die Meminto Stories-Idee früher konkretisiert als gedacht …

Mein Opa ist während der Pandemie an Corona verstorben. Es war die Zeit, in der man sich nicht zu einem Leichenschmaus zusammensetzen konnte, um über das Leben des Verstorbenen zu sprechen. So kam mir die Idee, Fragen an die Hinterbliebenen zu stellen und ihre Erlebnisse, Geschichten, Fotos, was auch immer sie mit dem Verstorbenen erlebt haben, im Nachhinein aufzuzeichnen. Daraus wurde dann ein superschönes Gruppenprojekt. 18 Personen aus der ganzen Familie haben mitgemacht. Jeder hatte einen Meminto-Login und konnte sich Fragen herauspicken, die er beantworten wollte. So ist ein über 130 Seiten starkes Buch über meinen Opa entstanden, das jetzt in 25 Haushalten steht. Eines Tages werde ich meinen Kindern oder Enkeln in dieser Form unsere Familiengeschichte weitergeben können.

Daraus wurde Meminto Stories, ein digitaler Assistent, der Menschen dabei hilft, sich an alle wichtigen Momente ihres Lebens zu erinnern, diese festzuhalten und in einem Buch drucken zu lassen. Wir haben das Produkt dann weiter entwickelt für Eltern, Großeltern, Kinder, Freunde, Reisen und Hochzeiten.

Dank KI schreibt sich so ein Buch dann von allein? 

Ja. Das Herzstück von Meminto sind 52 Fragen. Sie helfen dabei, sich zu erinnern und sie inspirieren dich, tolle Geschichten deines Lebens zu erzählen. Du musst auch nicht großartig kreativ werden, das macht alles die KI. Die Fragen, die wir gemeinsam mit einer Soziologin aus unserem Team entwickelt haben, können beliebig erweitert oder angepasst werden. So entsteht in 60 Tagen ein echtes Buch.

Welche Fragen können das sein? 

Zum Beispiel aus der Sicht einer Mutter oder der Eltern: Ab welchem Tag wusstest du, dass du schwanger bist? Habt ihr es gemeinsam erfahren? Wie habt ihr euch in diesem Moment gefühlt? Oder aus der Sicht eines Kindes an Mama und Papa: Wie war es, als ich meinen ersten Zahn verloren habe? Wie war es als du mich das erste Mal im Kindergarten alleine lassen musstest?

Aktuell haben wir das Hochzeitsbuch entwickelt. Hier können die Hochzeitsgäste schon während sie sich auf die Hochzeitsfeier vorbereiten, die Erlebnisse mit diesem Brautpaar aufschreiben. So kann man auf der Hochzeit etwas Schönes auslegen und man hat auch einen tollen Rückblick auf das gemeinsame Leben mit den Freunden und der Familie.

Jetzt gehen wir den nächsten Schritt und bauen die Idee zu einer Plattform um. So können zum Beispiel auch Unternehmen ihre eigene Unternehmensgeschichte aus der Sicht der Mitarbeiter festhalten. Wenn jemand in Pension geht, erhält er das Buch als Abschiedsgeschenk von den Kollegen geschrieben.

Wie viele Bücher wurden schon mit Meminto Stories gemacht?

Wir sind bei mehr als 3.500 Büchern, die entweder schon fertiggestellt oder gerade in Arbeit sind und insgesamt bei über 12.000 Geschichten, die schon festgehalten wurden. Und jeden Tag werden es mehr. Bis jetzt bieten wir die Texte in Deutsch und in Englisch an und wir haben Kunden in Europa, Amerika, Australien, Neuseeland und sogar in Kasachstan.

Wo kommt das ganze Wissen her?

Wir arbeiten hier mit der KI von Aleph Alpha aus Heidelberg zusammen, die mit 23 Millionen Euro von Silicon Valley gesponsert wurde. Ziel ist es, dass innerhalb der App irgendwann wirkliche Konversation mit den Benutzern stattfindet. Aus diesen werden dann die Geschichten geschrieben, die anschließend im Buch abgedruckt werden. Noch sind wir hier jedoch am Anfang.

Besonders für ältere Menschen kann das Buch auch per Telefon erstellt werden …

Ja, wir haben einen Telefonservice integriert, wo wir die Personen einmal pro Woche mit einer Frage anrufen. Unser System liest die Frage vor, die Personen haben dann 5-10 Minuten Zeit, ihre Geschichte zu erzählen und wir transkribieren alles, was sie erzählt haben, in Text. So dass am Ende nur noch ein Familienmitglied drüber schauen und eventuell Bilder hochladen sollte. Und dann kann das Buch am Telefon erstellt werden.

Warum hat es bei „Höhle der Löwen“ nicht für einen Deal gereicht?

Die Hauptkritikpunkte waren, dass meine Bewertung mit 250.000 Euro und der Preis für das Buch zu hoch waren. Obwohl wir 300 Seiten bieten und damit günstiger sind als ein normales Fotobuch mit derselben Seitenanzahl.

Habt ihr was geändert? 

Ja, wir haben gleich nach der Show Preisstaffeln eingebaut für 40, 100 und 200 Seiten. Insofern war das sehr hilfreich, denn das wird inzwischen sehr gut angenommen.

Wir hatten während der Show eine Echtzeit-Zählung der Besucher auf der Webseite gemacht, um zu schauen, was passiert während der Sendung. Kommen die Leute wirklich auf die Webseite? Vorher hatte ich noch einen starken Server gebucht. Kurz vor der Show waren wir immer bei 12 bis 15 Besucher gleichzeitig. Während ich dort stand und meinen Pitch abgehalten habe, kamen über 8.000 Leute auf die Webseite. Das war schon besonders und hat sich auch im Nachhinein gelohnt.

Wie war es bei HDL vor einem Millionenpublikum zu präsentieren? 

Es war für mich persönlich ein erhebendes Gefühl. Was aber gar nicht mit dem Produkt zu tun hat. Ich habe früher stark gestottert. Ich habe mich nicht getraut, einkaufen zu gehen, weil ich nicht sagen konnte, was ich wollte. Es gab Tage, da traute ich mich nicht aus dem Haus. Und in der Schule konnte ich kaum etwas vorlesen. Irgendwann in den Zwanzigern wurde es allmählich besser. Heute ist es nahezu weg. Als ich aus der Sendung kam, rief mich meine Mutter an und sagte: „Albert, wenn mir das einer vor 15 Jahren erzählt hätte, dass du im Fernsehen auftrittst und eine Idee präsentierst, ich hätte es nicht geglaubt.“ Das war ein ganz tolles Gefühl, weil es mir gezeigt hat, hey, man kann auch Schwächen besiegen!

Dein großes Ziel? 

Ich möchte mit Meminto Stories als globales Thema ansetzen, weil das Thema Geschichtenerzählen an keine Grenzen gebunden ist. Egal, auf welchem Kontinent, in welcher Kultur, zu welcher Zeit. Alle Menschen lieben gute Geschichten. Und wenn ich es mit Meminto schaffe, diese Geschichten aus den Menschen herauszuholen, wäre das etwas, was mich wirklich erfüllen würde. Das ist meine Agenda für die nächsten vier bis fünf Jahre. Danach würde ich gerne als Berater, Mentor, Business-Angel auftreten und anderen Startups helfen, das Gleiche zu erreichen oder sogar noch mehr.