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In Deutschland gibt es nur rund 15.000 freie WLAN-Hotspots. Grund für das mangelhafte Angebot ist vor allem die rechtliche Lage. Mit einem neuen Gesetz wollte die Bundesregierung die Hürden für den Betrieb öffentlicher WLAN-Netze senken. Der Entwurf verspricht jedoch alle andere als Innovation.

Im internationalen Vergleich erreicht Deutschland mit seinen rund 15.000 freien Wi-Fi-Hotspots den siebten Platz, so eine Studie des Verbands der deutschen Internetwirtschaft Eco. Vor Deutschland liegen nicht nur IT-Nationen wie Südkorea oder die USA, sondern auch China und Russland. Während hierzulande auf 10.000 Einwohner 1,87 Hotspots kommen, bietet Südkorea seinen Einwohnern mit 37,35 Zugängen pro 10.000 Landsleuten eine fast 20 Mal so hohe Abdeckung. „Deutschland fährt bei der Verbreitung von WLAN-Hotspots im internationalen Vergleich derzeit noch mit angezogener Handbremse“, so die Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Innovationsbremse Störhaftung

Grund für den zögerlichen Ausbau in Deutschland ist vor allem die schwierige rechtliche Lage – Stichwort: Störerhaftung. Im Allgemeinen ist damit die Haftung für eine Tat gemeint, die jemand zwar nicht direkt begeht, aber kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Eine solche indirekte Verursachung ist nach der Rechtsprechung bei einem Vergehen unter anderem durch die Bereitstellung eines öffentlichen WLAN-Zugangs gegeben. Dem „Sommer unseres Lebens„-Urteil war der Upload eines gleichnamigen Musiktitels in eine Tauschbörse von einem unbekannten Dritten über das ungeschützte WLAN-Netzwerk des Beklagten vorausgegangen. Von der konkreten Rechtsverletzung wurde der WLAN-Anbieter aber freigesprochen, weil sich dieser zum Tatzeitpunkt im Urlaub befand, jedoch etablierte der BGH die sogenannte Störerhaftung. Diese ist demnach gegeben, wenn der Anschluss-Inhaber seinen WLAN-Zugang nicht mit einem „persönlichen, ausreichend langen und sicheren Passwort“ schützt. Findet dennoch ein Rechtsverstoß statt, beispielsweise durch Familie oder Freunde, genügt der Hinweis auf das sichere Passwort, um einer Verfolgung zu entgehen. Eine Abmahnung samt Unterlassungserklärung lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres abwehren.

Ausgenommen aus der Störerhaftung sind die Internetprovider. Da diese nur bis zum Anschluss eine gesicherte Übertragung garantieren können, greift für diese das im Telemediengesetz (TMG) definierte Haftungsprivileg. Dort heißt es in § 8: „Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich.“ Ob auch gewerbliche Anbieter eines WLAN-Zugangs wie Diensteanbieter zu betrachten sind, lässt der Gesetzgeber bis heute offen. Genau wie Privatpersonen müssen also auch Anbieter von WLAN-Hotspots Abmahnungen fürchten. Besonders für kleine Unternehmen wie Cafés ist das finanzielle Risiko hoch.

Nicht ganz so Digitale Agenda

In der „Digitalen Agenda 2014–2017“ zeigten die Ministerien für Verkehr und Inneres im Sommer 2014, dass sie das Problem erkannt haben. Der Rechtsunsicherheit für Unternehmen bei öffentlichen WLAN-Zugängen widmet sich das Dokument zwar nur mit wenigen Sätzen, dafür folgt das konkrete Versprechen, in Kürze ein Gesetz vorlegen zu wollen um „Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANs im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, zu schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften.“

Der Mitte März veröffentlichte Gesetzesentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, im Fachjargon Zweites Telemedienänderungsgesetz genannt, folgte – und enttäuschte. Dort heißt es zwar, dass gewerbliche Betreiber künftig ebenso wie Internetprovider als Diensteanbieter zu betrachten sind und von der Haftung für ihre Kunden ausgenommen werden, dies gilt allerdings nur unter bestimmten Umständen. Zum einen muss sich der WLAN-Betreiber von seinem Kunden versichern lassen, dass diese keine Rechtsverletzungen begehen werden, beispielsweise mit einem Klick auf eine entsprechende Box. Außerdem ist das Anbieten eines WLAN-Zugangs nur dann erlaubt, wenn dieser verschlüsselt ist. Das neue Gesetz verhindert so weiterhin die jederzeit unkomplizierte Nutzung von WLAN-Hotspots. Wird das Passwort für die Verwendung des Netzes öffentlich ausgehängt, ist der Passwortschutz ohnehin sinnlos. Unternehmer haben zwar Rechtssicherheit, ein Anreiz zum Schaffen einer flächendeckenden WLAN-Infrastruktur fehlt aber weiterhin.

Dementsprechend kritisch sind die Stimmen der Experten. So äußerte sich Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand, enttäuscht zum Gesetzesentwurf: „Die Energie der Bundesregierung geht mit diesem Gesetz erneut in die falsche Richtung. So entstehen unzählige Barrieren statt Chancen. Von einem kostenlosen, umfassenden WLAN für alle kann keine Rede sein.“ Etwas optimistischer ist Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht von Eco: „Insgesamt besteht an dem Gesetzentwurf noch erheblicher Nachbesserungsbedarf. Dies ist bedauerlich, da wir davon ausgegangen sind, die Regierung hätte die Zeit genutzt, die zahlreichen Kritikpunkte an dem Entwurf aufzugreifen und nachzubessern.“

Besonders brisant ist das neue Gesetz in Bezug auf Privatleute. Hier ist sogar eine Verschlechterung der rechtlichen Situation erkennbar. Wer sein WLAN-Netz privat anderen Anwendern zur Verfügung stellt, muss die Anwender künftig namentlich nennen können. Privatpersonen sind dadurch sogar weniger als bisher in der Lage, zu einer besseren WLAN-Verfügbarkeit beizusteuern. Zivilgesellschaftliches Engagement, wie dies von Freifunkern verfolgt wird, wäre damit nur noch mit großen Risiken möglich.

Andere Länder, andere Netze

Dass eine sichere Rechtslage zu Innovation beiträgt, zeigt ein Beispiel aus Estland. Das baltische Land, ohnehin Vorreiter in Sachen IT, zeigt sich auch mit Blick auf freies WLAN als Innovator. Als Besucher der estnischen Hauptstadt Tallinn ist es beispielsweise möglich, die Stadt komplett zu durchqueren, ohne dabei in ein WLAN-Funkloch zu geraten. Dass Tankstellen, Busse, Museen und Supermärkte ihren Gästen Internet kostenlos, unverschlüsselt und unbegrenzt zur Verfügung stellen, ist zu einem Teil Wifi.ee zu verdanken. Das Konzept des Unternehmens ist einfach erklärt: Zur Kartenzahlung an der Kasse wird ohnehin eine Internetverbindung benötigt. Da Transaktionen aber nur wenig Übertragungskapazität benötigten, wird die überschüssige Bandbreite den Kunden bereitgestellt. Wifi.ee übernimmt gegen Gebühr die Ersteinrichtung und die Fernwartung. Mit geringen Ausgaben und ohne zeitlichen Aufwand sind Unternehmen so in der Lage, für mehr Komfort ihrer Kunden zu sorgen. Die 1.100 WLAN-Hotspots über die Wifi.ee derzeit verfügt, zeugen vom Erfolg des Konzeptes.

An einer anderen Erfolgsstory tüftelt derzeit Microsoft. In den USA, wo die Rechtslage für gewerbliche Anbieter ebenfalls vorteilhafter ist, will Microsoft künftig die Bandbreite auf ein neues Level bringen. Egal ob hochauflösende Streams, Skype-Telefonate oder Downloads in Sekundenschnelle: Bis zu 5.000 mal schneller als das bisherige öffentliche WLAN-Netz ist Microsofts Pilotprojekt in Seattle. Vor allem aber bedient das Netz mehr als 25.000 Anwender gleichzeitig. Verläuft Microsofts Pilotprojekt in Seattle erfolgreich, soll in naher Zukunft die komplette Stadt im Nordwesten der USA und später das ganze Land mit der zukunftsweisenden Funktechnik ausgestattet werden. Das mobile Büro an fast jedem Ort sowie weitere Anwendungen, die eine potente Internetverbindung voraussetzen, wäre so gegeben.

Strategischer Nachteil für Deutschlands Gewerbe

Die unsichere Rechtslage sorgt für Nachteile, die über schlichte Gästewünsche hinausgehen. So müssen Hotels für zwei Hotelsterne seit 2015 WLAN in öffentlichen Bereichen wie der Lobby oder der Hotelbar anbieten. Den dritten Stern gibt’s nur, wenn alle Zimmer über Internetzugang verfügen. Laut dem Hotelverband Deutschland IHA besteht hierzulande Aufholbedarf. Lediglich 65 Prozent der Hotels bieten derzeit WLAN an, in Europa liegt der Schnitt bei 80 Prozent. Auch andere Einrichtungen, die von internationalem Publikum profitieren wie Messen, Flughäfen, Bahnhöfe, Museen und selbst Innenstädte droht mangels zureichender Gesetze ein Wettbewerbsnachteil.

Noch liegt das zweite Telemedienänderungsgesetz nicht in seiner finalen Form vor. Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens mit Ländern und Verbänden muss der Entwurf gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert werden. Anschließend soll er im Kabinett beschlossen werden. Antworten auf häufige Fragen zur geplanten Neuregelung hat das BMWi auf seiner Webseite veröffentlicht. Gabriels Parteikollege und netzpolitischer Sprecher Lars Klingbeil etwa will „sehr genau hinschauen, ob es Möglichkeiten für Verbesserungen gibt“.

Noch besteht also die Chance, dass Deutschland die Handbremse löst und Innovation zulässt.