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Kunst auf dem Smartphone: Damit ist nicht der prachtvolle fettige Fingerabdruck auf dem Display gemeint – auch wenn das so mancher Fluxus-Künstler vielleicht anders gesehen hätte. Beim „AppArtAward“ ging es auch dieses Jahr vielmehr um Kunst in Form von Apps, die durch ihren erfinderischen, verspielten und auch nachhaltigen Charakter überzeugten. Der Preis wurde zum 5. Mal im Zentrum für Kunst und Medientechnologie verliehen.

Es war komplett schwarz, quadratisch und die einzige Besonderheit bestand darin, dass eine der vier Seiten nicht hundertprozentig gerade war – und so fragte ich mich, damals bei einem Kultururlaub im Sommer 2011 in New York, mit welcher Berechtigung es dieses Gemälde ins berühmte Museum of Modern Art geschafft hatte. Und wartete und wartete vergeblich auf eine Idee, was das nun zu bedeuten habe oder auch nicht.

Viel spannender finde ich persönlich Kunstwerke, die ihre Betrachter zu Nutzern machen und somit selbst zu Performern – und damit Kunst von ihrem hoheitlich-elitären Sockel holen, um sie erleb- und greifbar zu machen. Ein schönes Beispiel dafür ist der AppArtAward: Mit diesem Wettbewerb werden seit 5 Jahren erfinderische, von fantasiereichen Entwicklern gestaltete und auch mal herrlich absurde Kunstwerke im App-Format prämiert. Am vergangenen Freitag wurde der Award zum 5. Mal im ZKM verliehen und ich war auch dieses Jahr wieder beeindruckt, wieviel Kreativität und künstlerischen Gestaltungsspielraum man in so eine kleine App packen kann.

Mit Wischen und Tippen audio-visuelle Architekturen erschaffen

Die Kategorie „Künstlerischer Innovationspreis“ gewann EDMT mit ihrer Visual Music App (Android): Der Nutzer kann mit seinen Fingern 3D-Grafiken mit Sounds von wahlweisen 9 verschiedenen Instrumenten generieren, wobei eine Interaktion durch verschiedene Arten der Fingerbewegungen und über Beschleunigungssensoren entsteht. Das Experimentieren mit sehr ungewöhnlichen Klängen stand auch im Fokus der App Borderlands Granular (iOS), die in der Kategorie „Sound Art“ ausgezeichnet wurde. Hier wird das Prinzip der Granularsynthese verfolgt, das heißt, winzige Klangkörner überlagern sich und bilden neue Klangwolken. Diese Wolken lassen sich mit den Fingern verschieben, bis sie auf ein vorgefertigtes oder in Echzeit eingespieltes Audio-File treffen und mit diesem interagieren.


Borderlands Granular


EDMT

Die Rolle toter Spielfiguren neu definiert

Um Leben und Tod im wahrsten Sinne des Wortes dreht sich die Spiele-App Sometimes You Die (iOS), Gewinner der Kategorie „Game Art“. Das Spiel, das in einem düsteren Keller „spielt“, spricht durch sein nostalgisch anmutendes Jump ’n’ Run-Design und sehr gelungene Hintergrundmusik und –Sounds nicht nur Gamer an. Die Besonderheit bei dieser Games-App: die getöteten Spielfiguren werden zu wichtigen Helfern im weiteren Spielverlauf, indem sie sich zu Brücken oder Treppen stapeln lassen.


Sometimes You Die

Am meisten beeindruckt hat mich aber die App Radwende, die in der Kategorie „Crowd Art“ gewann. Die App ist Teil eines Projekts, das die „Fahrradhölle Wiesbaden“ fahrradfreundlicher gestalten will – und zwar, indem sichtbar gemacht wird, welche Routen besonders oft von Fahrradfahrern genutzt werden und wo entsprechende Fahrradwege wünschenswert wären.

Dabei tracken die Radfahrer per App ihre zurückgelegten Strecken, die dann auf einer Art Map digital und kunstvoll nachgezeichnet werden. Dieses Kunstwerk kann der Nutzer kaufen, wobei es billiger wird, wenn sich mehrere Radfahrer an der Aktion beteiligt haben. So werden auch Freunde und Bekannte aufgefordert, ebenfalls aufs Rad zu steigen und ihre persönliche Route aufzeichnen zu lassen – als digitale Erinnerung an einen „bewegten Tag“ und als stiller Protest gegen einen städtischen Missstand. Das Projekt wird noch in anderen Varianten fortgeführt.

Und das ist meiner Meinung nach das schönste Ergebnis, das ein Künstler erzielen kann: dass sein Werk nicht etwa einen ratlosen Betrachter zurücklässt, sondern Teil der Gesellschaft wird, diese bewegt und verändert und von ihr weitergelebt wird.


Radwende


AppArtAward 2015: Best of der eingereichten Apps