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Durch Thorgan Hazards Torgeste bei der EM 2021, eine Übung aus dem neurozentrischen Training, ist die Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt worden. Eine Trainingsmethode die das Gehirn berücksichtigt, findet seit einigen Jahren immer mehr Anklang bei Physiotherapeuten, Trainern und Coaches im Hobby- sowie im Leistungssport. Aufgrund der Komplexität des Nervensystems bedarf es derzeit persönlichem 1on1-Coaching.

Derzeit gibt es ungefähr 1.000 Trainer auf der Welt, die Nachfrage nach dem neuen Trainingsansatz steigt stetig. Eine digitale Lösung bietet Menschen Zugang, die selbstbestimmt an Schmerzen und Leistungsproblemen arbeiten wollen aber in ihrem näheren örtlichen Umfeld keine Expertise zur Verfügung haben.

Wie läuft eine neurozentrische Trainingseinheit ab?

Es gibt derzeit noch keine digitale Lösung da neurozentrische Trainingseinheiten sind komplex und individuell auf den jeweiligen Patienten oder Athleten zugeschnitten. Es kann nicht einfach durch eine Plattform ohne Intelligenz abgebildet werden.
Im Training wird zunächst ein neurozentrisches Profil erstellt. Durch einfache Bewegungstests werden im Seitenvergleich zentrale Systeme getestet die maßgeblich an Bewegung beteiligt sind. Stellen sich hier bestimmte Muster ein, wird gezielt darauf eingegangen. Im Endeffekt arbeitet der Patient / Athlet durch gezielte Übungen daran, Systeme im Nervensystem durch einfache Bewegungen zu aktivieren die unteraktiv sind.

Ein Beispiel: das Kleinhirn

Eines dieser zentralen Systeme die im Mittelpunkt von Bewegung stehen ist das Kleinhirn. Durch wissenschaftliche Studien, neuroanatomische Korrelate und Erkenntnissen aus klinischen Beobachtungen bei Läsionen hat man festgestellt, dass das Kleinhirn an Balance, Koordination und Präzision von Bewegung auf der gleichen Körperseite beteiligt ist. Das linke Kleinhirn für die linke Körperhälfte und das rechte für die rechte. Außerdem steuert es stammnahe Antigravitationsmuskulatur an. Im Prinzip Muskulatur welche den aufrechten Gang und die Aufrichtung gegen die Schwerkraft ermöglicht.

In der Praxis werden in Bewegungstest genau diese Qualitäten von Bewegungen im Seitenvergleich getestet. Einseitige Probelme bei Balance, ungenaue Bewegungen und koordinative Einschränkungen geben Hinweise, dass eine Person von Aktivität im gleichseitigen Kleinhirn profitieren könnte.

Doppelte Qualitätskontrolle

Ob die einzelne Person am Meisten von Beanspruchung der Antigravitationsmuskulatur, Ausübung zielgerichteter Bewegung oder koordinativen Herausforderung profitiert wird im Nachgang getestet.

Hilft eine Neuroübung wird Stress im Nervensystem reduziert. Dadurch lässt unser Gehirn mehr Bewegung und Kraft zu weil es sich sicherer fühlt. Das heißt man kann durch Vorher-/Nachher-Tests direkt überprüfen ob die einzelne Übung die richtige für die jeweilige Person ist.

Dadurch ergibt sich eine doppelte Qualitätskontrolle. Im ersten Schritt wird durch die Profilerstellung das Fundament für die weiteren Übungen gelegt und im Nachgang gegenkontrolliert ob die initiale Vermutung stimmt und die richtige Trainingsintensität gewählt wurde. So stellt sich eine doppelte Kontrolle ein. Man meidet ineffektive Übungen und widmet sich lediglich den Bewegungen mit dem größten persönlichen Nutzen. Diese sind meist nicht länger als 5 Minuten und lassen sich perfekt in den Alltag integrieren. Zusätzliche Geräte werden nicht gebraucht.

Es bleibt nicht nur beim Kleinhirn

„If the human brain were so simple that we could understand it, we would be so simple that we couldn’t.“ – Emerson M. Pough

Unser Gehirn ist komplex. Es bleibt nicht nur beim Kleinhirn. Evolutionsbiologisch betrachtet ist alles worauf wir ausgelegt sind Bewegung. Jedes funktionell-getrennte Organ unseres Nervensystems ist in irgendeiner Weise an Bewegung beteiligt. Jedes funktionell-getrennte Organ unseres Nervensystems lässt sich in weitere Subsysteme unterteilen welche in einer anderen Ausprägung an Bewegung beteiligt sind. Es ergeben sich mehrere Millionen verschiedener Profile. Diese im Seitenvergleich zu analysieren um für den Einzelnen ein präzises Profil zu erstellen, dann Übungen zu testen welche potentiell den größten persönlichen Nutzen haben ist im Personal Training oft Intuition.

Eine Datenbank mit Machine-Learning Komponente und Zugriff auf verschiedene Übungen und Bewegungstests zur Profilerstellung und Trainingsplanung sowie ein Feedback-Mechanismus durch den Endnutzer mit Angaben zur Bewegungsverbesserung/-verschlechterung nach Neuroübungen hilft nicht nur den Menschen mit Schmerzen und Bewegungsproblemen. Es könnten Erkenntnisse und Verknüpfungen entdeckt werden, die wir als Mensch nicht in der Lage sind nachzuvollziehen – ähnlich der Stockfish- oder Alpha-Go-Engine.