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Ein Controller für den Fuß? Bei einer kürzlich beendeten Crowdfunding-Kampagne kam diese Idee an. Wir sprachen mit den Gründern des Karlsruher Startups CapLab und verraten, was sich hinter dem Bcon verbirgt.

Ein Controller für den Fuß? Das klingt beim ersten Hören eher wie eine Schnapsidee. Das gibt auch Carsten van Husen zu, CEO des Karlsruher Startups CapLab, das mit dem Bcon einen ebensolchen entwickelt hat: „Die erste Reaktion ist oftmals: Warum denn mit dem Fuß? Ich habe doch zwei Hände.“

Peter Stein, verantwortlich für den Bereich Operations, ergänzt: „Wir hatten schon etwas Bedenken, dass wir unsere erste Media-Coverage in einem Listicle der PC-Games haben – zu den zehn lächerlichsten Game-Controllern, die man noch nie gebraucht hat.“

Dennoch – oder gerade deswegen – funkeln bei Carsten die Augen, wenn er über den Bcon spricht. Und das mag schon was heißen, denn ganz unerfahren ist er nicht. Carsten war CEO der Gameforge, einer der größten deutschen Spieleschmieden, bis er 2016 neue Wege einschlagen wollte.

Peter Stein und Carsten van Husen von CapLab
Peter Stein und Carsten van Husen von CapLab. Bild: CapLab

Wearables: Machen statt messen?

Interessiert war Carsten schon länger an Wearables – warum eigentlich wurden diese in den meisten Fällen nur als Sensoren verwendet, die etwas messen? Die Sensoren könnte man doch genauso dazu nutzen, um Befehle zu geben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Idee für den Bcon geboren war: Warum eigentlich nicht ein Wearable als Controller?

Die Affinität zum Gaming verbindet das Team hinter dem Bcon. Carsten sieht sich entsprechend seines Werdegangs für den kaufmännischen Bereich verantwortlich. Peter, studierter Kommunikationspsychologe, den die Leidenschaft fürs Zocken zuvor zu Gameforge geführt hatte, kümmert sich um alles, was direkt mit dem Produkt zu tun hat.

Mehr als WASD mit dem Fuß

Aber was genau ist der Bcon? Wer sich ein Gamepad vorstellt, das für die Anatomie des Fußes optimiert wurde, der irrt. Das eigentliche Produkt ist eine kleine, diamantförmige Platte, die mit einer Halterung um den Fuß geschnallt werden kann. Die Eingabe erfolgt nicht über das Drücken von Knöpfen, sondern über die Bewegung und Positionierung des Fußes. Eine kurze Vibration bestätigt die Eingabe.

Da das Gerät über Bluetooth als „Human Interface Device“ erkannt wird, ersetzt es nicht Controller, Tastatur oder Maus; es ist vielmehr ein zusätzliches Eingabegerät. Deswegen kann es mit jedem Programm verwendet werden, das ein Eingabegerät vorsieht. Das trifft auf die absolute Mehrheit von Spielen zu. Aber es stellt sich eben doch die Frage: Wozu einen Fuß-Controller, wenn man zwei Hände hat?

Bei vielen Spielen ist es eine Herausforderung, alle Befehle so auf der Tastatur abzubilden, dass man die jeweiligen Tasten bequem erreichen kann. Es gibt unzählige Tastaturen und Mäuse für Gamer, die dieses Problem lösen sollen, und in Foren diskutieren Spielefans die ideale Tastenbelegung mit nahezu religiösem Eifer. Hier kann die Auslagerung von Befehlen auf ein zusätzliches Eingabegerät viel bewirken.

Der Bcon ist eine diamantförmige Platte, die mit einer Halterung um den Fuß geschnallt werden kann.
Der Bcon ist eine diamantförmige Platte, die mit einer Halterung um den Fuß geschnallt werden kann. Bild: CapLab

Geschwindigkeit als Profi-KPI

Das trifft auch auf Spiele zu, bei denen die Geschwindigkeit des Spielers ausschlaggebend ist. So beispielsweise bei StarCraft, einem Echtzeit-Strategiespiel, das sich in Südkorea geradezu zum Volkssport entwickelt hat. Eine der wichtigsten Kennzahlen ist die Rate der Aktionen pro Minute – professionelle Spieler klicken mehrere hundert Mal pro Minute. Ein zusätzliches Eingabegerät könnte noch mehr Aktionen im gleichen Zeitraum ermöglichen.

Auch bei Playerunknown‘s Battlegrounds – kurz PUBG – kann der Bruchteil einer Sekunde über den Ausgang eines Spiels entscheiden. Es ist einer der größten Gaming-Hits der jüngsten Vergangenheit, stellte einen Rekord als Spiel mit den meisten gleichzeitigen Spielern auf. PUBG ist ein Multiplayer-Shooter: hundert Spieler kämpfen auf einem immer kleiner werdenden Gebiet gegeneinander, nur ein Team kann gewinnen. Eine der wichtigsten Bewegungen ist es dabei, sich hinter Wänden oder Bäumen vorzulehnen, um gleich wieder in Deckung gehen zu können. Diese Bewegung kann auf den Bcon und damit auf den bisher inaktiven Fuß ausgelagert werden, wodurch die Hände frei bleiben, um beispielsweise mit der Waffe zu zielen oder zu schießen.

Peter und Carsten sind außerdem von einer weiteren Möglichkeit zur Effizienzsteigerung des Spielers überzeugt. Einzelne Befehle können so auf den Bcon gelegt werden, dass durch eine flüssige Bewegung des Fußes ganze Kombinationen von Fähigkeiten ausgeführt werden.

Aber ist das nicht gegen die Regeln?

Hochsprung oder Stabhochsprung

„Am Anfang kam es mir selbst wie cheaten vor“, räumt Peter ein: „Es gibt Tutorials mit Millionen von Klicks, die zeigen nur, wie man am besten eine bestimmte Kombo lernt. Dann schaue ich nach, welche Tastenfolgen das sind, lege sie mir auf den Bcon und es funktioniert beim ersten Versuch. Das funktioniert doch sonst nur mit Makros.“

Von Makros spricht man, wenn mit nur einem Klick eine ganze Folge von Befehlen automatisiert durch ein Skript ausgeführt wird. Im Gaming ist die Verwendung von Makros mindestens verpönt, meist sogar verboten. Doch beim Bcon verhält sich das anders: Selbst wenn mit einer einzigen flüssigen Bewegung eine bestimmte Abfolge von Befehlen ausgeführt wird, ist das keine Automatisierung im technischen Sinne. Die Eingabe kann jederzeit abgebrochen werden, denn jedem einzelnen Befehl ist eine bestimmte Position des Bcon zugeordnet. „Du löst ja jede Taste selbst aus“, erklärt Peter. „Das ist keine Automatisierung, das ist kein Makro. Aber du hast einen ähnlichen Effekt.“

Die Verwendung des Bcon wäre nach aktuellen Regeln wohl sogar in der Profi-Liga ESL erlaubt. Sollte sich der Bcon im Profi-Gaming durchsetzen, kann sich Carsten van Husen aber vorstellen, dass es früher oder später zur Entstehung von zwei Disziplinen käme: „So wie Hochsprung mit und ohne Stab.“ Dann, scherzt Carsten, hätten sie es geschafft.

Was Hänschen nicht lernt?

Problematischer ist vielleicht eher die Offenheit von professionellen Gamern, sich mit einem zusätzlichen Gerät zu befassen: Viele Spieler wollen nicht umtrainieren. Dabei sei das nicht so schwierig, findet Carsten: „Das ist doch wie in der ersten Fahrstunde. Da ist man mit den Pedalen noch überfordert. Aber dann wird es ein ganz natürlicher Bewegungsablauf.“ Peter ergänzt: „Gerade wenn man anfängt, einen neuen Charakter zu spielen, kommt man mit dem Bcon schnell zurecht.“

Um mehr Feedback zu erhalten, hat das Team von Caplab, derzeit ein Startup im Karlsruher Accelerator CyberLab, den Bcon Gaming-Redaktionen und Esport-Teams zur Verfügung gestellt. Immer, wenn das Team überzeugt war, alle Anwendungsfälle bedacht zu haben, kam Peter und Carsten eine neue Idee, wie der Bcon eingesetzt werden kann.

Leistungssteigerung und Inklusion

Und auf einen Anwendungsbereich, an den man zu Beginn gar nicht gedacht hatte, ist das Team merklich stolz: Der Bcon ist eine vielversprechende Lösung zur Inklusion von Menschen mit Behinderung, wie beispielsweise Robert. Computerspielen konnte er aufgrund einer Querschnittslähmung bisher nur mithilfe eines kleinen Devices, das mit dem Mund bedient wird. Als Peter ihn für einen Test besuchte, steckte er den Bcon kurzerhand unter Roberts Mütze. Das Ergebnis war beeindruckend. Wenn Robert bisher Counter Strike spielte, musste er den Befehl zum Nachladen über Sprachsteuerung geben. In dieser Zeit konnte er keine anderen Handlungen durchführen. In anderen Spielen wie Grand Theft Auto war es hinderlich, dass er sich beim Fortbewegen durch die Spielwelt nicht umsehen konnte. Durch das zusätzliche Eingabegerät konnte Robert zum ersten Mal mehrere Aktionen gleichzeitig ausführen.

Dank erfolgreicher Crowdfunding-Kampagne kann der Bcon nun in die Serienfertigung eintreten.
Dank erfolgreicher Crowdfunding-Kampagne kann der Bcon nun in die Serienfertigung eintreten. Bild: CapLab

Das ist es vielleicht, was den Bcon so besonders macht: Er ist für nahezu jedes Programm anwendbar und bietet den Nutzern die Freiheit, ihn individuell auf ihre Bedürfnisse angepasst einzurichten und zu verwenden.

Für’s Erste werden sich Carsten und Peter trotzdem voll auf den Einsatz als Fuß-Controller konzentrieren. „Beim Autofahren, beim Klavierspielen – der Fuß bekommt so oft seine Aufgabe“, meint Carsten. Warum also nicht beim Gaming?

Mit Crowdfunding zur Serienfertigung

Die Idee scheint zu fruchten. Mitte Juni endete eine Crowdfunding Kampagne auf Kickstarter. Und das mit Erfolg. Für mehr als fünfzigtausend Euro haben sich Gamer und Interessierte aus 26 Ländern einen Bcon im Vorverkauf gesichert. Diese Überzeugung ermöglicht es, dass der Bcon nun ins Stadium der Serienfertigung eintritt.

Bereits im März wurde der Bcon von Wearable Technologies als Gadget of the Month ausgezeichnet. Auch das Fachmagazin PC Welt zeigte sich Mitte Mai überzeugt und verlieh dem Karlsruher Produkt nach einem Produkttest den Award „Innovative Technik“.

Mit der Unterstützung der Crowd wollen Carsten und Peter jetzt dafür sorgen, dass der Bcon richtig durchstartet – gewissermaßen mit dem Fuß durch die Decke.