In Berlin fand in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal die re:publica statt. Was einst als digitales Klassentreffen für Blogger begann, firmiert heute als Digital-Konferenz für so gut wie jeden, der irgendetwas mit Medien oder dem Internet zu tun hat. Ein Streifzug durch drei Tage rpTEN.
Die re:publica ist erwachsen geworden. Das klingt irgendwie abgedroschen, beschreibt die Entwicklung hin zu einer „Gesellschaftskonferenz“ aber ganz gut. Die Zahlen sprechen für sich: drei Tage, 8.000 Besucher, 770 internationale Speaker aus 60 Ländern mit 500 Stunden Programm auf 17 Stages. Wow!
Dabei konnte man schon am ersten Tag feststellen, dass sich das Publikum gewandelt hat. Waren es 2007 in der Kalkscheune vor allem Blogger, die sich zusammenfanden, um über die Zukunft des Internets zu diskutieren, traf man in diesem Jahr in der Station Berlin so gut wie jeden an, der irgendetwas mit Medien zu tun hat: Journalisten, Netzaktivisten, Wissenschaftler, Politiker, YouTuber, Snapchatter, Instagramer, Unternehmensvertreter, PRler – und ja, angeblich wurden auch ein paar Blogger gesichtet.
„Früher war das Essen besser!“
Der Kampf um das offene Netz war natürlich auch in diesem Jahr wieder eines der großen Themen – zumindest auf den Bühnen der re:publica. Im Innenhof, wo das eigentliche Event stattfand, tauschte man sich indes mehr über das Essen aus. Der Tenor: früher war irgendwie alles besser. Die Auswahl war kleiner, ja, dafür aber auch feiner. Und vor allem günstiger. Denn im Gegensatz zu einer IFA, auf der es ganz normal ist, für eine Bockwurst sechs oder sieben Euro auf den Tisch zu legen, erwartet die digitale Avantgarde bodenständigere Preise. Aber da kann man nichts machen, das gehört zum Erwachsenwerden dazu. „Immerhin die Ticketpreise sind mehr als fair,“ hörte man ab und an beim Small Talk. Na also!
Small Talk ist übrigens wichtig, vor allem wenn man sonst nur über Twitter und Facebook kommuniziert. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum die rpTEN die lange Tradition des zwar vorhandenen, aber grundsätzlich überlasteten öffentlichen W-Lans fortgesetzt hat. Da auch die Mobilfunknetze aufgrund der Nutzerdichte schnell an ihre Grenzen kamen, traf sich auf der re:publica also tatsächlich das Internet, um endlich mal offline zu kommunizieren. Und das ist gut so. Man kann den Veranstaltern diesbezüglich ohnehin keinen Vorwurf machen, denn wenn sich 8.000 Leute auf so kleinen Raum zusammenfinden, um dann erst einmal einen Speedtest zu machen, kann auch die beste Infrastruktur versagen.
Von Snapchattern und Influencern
Die Highlights der rpTEN? Die Leaks zum EU-US-Handelsabkommen TTIP von Greenpeace. Sascha Lobo, der trotz aller Ernüchterung im Bereich Netzpolitik zu mehr Optimismus und Aktivismus aufrief. Edward Snowden, der live aus Moskau zugeschaltet war. Markus Beckedahl, der den Kampf um das offene Netz auch weiterhin nicht aufgibt. Kobra Gümüsay, Carolin Emcke sowie Carline Mohr, die über den Hass im Internet sprachen und erörterten, wie man diesem begegnen sollte. Uwe Hauck und Kati Krause, die in einer beeindruckenden und emotionalen Session aufzeigten, wie soziale Netzwerke bei Depressionen helfen können – oder sie sogar verstärken. Diese und viele weitere tolle Sessions kann man sich hier anschauen.
Zugegeben, die oben genannten Themen sind keine leichte Kost und stimmen im Nachhinein eher nachdenklich. Das ist nicht jedermanns Sache. Das dürfte wohl einer der Gründe sein, warum viele der selbsternannten Berater, Social Media-Gurus und Coaches in ihren Sessions lieber über Snapchat und Influencer schwadronierten. Denn, vielleicht hat es noch nicht jeder mitbekommen (vor allem nicht jeder Marketingverantwortliche mit großem Budgettopf): Snapchat ist der Hit in Tüten! Und wenn dann auch noch ein Influencer Snapchat nutzt, dann ist das Snapchat Marketing vom Feinsten. Oder doch Content Marketing? Oder Influencer Marketing? Wie auch immer: Bingo!
Die re:publica ist wichtiger denn je
Die Digitalisierung erfasst nach und nach alle Bereiche unseres Lebens – ob wir wollen oder nicht. In ein paar Jahren wird ein Großteil unserer Häuser, Haushaltsgeräte und Autos vernetzt sein. Bei Videos, Musik sowie Büchern werden digitale und Streaming-Formate den Markt dominieren. Themen wie Netzneutralität, Überwachung und Transparenz werden dann wichtiger denn je sein – und damit auch die re:publica, auf der all das schon seit Jahren – fernab vom Mainstream – diskutiert wird.
Die nächste re:publica findet in der Woche vom 8. bis 14. Mai 2017 in Berlin statt, zuvor gibt es noch einen eintägigen Zwischenstopp im Oktober in Dublin. Die nächste Ausgabe der Digital-Konferenz dürfte noch bunter, vielfältiger und größer werden, denn obwohl sich manch ein re:publica-Besucher der ersten Stunde bereits im digitalen Rentenalter wähnt: die Digitalisierung der Gesellschaft fängt gerade erst an und es muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.