Videos von Polizeieinsätzen, Ausschreibungsunterlagen, Korrespondenz mit Lobbyisten – Behörden müssen auf Anfrage ihre Wissensschätze preisgeben. Nur sind die Möglichkeiten der Informationsfreiheit kaum jemandem bekannt.

Der deutsche Staat teilt sein Wissen nicht gern mit seiner Bevölkerung. Über Jahrzehnte haben sich Regierungen und Verwaltungen auf Bundes- und Landesebene einen Wissensvorsprung vor ihren Bürgern verschafft. Ihre Macht beruht auf Herrschaftswissen, dem Wissen über Grundlagen und Prozesse staatlicher Entscheidungen.

Vor allem Nichtregierungsorganisationen und Journalisten wollen den Vorsprung des Staates vor der Bevölkerung allerdings verkleinern. Sie wollen mehr Transparenz und Kontrolle der staatlichen Institutionen. Informationsfreiheit, also das Recht auf freien Zugang zu amtlichen Informationen, ist ein Kernelement dieser Forderungen. Sie ist eines der wichtigsten Grundrechte in der Wissensgesellschaft, das sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes zur Meinungs- und Informationsfreiheit ergibt.

Warum ist Informationsfreiheit wichtig? Weil der Zugang zu Wissen der Bevölkerung die Macht zum informierten und selbstbestimmten Handeln verleiht. Informationsfreiheit ist ein Mittel zur Kontrolle politischer Prozesse. Sie kann Korruption vorbeugen, erhöht die Transparenz und Rechenschaftspflicht von Politik und Verwaltung. Der freie Informationsfluss zwischen Staat und Bevölkerung stärkt und belebt die Demokratie, weil er Partizipation möglich macht. Nur wenn insbesondere gesellschaftlich benachteiligte Personen Einblick in das Zustandekommen kollektiv verbindlicher Entscheidungen haben, können sie diese auch effektiv beeinflussen – vorausgesetzt, dass dazu passende demokratische Mittel bereitstehen.

Bundestag wurde mit tausenden Anfragen geflutet

Die Informationsfreiheit ist in Deutschland über verschiedene Auskunftsgesetze geregelt. Das wichtigste von ihnen sind die Informationsfreiheitsgesetze (IFG), die im Kern revolutionär sind: Seit zehn Jahren geben sie allen Menschen auf Bundesebene und in den meisten Bundesländern das Recht, Auskünfte von deutschen Behörden und Einblick in staatliche Daten zu verlangen – und das ohne Angabe von Gründen. Damit ist, zumindest dem Gesetz nach, nicht mehr die Amtsverschwiegenheit Standard. Im Gegenteil muss inzwischen eine Nicht-Auskunft von Behörden begründet werden.

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Die Plattform FragDenStaat.de ermöglicht Bürgern unkompliziert, ihre Anfrage an Behörden zu stellen. (Video: FragDenStaat)

Dabei können über das IFG zum Beispiel Vermerke von Ministerien zu Gesetzentwürfen befreit werden, Briefwechsel zwischen oder innerhalb von Ministerien oder auch Videos, die die Polizei auf Demonstrationen erstellt hat. So wurden in den letzten Jahren durch IFG-Anfragen zum Beispiel die Verbindungen von Lobbyisten mit dem Kanzleramt aufgedeckt, die Teilnahmeliste der Geburtstagsfeier des Bankers Josef Ackermann im Kanzleramt sowie alle Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag.

Nachdem im vergangenen Februar im Rahmen der Kampagne „FragDenBundestag“ mehr als 4.000 IFG-Anträge nach einzelnen Gutachten im Bundestag eintrafen, entschied sich die Verwaltung, künftig all ihre Gutachten proaktiv zu veröffentlichen. Damit haben die Antragssteller einen Wissensschatz gehoben, der nicht nur für Wissenschaftler, Journalisten und interessierte Bürger wertvoll ist. Auch lässt sich durch die Offenlegung der Gutachten vermitteln, an welchen vielfältigen Themen der Bundestag arbeitet – von der Menschenrechtssituation in China über Finanzmarktstabilisierungsgesetze bis hin zu rechtlichen Bewertungen von Nacktbaden im benachbarten Schrebergarten.

Informationsfreiheit hat ein Popularitätsproblem

Die alltägliche IFG-Praxis ist allerdings häufig ernüchternder: Die Bundesländer Hessen, Sachsen, Niedersachsen und Bayern haben kein eigenes IFG und versperren Bürgern damit den Zugang zu bei ihnen liegenden Informationen. Journalisten und Nichtregierungsorganisation stöhnen über teils lange Bearbeitungszeiten für Anträge, überhöhte Gebührenforderungen bis zu 500 Euro pro Anfrage und irrsinnige Ablehnungsgründe.

Damit zusammenhängend hat die Informationsfreiheit ein Popularitätsproblem: Kaum jemand weiß um die Möglichkeiten, die das IFG für die Arbeit etwa von Bürgerinitiativen bietet. Das Online-Portal FragDenStaat.de will genau das verändern: Sie macht es möglich, kostenlos und einfach Anfragen an Behörden in Deutschland zu senden. Dazu müssen NutzerInnen lediglich den Namen der Behörde aus einer Datenbank von 12.000 Behörden auswählen und in einem Satz die Information angeben, die man von der Behörde begehrt. Die Anfrage wird von FragDenStaat weitergeleitet und gemeinsam mit kommenden Antworten transparent online veröffentlicht. So werden angefragte Informationen nicht nur einzelnen Menschen zugänglich, sondern direkt für die Öffentlichkeit befreit. Außerdem ist es möglich, das Antwortverhalten einzelner Behörden zu überprüfen – gelebte Kontrolle demokratischer Prozesse.

10.000 Anfragen an Behörden pro Jahr

Mehr als die Hälfte aller IFG-Anfragen in Deutschland werden inzwischen auf diese Weise über FragDenStaat gestellt. Das macht bei 10.000 IFG-Anfragen an Bundesbehörden zwar nur einen Bruchteil der Anzahl von Anfragen an Behörden aus, die etwa in den USA, Großbritannien oder Norwegen üblich sind. Die dortigen Verwaltungstradition ist allerdings grundsätzlich transparenter – Deutschland hat sich erst spät von seiner Amtsverschwiegenheit verabschiedet und einiges aufzuholen.

Und wenn der Zugang zu Informationen nicht so klappt, wie es gedacht, ist gibt es zusätzlich zu FragDenStaat auch VerklagDenStaat.de. Die Seite informiert über die Möglichkeiten, gegen ungerechtfertigte Ablehnungen oder Gebührenforderungen notfalls gerichtlich vorzugehen. Das kann gerade für Bürgerinitiativen in IFG-Sachen attraktiv sein: Mit der Berichterstattung über eine abgelehnte IFG-Anfrage kann auf interessante Inhalte von Kampagnen aufmerksam gemacht werden. Die Finanzierung des Gerichtsprozesses per Crowdfunding ist erfahrungsgemäß erfolgsversprechend. Das gesammelte Geld können Organisationen idealerweise sogar behalten, wenn sie den Prozess gewinnen.

So erreichte beispielsweise die Online-Plattform abgeordnetenwatch.de 2015 mithilfe einer IFG-Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin, dass der Bundestag die Liste der Lobbyisten herausgeben musste, die über die Bundestagsfraktionen Hausausweise besaßen. Als Reaktion darauf beschloss der Bundestag schließlich, die Praxis der Vergabe von Hausausweisen an Lobbyisten zu beenden. Ganz schön großer Effekt für eine simple IFG-Anfrage.

 

Ein weiteres Projekt der Open Knowledge Foundation ist das 2014 ins Leben gerufene Code for Germany…